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Region Augsburg: Der Kampf gegen das Wasser: "Hätten nie gedacht, dass es uns so treffen kann"

Region Augsburg

Der Kampf gegen das Wasser: "Hätten nie gedacht, dass es uns so treffen kann"

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    Die Gemeinde Diedorf hatte auch in Anhausen Container aufgestellt, in die Betroffene des Hochwassers die zerstörten Gegenstände werfen konnten. Claudia Diller etwa warf Überreste aus der Wohnung ihrer Mutter weg und auch Hans Bröll hatte einiges zu entsorgen.
    Die Gemeinde Diedorf hatte auch in Anhausen Container aufgestellt, in die Betroffene des Hochwassers die zerstörten Gegenstände werfen konnten. Claudia Diller etwa warf Überreste aus der Wohnung ihrer Mutter weg und auch Hans Bröll hatte einiges zu entsorgen. Foto: Peter Fastl

    Wo am Samstag die Freiwillige Feuerwehr Anhausen nur mit dem Schlauchboot Anwohner Am Spindelanger erreichte, wird am Tag danach aufgeräumt. Die Straße, die unten am Anhauser Tal angrenzt, war mit am stärksten vom Hochwasser betroffen. Zwar ist sie am Sonntag wieder trocken. Doch die Anwohner stehen nun vor ihren Schäden. Die Gemeinde Diedorf hat auch hier einen Container aufstellen lassen. Eine Holzplanke nach der anderen wirft Claudia Diller hinein. Sie gehörten mal zum Fußboden der Wohnung ihrer Mutter. "Sie wohnt im Souterrain. Es ist alles im Arsch. Der Boden, die meisten Möbel", sagt sie unumwunden. Während das

    Sämtliche Garagen stehen Am Spindelanger in Anhausen offen. Trocknungsgeräte sind zu sehen, die betroffenen Menschen haben Möbel, Reifen, Kisten und was sie noch alles aufbewahrt hatten, herausgeräumt. "Das Wasser kam langsam, wir konnten die Autos und Roller noch wegbringen", erzählt ein Anhauser. Eine Kurve weiter hat die Katastrophe bei Familie Spengler massiver zugeschlagen. 

    Die Straße "Am Spindelanger" in Anhausen stand noch am Samstag komplett unter Wasser.
    Die Straße "Am Spindelanger" in Anhausen stand noch am Samstag komplett unter Wasser. Foto: Michael Sohr

    Helmut Spengler stützt sich an dem Autoanhänger, der auf seinem Grundstück steht. Nasse Polsterauflagen liegen darin, eine Holzschublade und der Korpus eines Schranks. Während seine Frau Sabine im Garten nachsieht, was von den angebauten Tomaten und Beeren noch übrig ist, muss der 61-Jährige durchschnaufen. Er scheint fertig mit den Nerven. Das Wasser hatte ihr Grundstück geflutet, stand auch im Haus. Am Tag danach bildet sich noch ein riesiger See auf dem Feld daneben. Der Garten ist voller Pfützen, eine Katze tapst vorsichtig um die Lachen. "Mit so etwas hätte ich nie gerechnet", sagt Spengler.

    Das angrenzende Feld steht auch am Sonntag noch unter Wasser.
    Das angrenzende Feld steht auch am Sonntag noch unter Wasser. Foto: Peter Fastl

    Das Ehepaar wohnt in dem Gebiet, das am Samstag evakuiert worden ist. Wie Peter Ipfelkofer, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Anhausen berichtet, war der Damm eines Weihers gebrochen. Während Helmut Spengler der Aufforderung, das Haus zu verlassen nachkam, blieb seine Ehefrau hartnäckig. Nie im Leben hätte sie ihre Tiere, die vier Hunde, die drei Katzen und die Meerschweinchen alleine gelassen, sagt sie. Die Spenglers hoffen, dass es nun mit der Versicherung keine Probleme geben wird. "Bis das wieder alles gerichtet ist, das wird dauern", sagt der Mann. In dem Moment kommen Nachbarn vorbei, sie bieten ihre Hilfe an. Bei ihnen selbst sei der Garten zwar auch unter Wasser gestanden, "aber unser Haus liegt zum Glück etwas höher", berichtet Nachbarin Petra Amrhein. Die Hilfe unter den Menschen war und ist bemerkenswert, sagen der Diedorfer Bürgermeister Peter Höck und

    Haus und Grundstück des Ehepaares Spengler in Anhausen im Landkreis Augsburg war besonders vom Hochwasser betroffen. Am Tag danach wird Sabine Spengler (links) von Nachbarin Petra Amrhein bei der Aufräumarbeit unterstützt.
    Haus und Grundstück des Ehepaares Spengler in Anhausen im Landkreis Augsburg war besonders vom Hochwasser betroffen. Am Tag danach wird Sabine Spengler (links) von Nachbarin Petra Amrhein bei der Aufräumarbeit unterstützt. Foto: Peter Fastl

    "Es ist gigantisch, wie dieses Dorf funktioniert hat", betont der Anhauser Feuerwehrkommandant. In die Turnhalle, wo die Evakuierten untergebracht wurden, hätten Menschen Essen vorbeigebracht. "Sogar aus einem Kindergarten wurde Spielzeug geholt." Der Diedorfer Bürgermeister lobt vor allem auch die vielen unermüdlichen Feuerwehr-Einsatzkräfte. 

    Auch hinter dem Augsburger Karsten Dowids liegen aufwühlende Stunden. Er betreibt seine Autowerkstatt "Dowids Motors" in Fischach, eine der am stärksten vom Hochwasser betroffenen Gemeinden im Landkreis. Dowids musste am Samstag die Autos seiner Kunden in Sicherheit bringen, schließlich kam der 28-Jährige selbst wegen der Wassermassen aus dem Ort nicht mehr heraus und nicht zurück in die Stadt. Er und seine Kollegen hätten dann Nachbarn beim Auspumpen der Keller geholfen. Er bekam auch mit, wie ein älteres Ehepaar, 75 und 78 Jahre alt, per Hubschrauber aus Fischach evakuiert wurde. "Sie hatten sich wohl geweigert, das Haus zu verlassen." Angst habe er selbst nicht gehabt. "Aber es war ein komisches Gefühl, vor allem diese Machtlosigkeit."

    Machtlos, das fühlten sich auch die Schreibers in Haunstetten. Eine Stunde hat Barbara Schreiber in der Nacht auf Samstag geschlafen, ihr Mann gar nicht. Unermüdlich haben sie Eimer um Eimer mit Wasser aus dem Keller hochgetragen, der sich beständig mit neuem Wasser gefüllt hat. "Die Kinder haben drei oder vier Stunden geschlafen, dann haben wir sie wieder aufwecken müssen, weil wir es zu zweit nicht geschafft haben", sagt die Haunstetterin. Seit Freitagabend kämpften sie gegen das Wasser und konnten es so auf fünf Zentimeter halten. Bei vielen Nachbarn, etwa bei Darius Kisiel, steht es knapp 20 Zentimeter hoch. Bei ihm surrt im Keller eine Pumpe, ebenso wie bei den Schreibers. 

    Klares Grundwasser strömt durch kleine Löcher in den Keller

    Ein Bekannter hat ihnen um kurz nach 6 Uhr morgens zwei Pumpen vorbeigebracht. In der Nacht haben sie im Baumarkt online zwei weitere Pumpen vorreserviert und gleich am Morgen abgeholt. Die Feuerwehr war da und hat ihnen Sandsäcke gebracht. Doch obwohl die vier Pumpen durch die Schläuche unablässig das Wasser auf die Straße befördern, die ausgerechnet nach einem Fluss benannt ist, bekommen sie den Keller nicht ganz trocken. Eine solche Situation, sagt Barbara Schreiber, die hätten sie hier noch nie erlebt. Aus zwei kleinen Löchern in der Ecke des Kellers ströme das klare Grundwasser wie aus einem Springbrunnen. Und die Haunstetterin hat Sorge, dass das auch noch eine ganze Weile so weitergehen könnte. "Ich habe die Befürchtung, dass es, auch wenn es aufhört zu regnen, noch einige Tage braucht, bis das Grundwasser wieder abgesunken ist", sagt sie. Trotz allem glaubt sie, dass sie in Haunstetten bisher noch glimpflich davongekommen sind. "Wir haben in Markt Wald gelebt, wenn ich da die Nachrichten vom Schnerzhofer Weiher höre, möchte ich gar nicht wissen, wie es da ausschaut", sagt sie noch schnell, bevor sie gemeinsam mit ihrer Familie weiter gegen das Wasser im Keller kämpft.

    Am Sonntagvormittag hat in der Notunterkunft an der Messe in Augsburg eine Gruppe aus Nordendorf im Landkreis ging es dann in die Notunterkunft, die die Hilfsorganisationen der Stadt als Amtshilfe für die Regierung von Schwaben innerhalb von nur zwei Stunden aus dem Boden gestampft hatten. 

    Evakuierte Nordendorfer bangen um die Dämme

    Auf Feldbetten haben sie in der angrenzenden Halle versucht, nach der ganzen Aufregung noch ein wenig Ruhe zu bekommen. "Ich habe ganz gut geschlafen", sagt der 90-jährige Karl Vogelbauer. Hier an der Messe fühlt er sich gut aufgehoben. "Es ist einwandfrei hier. Die Leute sind freundlich und hilfsbereit", lobt er, während sie um ihn herum immer wieder auf ihre Handys schauen, auf denen ständig Bilder aus ihrer Heimatgemeinde im Landkreis Augsburg eintrudeln. Bisher, glaubt Vogelbauer, sei sein Haus verschont geblieben. "Vielleicht haben wir aber Wasser im Keller." Die bange Frage sei nun, ob die Dämme halten. Davon hängt auch ab, wie lange sie hier noch ausharren müssen. Das fragt sich auch Alireza Hosseini, der mit seiner zwölfjährigen Tochter Arina ein paar Tische weiter sitzt. Auch sie wurden aus Nordendorf hierher gebracht. Vor 10 Monaten kamen sie aus der Ukraine nach Deutschland. Vor ihnen aufgeschlagen liegt ein Deutschbuch. Damit vertreiben sie sich die Wartezeit, bis es wieder nach Hause geht. 

    Alireza Hosseini und Tochter Arina mussten Nordendorf verlassen und verbrachten die Nacht in der Notunterkunft an der Messe Augsburg. Vor zehn Monaten kamen sie aus der Ukraine nach Deutschland.
    Alireza Hosseini und Tochter Arina mussten Nordendorf verlassen und verbrachten die Nacht in der Notunterkunft an der Messe Augsburg. Vor zehn Monaten kamen sie aus der Ukraine nach Deutschland. Foto: Peter Fastl

    Banges Warten hingegen heißt es am Sonntag bei etlichen Friedbergern. Im Wohngebiet unterhalb der Altstadt und in den nördlichen Stadtteilen in der Lechebene herrscht am Nachmittag Alarmstimmung. Denn der Grundwasserpegel steigt und steigt. Bei einigen Anwohnern, wie in der Afrastraße, stehen Keller bereits unter Wasser. Die Menschen wurden per Lautsprecherdurchsage aus einem Feuerwehrfahrzeug aufgerufen, vorsorglich ihre Keller zu räumen. Sandsäcke könnten auf dem Festplatz oder beim Bauhof abgeholt werden. Anwohner Nerim Osmanbasic hat sich bereits mit zehn gefüllten Säcken eingedeckt, er schichtet sie vor der Grundstückeinfahrt zu seinem Haus auf. 

    Nerim Osmanbasic sicherte sein Grundstück unterhalb der Friedberger Altstadt mit Sandsäcken, für den Fall, dass der Pegel der Friedberger Ach wieder ansteigt. Vor allem das steigende Grundwasser aber bereitete den Menschen Probleme.
    Nerim Osmanbasic sicherte sein Grundstück unterhalb der Friedberger Altstadt mit Sandsäcken, für den Fall, dass der Pegel der Friedberger Ach wieder ansteigt. Vor allem das steigende Grundwasser aber bereitete den Menschen Probleme. Foto: Peter Fastl

    Der kleine Bach Ach, der davor vorbeifließt, ist kurz davor, über das Ufer zu treten. Den Keller der Garage hat der 49-Jährige ausgeräumt, er ist inzwischen bereits durch das Grundwasser geflutet. "Ich hoffe einfach, dass es nicht noch mehr wird." Die betroffenen Friedberger werden neben den eigenen Einsatzkräften von Freiwilligen Feuerwehren mit insgesamt 180 Helferinnen und Helfern aus dem unterfränkischen Landkreis Aschaffenburg unterstützt. Sie waren in der Nacht auf Samstag dorthin aufgebrochen.

    Dirk Herzog von der Freiwilligen Feuerwehr Hörstein stellt fest, dass das eingedrungene Grundwasser in einem Haus in der Afrastraße in Friedberg bis zur neunten Stufe der Kellertreppe reicht.
    Dirk Herzog von der Freiwilligen Feuerwehr Hörstein stellt fest, dass das eingedrungene Grundwasser in einem Haus in der Afrastraße in Friedberg bis zur neunten Stufe der Kellertreppe reicht. Foto: Peter Fastl
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