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Bahntrasse: Widerstand gegen Bahnausbau Augsburg-Ulm – hat das Projekt noch Chancen?

Bahntrasse

Widerstand gegen Bahnausbau Augsburg-Ulm – hat das Projekt noch Chancen?

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    Ein ICE im Bahnhof von Neusäß-Westheim. Die Frage, wo die Schnellzüge künftig fahren soll, sorgt für viele Diskussionen.
    Ein ICE im Bahnhof von Neusäß-Westheim. Die Frage, wo die Schnellzüge künftig fahren soll, sorgt für viele Diskussionen. Foto: Marcus Merk

    Auf den Feldern und Wiesen neben dem Gersthofer Ortsteil Hirblingen stehen rund 100 Plakate mit dem Warnhinweis: "Achtung ICE Trassenvariante". Die Schilder wurden von Bürgerinnen und Bürgern des Ortes aufgestellt. Sie markieren die Dimension einer möglichen neuen Schnellzugstrecke, die zwischen Augsburg und Ulm gebaut werden soll. Die Schienenverbindung zwischen den beiden Städten soll besser und schneller werden. Deshalb plant die Bahn einen Aus- und zumindest teilweisen Neubau der bestehenden, gut 160 Jahre alten Bahnstrecke. Doch umso konkreter diese Pläne werden, umso mehr Widerstand gibt es auch. Vor allem in den Orten, die von den Plänen der Bahn betroffen sind. Die SPD will das Milliardenprojekt deshalb am liebsten deutlich abspecken - und setzt dabei auf die neuen Machtverhältnisse im Bund. Andere wiederum warnen davor, dass man das für die Region wichtige Projekt auf diese Weise zerrede.

    Bei Hirblingen im Kreis Augsburg haben Bürger Schilder aufgestellt, um den Verlauf einer möglichen Bahntrasse zu zeigen.
    Bei Hirblingen im Kreis Augsburg haben Bürger Schilder aufgestellt, um den Verlauf einer möglichen Bahntrasse zu zeigen. Foto: Marcus Merk

    Bahnstrecke Augsburg - Ulm: Autobahntrasse oder auf der Bestandsstrecke?

    Der frühere Bahn-Manager Peter Lankes, der im Kreis Aichach-Friedberg lebt, kennt sich mit schnellen Zügen aus. Er hat den ersten ICE mit entwickelt und war Projektleiter für die ICEs der zweiten und dritten Generation. Was die Bahn zwischen Augsburg und Ulm plane, sei ein Jahrhundertprojekt, sagt er. Die Strecke müsse noch in Jahrzehnten den Ansprüchen gerecht werden. Jetzt nur eine kleine Lösung zu suchen, werde den Anforderungen des Bahnverkehrs in der Zukunft nicht gerecht. Er meint: „Das wäre Geldverschwendung.“ Aktuell sind die Planungen der Bahn so weit fortgeschritten, dass es vier mögliche Trassen gibt. Zwei folgen im Wesentlichen der Autobahn A8 und müssten größtenteils neu gebaut werden. Die beiden anderen

    In der Region sehen das viele anders. In den Orten, die in der Nähe der geplanten Trassen liegen, regt sich Protest. Fast keine Gemeinderatssitzung vergeht, ohne dass über das Thema diskutiert oder eine Protestnote verfasst wird. Die Bedenken sind meist ähnlich: Massive Eingriffe in Natur, Landschaft oder Ortsbild, Flächenverbrauch, Lärm. In Zusmarshausen fürchtet man im Falle einer Autobahntrasse unter anderem eine hohe Brücke über das Zusamtal, in Adelsried vor allem eine weitere Lärmquelle neben der A8. Liefe es auf einen Ausbau der Bestandsstrecke hinaus, wären Neusäß und Diedorf stark betroffen - dort müssten unter anderem eine Reihe von Häusern den Gleisen weichen. Für Politiker im Landkreis ist es eine Zwickmühle. Für welche Variante sie sich auch aussprechen würden, Ärger wäre garantiert. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz sagte kürzlich denn auch, dass er derzeit keiner der Varianten zustimmen könne.

    Augsburgs SPD-Chef stellt Ziele des Projekts infrage

    Die SPD greift diese Stimmung jetzt auf. Augsburgs SPD-Chef Dirk Wurm stellt wesentliche Ziele des Projekts infrage. Die Bahn plant, dass es künftig zwischen Augsburg und Ulm durchgängig vier Gleise geben soll. Züge sollen mit bis zu 300 Stundenkilometern fahren können, die Fahrzeit soll auf 26 Minuten gedrückt werden. So würde die Strecke ideal in den künftigen Deutschland-Takt passen, mit dem der Bahnverkehr besser verzahnt werden soll. Wurm sagt, es müsse noch einmal geprüft werden, ob ein so massiver Eingriff in Natur und Landschaft mit entsprechend hohen Kosten überhaupt erforderlich sei. Es könnten auch eine Fahrzeit von 30 Minuten und drei Gleise reichen. Wurm beruft sich dabei auch auf den ehemaligen Geschäftsführer der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Herbert König. Der hatte erst kürzlich erklärt, er halte die derzeitigen Planungen der Bahn für überdimensioniert. Die SPD will die neuen Machtverhältnisse auf Bundesebene nutzen, um das Projekt noch mal neu zu diskutieren. Diese Zeit müsse man sich nun nehmen, so Wurm. Es nütze nichts, ein Großprojekt zu verfolgen, das sich nicht durchsetzen lasse.

    Bahn-Experte Peter Lankes hält solche Diskussionen dagegen für falsch. Ein dreigleisiger Ausbau bringe nur wenig, sagt er. Vor allem der Nahverkehr könnte am Ende sogar ausgebremst werden. In der Realität habe man dann eine zweigleisige Strecke für den Fernverkehr und eine eingleisige Strecke für den Nahverkehr – mit allen Problemen, die eine eingleisige Strecke mit sich bringe. Etwa Verspätungen, weil Gegenzüge warten müssen. Auch neue Diskussionen über die Fahrzeit seien falsch. Nur mit der jetzt angepeilten Zeit passe die Strecke gut in den künftigen Deutschland-Takt. Unabhängig davon, wo die neue Trasse einmal verlaufe, müsse man aber auch den Menschen in der Region etwas bieten: mit einer Modernisierung von Regionalbahnhöfen und Lärmschutz.

    Augsburg könnte künftig schlechter an den Bahnverkehr angebunden sein

    So sieht es auch der Augsburger Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle (CSU). Er sagt, am viergleisigen Ausbau und der Fahrzeit von 26 Minuten müsse unbedingt festgehalten werden. Alles andere könne das Projekt in Gefahr bringen – und dazu führen, dass Augsburg in Zukunft schlechter angebunden sei. In der Stadt Augsburg will man sich derzeit aber auf keine der vier Trassenvarianten festlegen. Aus Augsburger Sicht ist auch nicht entscheidend, wo die Strecke genau verläuft – solange sie möglichst zeitnah kommt. Hübschle sagt, er habe durchaus Verständnis für betroffene Anwohner. Ihre Sorgen müssten ernst genommen werden.

    Ob man sich in der Region auf eine der vier vorgeschlagenen Trassen einigen kann, scheint angesichts der Diskussionen derzeit offen. Zumindest haben sich die Stadt Augsburg und die Landkreise Augsburg, Günzburg und Neu-Ulm nun aber auf eine gemeinsame Resolution verständigt. In dem von OB Eva Weber und den Landräten Martin Sailer, Hans Reichhart und Thorsten Freudenberger unterzeichneten Text heißt es, dass man an den Zielen des Ausbaus festhalte. Gleichzeitig liest man aber auch Unzufriedenheit mit den derzeitigen Plänen der Bahn heraus. Gefordert werden Nachbesserungen, auch wenn das mehr kosten würde – etwa längere Tunnel in der Nähe von Siedlungen und der Verzicht auf große Brücken. Und auch die Politiker mahnen den Ausbau von Regionalbahnhöfen und Schallschutz an – unabhängig davon, wo die neuen Gleise verlegt werden.

    Ein Großprojekt dieser Dimension sei nie einfach umsetzen, sagt Augsburgs Wirtschaftsreferent Hübschle. Er sei aber zuversichtlich, dass es bei Augsburg-Ulm gelinge. Dazu müsse nun aber ein Gesamtpaket geschnürt werden, mit dem die Stadt und die Region gut leben könnten.

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