Die kanadische Provinz Nova Scotia ganz im Osten des riesigen Landes Kanada scheint ein Sehnsuchtsort für manche Deutsche zu sein. Sie zieht vielleicht die raue, weite Landschaft an, der viele Wald, die malerische Küste. Oder auch die Möglichkeit, dort große Grundstücke kaufen und zu Geld machen zu können. Im vergangenen Jahr berichtete der Spiegel über Versuche von rechten Verschwörungsideologen aus Deutschland, eine Art deutsche Kolonie in Kanada aufzubauen. Die Recherche legte nahe, dass viele Grundstücke von deutschen Finanzvermittlern in Nova Scotia wohl zu deutlich überhöhten Preisen an Interessenten verkauft würden. In einem Prozess vor dem Amtsgericht ging es nun ebenfalls um windige Deals mit Grundstücken in der Provinz. Im Zentrum des Geschehens: ein Finanzbüro in Augsburg.
Angeklagt war ein 43 Jahre alter Mann, der zuletzt im Unterallgäu gelebt hat. Seit einem halben Jahr sitzt er in Untersuchungshaft. Vor Gericht gibt er an, er sei Marketingfachmann, im Internet lassen sich allerdings vor allem Stationen von ihm in der Welt der Finanzvermittler finden. Bereits vor mehr als zehn Jahren kam ihm den Ermittlungen zufolge eine Idee: Er kaufte damals eine Firma in Kanada, die sechs Grundstücke auf Nova Scotia erwarb. Drei davon verkaufte er flott wieder, für die drei anderen ersann er einen größeren Plan.
Er gründete eine weitere Firma, dieses Mal in den USA, und ließ Gelder von Anlegern einsammeln, die in dieses Unternehmen fließen sollten, um von dort aus in die kanadische Firma zu gehen und damit in die Grundstücke. Privatanlegern sollten auf diesem Weg eine Beteiligung an den kanadischen Grundstücken bekommen, die noch unerschlossen waren, aber mit Infrastruktur ausgestattet, aufgeteilt und gewinnbringend verkauft werden sollten. Ein Plan, der etwas windig klang, aber viele Menschen überzeugte. 64 Anleger investierten von 2015 bis 2017 insgesamt etwa 1,6 Millionen Euro.
Prozess in Augsburg: Finanzvermittler aus dem Unterallgäu vor Gericht
Was windig klang, war es allerdings auch. Zwar trat der 43-Jährige gegenüber den Anlegern selbst nicht in Erscheinung, doch er erstellte die Unterlagen und Prospekte rund um das Projekt, das ja ohnehin seine Idee war. Ungünstig nur, dass das Geld gar nicht wie versprochen in die Grundstücke floss, sondern vielfach in der Tasche des Angeklagten landete: In ein Haus, das er sich gekauft hatte, in einen Tesla für 60.000 Euro, in eine Therapieeinrichtung für Pferde, die ihm zusammen mit seiner Ehefrau gehörte. Unglücklich auch, dass die Anlegergelder auf seinen Privatkonten landeten, was die Banken Verdacht schöpfen und entsprechende Verdachtsmeldungen verfassen ließ. So kamen die Ermittlungen ins Rollen.
Vermittelt wurden die betrügerischen Anlagen von einem Augsburger Finanzberater, der dafür laut Anklage rund 190.000 Euro als Provisionen vom Angeklagten erhielt. Der Finanzberater wusste allerdings den Ermittlungen zufolge nichts von den betrügerischen Hintergründen der Kapitalanlage; angeklagt war er im Prozess nicht, sondern als Zeuge aufgeführt. Er ging selbst von einer "soliden Geldanlage" für Anleger aus und gab gegenüber den Anlegern an, das Risiko bei der gegenständlichen Anlage sei "höchstens gering", hieß es in der Anklageschrift.
Betrug mit Grundstücken in Nova Scotia – und Verschwörungstheorien
Der Finanzberater, der die windigen Kanada-Anlagen vertrieb, scheint Verschwörungstheorien nicht abgeneigt zu sein, sonst gab es im Verfahren allerdings keinen Hinweis, dass die Beteiligten Nähe zu Verschwörungstheoretikern oder Reichsbürgern haben. Auf seiner Facebook-Seite teilt der Mann Beiträge, die sich um angebliche "Chemtrails" drehen oder so originelle Überschriften haben wie "Russische Techfirma enthüllt Klon-Technologie: Ist Joe Biden ein Klon?“, „Die Annunaki von Nibiru sind auf der Erde und ernten Körper, Russland weiß es“ und „Amtsgericht bestätigt, BRD kein Staat“.
Im jetzigen Prozess vor dem Schöffengericht unter Amtsrichter Roland Fink war schnell absehbar, in welche Richtung die Reise gehen könnte. Die Verteidigung (Nico Werning und Michael Bogdahn), das Gericht und die Staatsanwaltschaft trafen eine "verfahrensvereinfachende Absprache", also einen Deal. Ergebnis: Sollte der Angeklagte gestehen, würde er eine Bewährungsstrafe sowie eine saftige Geldstrafe erhalten, was für ihn immerhin bedeutete, dass er aus dem Gefängnis entlassen würde. So kam es letztlich auch. Über seinen Anwalt Nico Werning räumte der Mann die Vorwürfe ein. Sein Mandant wolle sich entschuldigen, sagte Werning. Das Gericht verurteilte den 43-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren bei einer Bewährungszeit von vier Jahren, zusätzlich muss er eine Geldstrafe von 340 Tagessätzen zahlen. Sein Mandant wolle daran arbeiten, den verursachten Schaden möglichst wieder gutzumachen, sagte Anwalt Werning im Prozess. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Lesen Sie auch:
- Schüsse im "Netto": Staatsanwalt klagt Dieb wegen versuchten Totschlags an
- Warum Ämter, Polizei und Justiz nicht alle Mitarbeiter ins Homeoffice schicken
- Soforthilfe-Betrug: Ein Promoter verzockt Corona-Geld für Sportwetten
- Anrufswelle bei Augsburgern: Betrüger erfinden unglaubliche Geschichten