Die Fotos, die im Saal 179 des Landgerichtes an die Wand projiziert werden, zeigen verbeulte Autos, die auf einem Parkplatz stehen. Ein weißer BMW mit einer massiven Delle auf einer Seite, graue Audis mit Schrammen und Druckstellen. Es sind Szenen und Momentaufnahmen nach einer Verfolgungsjagd, die sich Beamte des SEK im Juli vergangenen Jahres mit einem mutmaßlichen Drogendealer in Gersthofen geliefert haben; einem Mann, der sich den Ermittlungen zufolge gerne als „Patron“ ansprechen ließ. Wie Zeugen nun im Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder eines Drogenrings im Raum Augsburg schildern, waren die Polizisten vor dem Zugriff überzeugt davon, es mit hochgefährlichen Männern zu tun zu haben.
Wie berichtet, sollen die vier Angeklagten im Alter von 22 bis 36 Jahren ab Anfang 2023 kiloweise illegales Rauschgift verkauft haben; insgesamt setzten sie nach Erkenntnissen der Ermittler deutlich über 100.000 Euro um. Den Ermittlungen zufolge war es den mutmaßlichen Dealern relativ gleichgültig, welche Drogen sie veräußerten, solange nur die Einnahmen stimmten; in der Anklageschrift sind Übergaben von großen Mengen Kokain und Heroin aufgelistet, ein anderes Mal geht es aber auch um Ecstasy und Amphetamine. Größter Deal der Gruppe war demnach der Verkauf eines Paketes mit zehn Kilogramm Marihuana; alleine dafür sollen die vier Männer gut 50.000 Euro kassiert haben.
Prozess um Drogenring am Landgericht in Augsburg
Die vier Männer müssen, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, zumindest für einige Monate zu den größten Händlern von illegalem Rauschgift in der Region gehört haben. Bis die Polizei an einem Donnerstag im Juli 2023 einen Drogenkurier abfing, der mit zwei Kilo Koks im Auto aus Holland zu einem der vier Männer fahren wollte. An dem Tag schlugen die Beamten überall in der Region zu, sie stellten ein Fastfood-Restaurant in Gersthofen auf den Kopf, durchsuchten mehrere Wohnungen und Drogenlager in Augsburg, Schwabmünchen, Bobingen, jagten einem Verdächtigen hinterher, der zu Fuß floh und über Gartenzäune sprang.
Geleitet hatte die Ermittlungen die Kripo in Augsburg, im Einsatz war an diesem Tag aber auch das SEK aus München, vermummte und schwer bewaffnete Spezialkräfte. Wie ein Führungsbeamter des SEK jetzt im Prozess vor der 14. Strafkammer und Vorsitz der Richterin Cornelia Böttcher aussagt, hatte es vor dem Zugriff Hinweise darauf gegeben, dass „im Umfeld der Verdächtigen Schusswaffen vorhanden sein sollten“, darunter ein Kalaschnikow-Gewehr. Dieser Verdacht erhärtete sich nicht, Waffen fanden die Polizisten nicht bei den mutmaßlichen Dealern. Dennoch war der Einsatz heikel, wie der SEK-Mann im Gericht berichtet: Der Hauptverdächtige Mahmut S. (Name geändert), der mutmaßliche Kopf der Bande und 32 Jahre alt, galt den Ermittlern als „polizeierfahren und gewaltbereit“.
Mutmaßliche Drogendealer schweigen im Prozess zu den Vorwürfen
Zumindest war er an diesem Tag bereit dazu, mit seinem weißen, hochmotorisierten BMW vor der Polizei zu fliehen, ehe das SEK ihn festnehmen konnte. Die Flucht endete auf dem Parkplatz eines Getränkemarktes in Gersthofen, nachdem ihn die Polizisten mit ihren Autos in die Enge getrieben, gerammt und blockiert hatten. Im Prozess spricht der Führungsbeamte des SEK von einem „Rammstoß“, danach sei das Auto von Mahmut S. „entglast“ worden, um an den Verdächtigen zu gelangen. Heißt: Es muss einigermaßen heftig zugegangen sein.
Am inzwischen dritten Prozesstag sagen weitere Beamte aus, die am Tag der Razzia im Einsatz waren. Kripo-Männer, die Wohnungen durchsuchten; Polizisten aus Gersthofen und Augsburg, beim Einsatz unterstützend tätig waren. In den kommenden Verhandlungstagen sollen weitere Beamte aussagen, darunter auch die Sachbearbeiter des Drogendezernates der Kriminalpolizei. Die Strafkammer hatte Termine bis Mittwoch kommender Woche angesetzt, doch es ist relativ wahrscheinlich, dass der Prozess sich noch länger hinziehen dürfte.
Im Publikumsbereich ist jeder Stuhl belegt, das Interesse an der Verhandlung ist enorm. Die Angeklagten, die zu den Vorwürfen schweigen, wirken im Gericht wie alte Kumpels und Bekannte. Als sie den Saal betreten, klatschen sie sich ab, nicken sich zu. Sie alle werden aus unterschiedlichen Gefängnissen in den Saal geführt, alle tragen Fußfesseln. Der Raum mit der Nummer 179 wird in den kommenden Tagen – oder Wochen, oder Monaten – der Ort sein, an dem sich die vier Männer regelmäßig sehen. Ihnen drohen angesichts der gravierenden Vorwürfe lange Haftstrafen.
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