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Foto: Ulrich Wirth
Foto: Ulrich Wirth

Das Uniklinikum Augsburg betreut Corona-Patienten unter anderem auf der Intensivstation. Im gesamten Großraum Augsburg spitzt sich die Lage in den Kliniken zu.

Region Augsburg
09.11.2021

Corona-Lage an den Kliniken: "Wir haben ein echtes Problem"

Von Jörg Heinzle

Die Situation der Krankenhäuser im Raum Augsburg spitzt sich zu. Am Wochenende war zeitweise kein Intensivbett mehr frei - nach wie vor trifft es vor allem Ungeimpfte.

Die Krankenhaus-Ampel in Bayern ist rot - doch schaut man auf die Region Augsburg, so müsste sie mindestens dunkelrot sein. Am vergangenen Wochenende waren in den Klinken zeitweise alle Intensivbetten belegt. Professor Axel Heller ist Mediziner an der Augsburger Uniklinik und der ärztliche Leiter der Krankenhaus-Koordinierung im Raum Augsburg und Nordschwaben - genauer gesagt geht es um die Stadt Augsburg sowie um die Kreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries. Er hat den Überblick über die hier verfügbaren Intensivbetten. Was er sagt, ist deutlich: "Die Notfallreserve ist aufgebraucht." Und: "Wir haben ein echtes Problem." Axel Heller ist der Frust anzuhören, wenn er über die noch immer große Zahl an Ungeimpften spricht. Wäre die Impfquote höher, ist er überzeugt, wären die Krankenhäuser jetzt nicht am Anschlag. Heller und Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) appellierten deshalb am Dienstag noch einmal intensiv an die Menschen, sich impfen zu lassen - und die Impfung auch aufzufrischen. Was bedeutet die Überlastung der Kliniken für andere Erkrankte?

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Wegen des Engpasses bei den Intensivbetten müssten andere Operationen derzeit immer wieder verschoben werden - unter anderem auch bei Patientinnen und Patienten, die an Krebs erkrankt sind. Täglich werde an der Uniklinik derzeit besprochen, welche Operationen durchgeführt werden könnten - und welche noch einmal geschoben werden müssen. "Wir haben Patienten, die dringend operiert werden sollten, und dann schnappt ihnen wieder ein Corona-Patient das Bett weg." Das Problem ist: Während die Patientenzahlen steigen, gibt es in der Region immer weniger verfügbare Intensivbetten. Das liegt nach Angaben von Axel Heller vor allem daran, dass Pflegekräfte aufgeben, weil sie "frustriert, überarbeitet, ausgebrannt" seien. So viele Corona-Patienten wie in der zweiten oder dritte Welle könne man jetzt nicht mehr behandeln.

Die Zahl der Intensivbetten ist gesunken, weil Pflegekräfte verloren gingen

Heller nennt dazu auch Zahlen: Ende April habe man in der Region noch 149 Intensivbetten betreiben können, Anfang November seien es noch 123 gewesen. Das bedeutet umgerechnet, dass in dieser Zeit rund 80 Pflegekräfte verloren gegangen seien. Der Mediziner ist überzeugt: "Das wird weitergehen." Dazu komme eine strukturelle Benachteiligung der Region. Schaue man auf den Durchschnitt in ganz Bayern, so fehlten in Schwaben rund 700 Krankenhausbetten in Kliniken der Maximalversorgung.

Heller sagt, es sei vor Corona schon knapp gewesen und es werde immer knapper. "Wir müssen mit mehr Patienten rechnen und wissen nicht, wo wir sie hin verlegen sollen." Er hofft darauf, dass nun wie angekündigt in ganz Bayern der Katastrophenfall ausgerufen wird und es dadurch leichter werde, Patienten an weniger belastete Häuser abzugeben - auch an weiter entfernte Kliniken in anderen Bundesländern.

Nach wie vor sind es nach Angaben der Stadt Augsburg vor allem Ungeimpfte, die mit Corona ins Krankenhaus kommen und dort vor allem die Intensivstationen belegen. Dr. Thomas Wibmer, der stellvertretende Chef des Augsburger Gesundheitsamtes, nennt Zahlen für den Oktober. Demnach seien in diesem Monat 75 Prozent der infizierten Augsburgerinnen und Augsburger, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, ungeimpft gewesen. Bei den Intensivpatienten sei der Anteil der Ungeimpften im Oktober sogar bei 90 Prozent gelegen. Wibmer geht für die nächste Zeit von weiter steigenden Zahlen aus. Wie sich die neuen Corona-Regeln und eine möglicherweise steigende Impfquote auswirkten, das zeige sich erst mit zeitlichem Verzug. Weil die Impfwirkung vor allem bei älteren Menschen mit der Zeit nachlasse, sei auch eine Auffrischung der Impfung, der sogenannte Booster, wichtig.

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Impfen gegen Corona: Kapazitäten in Augsburg werden wieder hochgefahren

Oberbürgermeisterin Eva Weber kündigt an, die Stadt werde die zuletzt reduzierten Impfangebote zügig wieder hochfahren - nachdem der Freistaat dafür grünes Licht gegeben habe. Man sei darauf vorbereitet gewesen und können in Kürze wieder 1500 Impfungen täglich im Impfzentrum und mit mobilen Teams anbieten. Zuletzt waren es nur noch rund 450 pro Tag. Eine Auffrischungsimpfung bekomme jeder ab 18 Jahren, bei dem die letzte Impfung mindestens sechs Monate zurückliege. Impfen sei ein "Akt der Solidarität", so Weber, es komme jetzt auf jeden Einzelnen an.

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Foto: Bernd Hohlen
Foto: Bernd Hohlen

Vor dem Testzentrum in der Maximilianstraße bildeten sich am Dienstag lange Schlangen. Man kann sich dort auch impfen lassen - die Quote ist Experten zufolge dennoch zu niedrig.

Axel Heller wählt noch deutlichere Worte. Er appelliert an das "soziale Gewissen" der noch nicht geimpften Menschen. Nach über eineinhalb Jahren Pandemie klingt bei dem Mediziner aber auch etwas Frust durch. "Jeder denkt an sich, und das kann es einfach nicht sein." Ob es die Appelle sind, die rasant steigenden Infektionszahlen - oder die strengeren Corona-Regeln: Zumindest am Dienstag gab es in Augsburg einen ersten kleinen Ansturm auf die Corona-Impfung. Vor dem Impfzentrum in der Maximilianstraße bildete sich zeitweise eine lange Schlange.

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