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Prozess in Augsburg: Tödlicher Schlag am Königsplatz: Welche Strafe ist für Halid S. angemessen?

Prozess in Augsburg

Tödlicher Schlag am Königsplatz: Welche Strafe ist für Halid S. angemessen?

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    Nach dem gewaltsamen Tod des 49-Jährigen wurde der Tatort auf dem Augsburger Königsplatz zu einer Erinnerungsstätte.
    Nach dem gewaltsamen Tod des 49-Jährigen wurde der Tatort auf dem Augsburger Königsplatz zu einer Erinnerungsstätte. Foto: Ulrich Wagner

    Nach sechs Prozesstagen und Dutzenden von Zeugenaussagen schwebt die Frage noch immer über allem, die Frage nach dem Warum. Warum musste Roland S., 49, am Nikolaustag vorigen Jahres auf dem Augsburger Königsplatz sterben? Halid S., 17, hat dem Opfer den tödlichen Faustschlag verpasst, das hat der Angeklagte auch gestanden. Aber die Frage nach dem Warum, die hat er nach Ansicht vieler Prozessbeteiligten nicht beantwortet - vielleicht, weil er es auch nicht kann. Staatsanwalt Michael Nißl greift das in seinem Plädoyer am Donnerstag auf. Vor allem für die Witwe sei die Frage quälend und ausweglos. Nißl sagt: "Warum gibt es für Frau S. kein echtes Weihnachtsfest, warum kein unbeschwertes Feiern mehr?" Eine Antwort hat der Staatsanwalt auf die Frage, wie Halid S. für die Tat bestraft werden soll. Und seine Antwort weicht weit von dem ab, was die Verteidiger für angemessen halten.

    Vor Gericht: Die Aufarbeitung der tödlichen Gewalttat vom Augsburger Königsplatz hat am Dienstag begonnen. Drei junge Männer sind angeklagt.
    Vor Gericht: Die Aufarbeitung der tödlichen Gewalttat vom Augsburger Königsplatz hat am Dienstag begonnen. Drei junge Männer sind angeklagt. Foto: Hildenbrand, dpa

    Der Staatsanwalt bleibt im Plädoyer beim Vorwurf der Anklageschrift - Körperverletzung mit Todesfolge und gefährliche mit Drogen gehandelt und durch Gewalt aufgefallen sein soll. Auch dazu, so der Staatsanwalt, gebe es aber keine "gesicherten Erkenntnisse".

    Tod am Königsplatz: Alle außer Halid S. mussten freigelassen werden

    Das Plädoyer des Staatsanwalts war auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil die Staatsanwaltschaft sich im Lauf der Ermittlungen in ihrer Einschätzung korrigieren musste. Zunächst hatte die Behörde wegen Totschlags gegen Halid S. ermittelt. Sechs Freunden, die an dem Abend mit ihm unterwegs waren, wurde Beihilfe dazu vorgeworfen. Im Frühjahr allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das so nicht zu halten sei. Alle außer Halid S. mussten aus der Untersuchungshaft freigelassen werden. Die Staatsanwaltschaft stufte dann auch den Tatvorwurf auf Körperverletzung mit Todesfolge herunter. Dennoch wiegt die Tat von Halid S. nach Einschätzung des Staatsanwalts schwer.

    Der Jugendliche strebe offensichtlich nach Dominanz - wie es ihm auch ein Psychiater attestiert habe, sagt Nißl. Bei dem Streit am Kö habe ihn das dazu gebracht, so massiv zuzuschlagen. Der Staatsanwalt formuliert es so: "Er wäre halt gerne der Chef, das wäre für ihn toll. Das war jetzt die Möglichkeit, da kann man zeigen, was man kann." Im Gefängnis soll Halid S. zu Mithäftlingen gesagt haben: "Ihr seid kleine Wichtigtuer, ich habe schon einen totgeschlagen." Diese Äußerung sei "bodenlos, infantil und schreiend dumm", sagt der Staatsanwalt. Das zeige, dass er sich mit seiner Tat nicht auseinandergesetzt habe.

    Staatsanwalt Michael Nißl vertritt die Anklage im Prozess um den tödlichen Schlag am Königsplatz in Augsburg.
    Staatsanwalt Michael Nißl vertritt die Anklage im Prozess um den tödlichen Schlag am Königsplatz in Augsburg. Foto: Ulrich Wagner (Archiv)

    Michael Nißl sagt, die Frage nach dem Warum stelle sich aber auch beim Opfer - warum Roland S., als er nach einer Zigarette gefragt wurde, wieder zurückgegangen ist und einen aus der Gruppe der jungen Männer weggeschubst habe. Diese Frage dürfe aber nicht die eigentliche Tat, den tödlichen Schlag, überlagern. Für Halid S. beantragt der Staatsanwalt eine Haftstrafe von sechs Jahren. Man müsse sehen, dass S. zwei Taten begangen habe. Er habe Roland S. totgeschlagen - und sei direkt danach daran beteiligt gewesen, den Freund des Getöteten zu verprügeln. Diesem sei die linke Gesichtshälfte zertrümmert worden. Im Jugendstrafrecht, das bei einem 17-Jährigen angewandt werden muss, dominiere zwar der Erziehungsgedanke. Erziehung sei hier aber auch eine angemessene Haftstrafe.

    Prozess in Augsburg: Verteidiger Marco Müller sieht die Sache anders

    Verteidiger Marco Müller sieht die Sache anders. Er geht davon aus, dass man Halid S. für den tödlichen Schlag nicht bestrafen könne. Er habe nur seinen Freund verteidigen wollen. Roland S. habe den Freund des 17-Jährigen beleidigt und mit einem Stoß attackiert. Das sei rechtswidrig und nicht, wie vom Augsburger Kripo-Chef in einer Pressekonferenz dargestellt, "regelkonform". Müller stuft den Faustschlag als Nothilfe ein. Halid S. habe sich aber wegen des folgenden Angriffs auf den Freund von Roland S. wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten, so der Anwalt. Dafür sei eine Bewährungsstrafe angemessen.

    Der Verteidiger kritisiert, die Polizei habe in dem Fall voreingenommen ermittelt - wohl auch wegen des großen öffentlichen Interesses, den der Tod des Feuerwehrmannes ausgelöst hatte. Bei einer Pressekonferenz wenige Tage nach der Tat seien Dinge gesagt worden, die nicht durch die Ermittlungen gedeckt gewesen seien - etwa, dass alle sieben junge Männer aus der Gruppe an der Tat beteiligt gewesen seien. Das habe man später zurücknehmen müssen. In den Akten habe die Staatsanwaltschaft davon gesprochen, S. betreibe Boxsport und es sei seine "Beschäftigung", herumzuziehen und grundlos Passanten zu verprügeln. Nichts davon habe man belegen können, so der Anwalt.

    Anwältin der Witwe des Feuerwehrmanns: "Ein sinnloser Tod"

    Die Rechtsanwältin Isabel Kratzer-Ceylan vertritt die Witwe von Roland S. Auch sie fordert für Halid S. eine Haftstrafe von sechs Jahren. Er habe aus einem "diffusen Ehrbegriff" heraus und "selbstherrlich" agiert. Die Folge sei ein "sinnloser Tod" eines Menschen. Für die Witwe habe sich an diesem Tag ein schwarzer Abgrund aufgetan - und dieser Abgrund sei noch immer offen. Eine echte Entschuldigung habe sie im Prozess nicht wahrgenommen, so die Anwältin. Die Frau habe oft Angst gehabt, ihren Mann bei einem Feuerwehreinsatz zu verlieren - aber nicht durch eine solch grausame Tat. Roland S. arbeitete bei der Berufsfeuerwehr in Augsburg und war ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Neusäß aktiv.

    Ebenfalls angeklagt sind zwei junge Männer, 18 und 20, die zusammen mit Halid S. einen Freund des Getöteten zusammengeschlagen und massiv verletzt haben sollen. Ein Rechtsmediziner sprach davon, die linke Gesichtshälfte des Mannes sei förmlich "zertrümmert" worden. Staatsanwalt Michael Nißl hat für diese beiden Angeklagten Bewährungsstrafen beantragt. Beim 18-Jährigen forderte er eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Beim 20-Jährigen, der sich als Einziger mit seinem Anwalt Moritz Bode der Polizei gestellt hatte, beantragte Nißl, die Entscheidung über eine Strafe zur Bewährung auszusetzen - eine Besonderheit des Jugendstrafrechts. Anwalt Thomas Reitschuster, der den verprügelten Mann vertritt, sieht das anders - er spricht sich für Haftstrafen aus. Es sei eine "Gewaltorgie" gewesen, so Reitschuster. Das Urteil soll an diesem Freitag verkündet werden.

    Alle Artikel zum Prozess um den tödlichen Schlag am Königsplatz lesen Sie hier.

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