Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Schlechte Finanzlage: Augsburgs Krankenhäuser schlagen Alarm

Augsburg

"Geht um Menschenleben": Kliniken schlagen wegen Finanzlage Alarm

    • |
    Schon länger ist die finanzielle Lage der Augsburger Krankenhäuser angespannt, Energiekosten und Inflation haben sie zusätzlich verschärft.
    Schon länger ist die finanzielle Lage der Augsburger Krankenhäuser angespannt, Energiekosten und Inflation haben sie zusätzlich verschärft. Foto: Ulrich Wagner

    An Drastik fehlt es dem Schreiben nicht, das vor Kurzem aus dem Raum Augsburg nach Berlin und in die Öffentlichkeit geschickt wurde. Von "Existenzbedrohung" und "akuter Unterfinanzierung" ist die Rede, die Gesundheit der Bevölkerung stehe auf dem Spiel, es gehe um Menschenleben. Die Adressaten des offenen Briefs waren Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundestagsabgeordnete, die Absender schwäbische Krankenhäuser – darunter mit einer Ausnahme auch alle

    Mit finanziellen Problemen sind alle Augsburger Krankenhäuser konfrontiert, Ausgangslagen und mögliche Folgen unterscheiden sich aber. Beispiel Stadtklinik im Diako: Das klassische Beleg-Krankenhaus zählt zu den kleineren – und hat keinen öffentlichen Träger hinter sich. "Uns fängt kein Steuerzahler auf", so formuliert es Jens Colditz, Rektor der Stadtklinik im Diako. "Freigemeinnützige" Träger, wie die Evangelische Diakonissenanstalt einer sei, könnten sich ebenso wie die privaten keine langfristigen Verluste leisten. Und so sei die aktuelle Situation – 2023 rechnet Colditz wie im Vorjahr mit einem Verlust im sechsstelligen Bereich – "durchaus herausfordernd". Grund zur Panik gebe es nicht, betont Colditz, in der Versorgungsqualität werde es keinesfalls zu Einschnitten kommen. Aufgrund positiver Belegzahlen gehe man 2024 von einem ausgeglichenen Ergebnis aus, 2025 rechne man wieder mit Überschüssen. All dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Politik ins Handeln komme.

    Augsburger Krankenhäuser zeigen sich wegen Finanzlage besorgt

    Konkret geht es den Krankenhäusern um zweierlei: einerseits kurzfristige Hilfen, um gestiegene Kosten auffangen zu können. "Erhalten wir nicht die Möglichkeit, unsere Kostensteigerungen wie zum Beispiel durch Energie und Inflation zu kompensieren, würden auch wir in Zukunft ein Defizit erwirtschaften", sagt Sebastian Stief, Geschäftsführer des ebenfalls freigemeinnützig getragenen Josefinums. Es brauche aber auch eine "nachhaltige" Finanzierung. Dies bekräftigt Stefan Brunhuber, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, zu denen das auf psychische Erkrankungen spezialisierte Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg gehört. Auch er rechnet für sein Haus mit einem Defizit. "Das liegt aber nicht daran, dass wir uns in irgendwelche unwirtschaftlichen Projekte gestürzt haben. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert – dort muss man ansetzen."

    Stichwort Krankenhaus-Reform. Noch ist vieles dazu im Unklaren, erste Entwürfe bereiteten gerade den kleineren Kliniken größere Sorgen. Doch auch im größten Krankenhaus der Region blickt man mindestens aufmerksam auf die Entwicklungen, das Universitätsklinikum Augsburg (UKA) zählt zu den Mit-Unterzeichnern des offenen Briefs. Sein Träger ist der Freistaat Bayern, eine Insolvenz damit quasi ausgeschlossen. Dennoch fürchtet man dort eine Art regionalen Domino-Effekt. "Für die Krankenversorgung in der Region Augsburg wäre es fatal, wenn die finanzielle Schieflage, in der sich fast alle deutschen Krankenhäuser aktuell befinden, zu einem unkoordinierten Krankenhaussterben führen würde", teilt das UKA auf Anfrage mit. Schon jetzt versorge man in der Region mehr als 50 Prozent der somatischen Patienten – also jene mit körperlichen Beschwerden. "Gerade im Bereich der Versorgung von Notfallpatienten kann dies nicht weiter gesteigert werden." Für die strategische Ausrichtung, die neben Grund- und Regelversorgung auch zunehmend universitäre Spitzenmedizin umfasse, benötige das UKA "wirtschaftlich stabile Kooperationshäuser an seiner Seite".

    Augsburger Uniklinik äußert Sorge vor regionalem Krankenhaussterben

    Umfangreiche Staatshilfen führten an der Uniklinik in den vergangenen Jahren zu einem leicht positiven Ergebnis, für 2023 rechnet man nun mit einem Defizit von rund 15 Millionen Euro. Als Gründe nennt das UKA erstens Kostensteigerungen im Personal- und Sachmittelbereich, zweitens einen "sehr hohen Krankenstand", der dazu führe, dass weniger Betten betrieben werden könnten, sowie drittens die sogenannten Personaluntergrenzen. Die gesetzliche Vorgabe sieht Mindest-Personalbesetzungen pro Bett vor, prallt jedoch in der Realität auf Mitarbeitermangel. Die Folge: Rund zehn Prozent der Intensiv- und Normalbetten am UKA können nicht betrieben werden, entsprechende Einnahmen fehlen. Die über die Krankenkassen ausgezahlten Beträge pro Behandlung reichen nach Angaben der Kliniken nicht aus, um die Defizite aufzufangen – zu groß sei der politische Wunsch, die Krankenkassen-Beiträge stabil zu halten.

    Nur: Welche Konsequenzen hat die finanzielle Schieflage? Die Uniklinik hat nach eigenen Angaben einen Maßnahmenplan erstellt, um ein ausgeglichenes Budget zu erreichen – dazu zähle eine "zunehmende Fokussierung auf höhere Fallzahlen bei komplexen Eingriffen und Behandlungen." Gelinge dies nicht, müssten Kostensparmaßnahmen in einem Umfang umgesetzt werden, "welche die Weiterentwicklung zu einem universitären Spitzenzentrum behindern würden", so die Uniklinik. Andere Augsburger Krankenhäuser halten sich mit öffentlichen Aussagen zu möglichen Folgen öffentlich zurück, niemand will Mitarbeiter oder Patienten abschrecken. Unter vorgehaltener Hand heißt es jedoch, die unsichere Situation "lähme" manche Investitionsentscheidung – etwa baulich oder im Bereich Digitalisierung – und könne auch die Personalplanung erschweren. An der unmittelbaren Versorgung wolle man aber nicht einsparen.

    Kostensteigerungen an Klinikern durch Energiepreis-Explosion und Inflation

    Die Hessing-Kliniken zählen nicht zu den Unterzeichnern des offenen Briefs, betonen auf Anfrage aber, man unterstütze die Anliegen darin. Kliniken dürften nicht zu drastischen Sparmaßnahmen zulasten von Personal oder Patienten gezwungen werden. Das Vincentinum äußerte sich auf Anfrage nicht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden