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Prozess in Augsburg: Witwe des Getöteten vom Königsplatz: „Warum ist das gerade ihm passiert?“

Prozess in Augsburg

Witwe des Getöteten vom Königsplatz: „Warum ist das gerade ihm passiert?“

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    Bei der Trauerfeier für den getöteten Feuerwehrmann Roland S. wurde sein Helm zur Erinnerung in Neusäß aufgestellt.
    Bei der Trauerfeier für den getöteten Feuerwehrmann Roland S. wurde sein Helm zur Erinnerung in Neusäß aufgestellt. Foto: Marcus Merk (Archiv)

    Es sei doch ein „so schöner Abend“ gewesen, erzählt die Frau. Der Besuch auf dem Augsburger Christkindlesmarkt mit Freunden, dann noch ein kurzer Abstecher in ein Lokal. Doch kurz darauf brach für die 51-Jährige eine Welt zusammen – ihr Mann lag reglos auf dem Königsplatz, getroffen von einem tödlichen Fausthieb. Am Mittwoch kommt bei der Witwe des Getöteten alles wieder hoch. Sie muss im Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg als Zeugin aussagen. Der Täter Halid S., 17, sitzt nur wenige Meter hinter ihr.

    Es ist der zweite Tag im Verfahren um den tödlichen Schlag am Kö und er ist emotional. Die Witwe trägt Schwarz. Sie atmet schwer, als sie den Gerichtssaal betritt. Schon bei der ersten Frage des Vorsitzenden Richters Lenart Hoesch bricht sie in Tränen aus. Sie beschreibt ihren verstorbenen Mann als „liebevollen, hilfsbereiten Menschen, der gut zuhören konnte“. Er sei mit Leib und Seele Feuerwehrmann gewesen, habe für seinen Beruf gelebt. Und sie sagt: „Er hat immer das Gute in den Menschen gesehen. Warum ist das gerade ihm passiert?“

    Die Witwe trägt im Prozess Schwarz und atmet schwer

    Roland S. und seine Frau waren an diesem Abend mit einem befreundeten Ehepaar unterwegs. Sie wollten gegen 22.40 Uhr nach Hause, sich beim Taxistand am Königsplatz ein Taxi nehmen. Die Frauen gingen etwas voraus, die Männer hinterher. Die Witwe sagt, sie habe sich umgedreht und die Männer gut gelaunt, lachend gesehen. Als sie dann wieder geschaut habe, wo die Männer bleiben, sei ihr Mann schon am Boden gelegen. Sie erlitt einen Schock. Ein Zeuge, der vor Ort war und sich um Roland S. kümmerte, erzählt: „Sie ist hin und her gelaufen und hat geschrien. Sie war völlig durch.“ Die Wunden, die der Verlust ihres Mannes geschlagen hat, sind auch heute, zehn Monate nach der Tat, noch immer frisch.

    Sie habe schlaflose Nächte, sagt die Witwe. Besonders schlimm sei es immer dann, wenn sie alleine sei. Eine Therapie habe sie bis jetzt aber nicht gemacht. Sie sagt: „Ich kann nicht mit fremden Menschen darüber sprechen. Den Schmerz kann mir keiner nehmen. Es gibt mir den Menschen nicht mehr zurück.“ Richter Hoesch will von ihr wissen, wie ihr Mann gewesen sei, wenn er Alkohol zu sich genommen hatte – auf dem Christkindlesmarkt hatten alle mehrere Tassen Glühwein getrunken. Die Witwe sagt, ihr Mann sei dann ruhig geworden, eher schläfrig, aber nicht aggressiv.

    Tödlicher Schlag am Königsplatz: Roland S. stieß einen der Jugendlichen weg

    Staatsanwalt Michael Nißl merkt an, dass das nicht ganz zu dem passe, was von der Tat bekannt sei. Roland S. soll von einem Jugendlichen nach einer Zigarette gefragt worden sein. Er soll mit „Halt die Schnauze“ geantwortet haben. In der folgenden Auseinandersetzung soll Roland S. erst den Jugendlichen weggestoßen haben, dann verpasste ihm Halid S. den tödlichen Faustschlag gegen das Kinn. Die Witwe beteuert allerdings: Solche Worte wie „Halt die Schnauze“ habe ihr Mann nie in den Mund genommen.

    Am zweiten Prozesstag sagen viele Zeugen aus, die zur Tatzeit zufällig am Königsplatz waren. Es geht auch darum, zu klären, was sich in den Minuten vor der Tat abgespielt hat. Halid S. war mit einer siebenköpfigen Gruppe von Jugendlichen und jungen Männern unterwegs. In der Nähe des McDonald’s-Restaurants traf die Gruppe dann auf die beiden Männer, die auf dem Weg zum Taxi waren. Angeklagt sind neben Halid S. noch zwei weitere junge Männer, 18 und 20 Jahre alt. Sie sollen den Freund von Roland S. geschlagen und schwer verletzt haben.

    Halis S. (links) hat die Tat bereits gestanden.
    Halis S. (links) hat die Tat bereits gestanden. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Es war am Tatabend noch viel los am Königsplatz. Viele Menschen waren auf dem Christkindlesmarkt und in der vorweihnachtlichen Innenstadt unterwegs. Eine junge Frau war mit ihrem Freund beim Essen – und kam zum Kö, als Roland S. gerade durch den Schlag zu Boden gegangen war. Der Mann habe zu diesem Zeitpunkt noch gelebt, erzählt sie. „Aber er hatte einen glasigen, hilflosen Blick. Für mich war es der Blick eines Sterbenden.“ Die Atmosphäre sei aufgeladen gewesen. Man habe auch gemerkt, dass Alkohol im Spiel gewesen sei. Die Richter befragen viele Zeugen, insgesamt sind mehr als 40 Personen geladen. Das Gericht will unter anderem herausfinden, ob die Gruppe um Halid S. gut gelaunt war – oder ob die jungen Männer Ärger gesucht haben. Das ist wichtig für die Einordnung der Tat.

    Richter: Werden nicht Erwartungen der Gesellschaft erfüllen

    Die Staatsanwaltschaft hatte Halid S. anfangs vorgeworfen, den Tod des Feuerwehrmannes zumindest bewusst in Kauf genommen zu haben. Die Ermittler werteten das als Totschlag. Die sechs weiteren Mitglieder der Gruppe wurden alle der Beihilfe beschuldigt und kamen in Haft. Diese wurden nach einem Rüffel des Bundesverfassungsgerichts aber im März freigelassen. Bei vier jungen Männern stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, weil sie nicht am Tod von Roland S. beteiligt waren. Das juristische Tauziehen hat auch in der Justiz Gräben hinterlassen. Richter Lenart Hoesch hat aber schon beim Prozessauftakt versucht, Emotionen herauszunehmen. Er sagte, es gehe nicht darum, den Ablauf des Ermittlungsverfahrens aufzuarbeiten. Die Kammer werde nach Recht und Gesetz über die Tat urteilen. Das Gericht sei auch nicht dazu da, „vermeintlich bestehende Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen“.

    Hier finden Sie alle Artikel über den Prozess in Augsburg zum tödlichen Schlag am Kö.

    Hören Sie hier auch unsere aktuelle Podcast-Folge mit Eindrücken und Hintergründen zum Königsplatz-Prozess.

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