Den 24. August 2022 wird Andreas Jansen so schnell nicht vergessen. Damals hinterließ ein Polizist einen Zettel im Türschlitz der leer stehenden Wohnung, in der er kurz zuvor noch gelebt hatte – mit einer prägnanten Botschaft: "Ihre Wohnung wurde durch die Polizei zur Auffindung von Diebesgut betreten", hieß es auf der Rückseite der Visitenkarte. "Es wurde nichts gefunden. Bei Rückfragen bitte anrufen." Der Augsburger hatte mit dem Diebstahl, den die Polizei aufklären wollte, indes nichts zu tun, und war nach der Aktion ziemlich wütend. Es ist ein Sonderfall, der ein juristisches Nachspiel für den Polizisten hatte, der damals in die Wohnung eingedrungen war. Kürzlich saß der Beamte am Amtsgericht auf der Anklagebank.
Hintergrund des damaligen Einsatzes war eine eigentlich gewöhnliche Diebstahlsmeldung gewesen. An dem Tag hatte sich ein 47-jähriger Augsburger an die Polizei gewandt; sein Rucksack war verschwunden. Der Mann hatte ihn im Bereich der Tennisanlage in der Gabelsbergerstraße kurz abgestellt und ihn, als er zurückkehrte, nicht mehr wiedergefunden. Offenbar hatte jemand den Rucksack mitgenommen. In der Tasche befanden sich nach Angaben des 47-Jährigen unter anderem ein Portemonnaie mit seinem Ausweis und sogenannte Airpods, also kabellose Kopfhörer. Die Kopfhörer lassen sich unter Umständen vom Handy aus orten, was der 47-Jährige auch versuchte. Die Ortung führte zu einer Wohnanlage in der Gabelsbergerstraße, nicht weit von der Tennisanlage entfernt, und da scheinbar zu einem Mehrparteienhaus innerhalb der Anlage.
Polizeieinsatz in Augsburg: Anwohner kritisiert die Polizei
Dort vernahm der Mann einen Piepton, den er offenbar für das Suchgeräusch der Airpods hielt. Als sich die Polizei die Gegebenheiten vor Ort noch am selben Tag anschaute, entschied der ermittelnde Beamte, über ein gekipptes Fenster in die Erdgeschosswohnung einzudringen, in der er das Diebesgut vermutete; die Wohnung von Andreas Jansen. Laut späteren Ermittlungen soll der Polizist das Fenster mit seinem Schlagstock aufgedrückt haben, in den leer stehenden Räumen fand der Beamte allerdings nichts. Das Piepgeräusch stammte von einem defekten Rauchwarnmelder.
Für Andreas Jansen war die Aktion ein Ärgernis, wie er unserer Redaktion später berichtete. Er habe sich komplett wehrlos gefühlt und nicht verstehen können, warum die Polizei einfach so in seine Wohnung eingedrungen sei. Nicht nur hätten die Ermittler das Fenster offen stehend zurückgelassen, alle Nachbarn hätten auch die Nachricht auf der Visitenkarten lesen können. Für den Polizisten hatte das Vorgehen jedenfalls Konsequenzen: Das Amtsgericht hat ihn wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Die verhältnismäßig niedrige Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100 Euro, also insgesamt 2000 Euro, lässt sich als Hinweis deuten, dass das Gericht bei dem Beamten nur eine relativ geringe Schuld sieht. Unangenehm dürfte die Angelegenheit für den Polizisten dennoch sein.
Gegen einen Strafbefehl, der eine Geldstrafe in ähnlicher Höhe vorgesehen hatte, war der Beamte zuvor vorgegangen, deswegen kam es zum Prozess. Dienstrechtliche Konsequenzen hat das Ermittlungsverfahren für ihn wohl nicht, nach Auskunft des Polizeipräsidiums läuft derzeit zumindest kein Disziplinarverfahren gegen ihn. Auch ist das Urteil des Amtsgerichtes bislang nicht rechtskräftig. Verteidiger Marco Müller kündigt auf Anfrage an, in Berufung gehen zu wollen.
Dass Polizisten verurteilt werden, kommt nur selten vor
Unabhängig davon ist der Fall außergewöhnlich; es dürfte in der Region nur selten vorkommen, dass ein Polizist verurteilt wird, weil er während der Ausübung seines Dienstes und in der Hoffnung, eine Straftat zu klären, zu weit ging. Der Prozess zeigt auch, dass Polizisten sich leicht selber strafbar machen können, wenn sie nicht aufpassen. Wenn Beamte in Wohnungen eindringen wollen, brauchen sie dazu einen richterlichen Beschluss, den die Polizei in dem Fall nicht hatte. Konkret heißt es im Polizeiaufgabengesetz: "Durchsuchungen von Wohnungen dürfen, außer bei Gefahr im Verzug, nur durch den Richter angeordnet werden." Gefahr im Verzug liegt zum Beispiel dann vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass ohne sofortigen Zugriff Beweismittel vernichtet werden könnten.
Dass Polizeibeamte in Augsburg strafrechtlich verfolgt und belangt werden, kommt nur selten vor; zumal, wenn es um dienstliche Vorgänge geht. Eine Statistik dazu führt das Präsidium nicht, der letzte bekannte Fall liegt aber bereits Jahre zurück. 2021 wurde ein damals 58-jähriger Beamter in einer Berufungsverhandlung vom Landgericht verurteilt, weil er einen Gefangenen in einer Arrestzelle nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes zweimal mit einem Schlagstock geschlagen hatte, obwohl keine Notwehrlage existiert hatte. Der Polizist erhielt daher wegen Körperverletzung im Amt eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten.