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Prozess in Augsburg: Millionen-Betrug in Augsburg: Die Justiz jagt ein Phantom

Prozess in Augsburg

Millionen-Betrug in Augsburg: Die Justiz jagt ein Phantom

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    Hunderte Anleger verloren in einem Schneeballsystem ihr Geld. Die Suche nach dem Drahtzieher hinter dem Betrug läuft weiter - doch die Augsburger Justiz stößt auf Hindernisse.
    Hunderte Anleger verloren in einem Schneeballsystem ihr Geld. Die Suche nach dem Drahtzieher hinter dem Betrug läuft weiter - doch die Augsburger Justiz stößt auf Hindernisse. Foto: Nicolas Armer, dpa (Symbolbild)

    Der Mann, den die Augsburger Staatsanwaltschaft jagt, lebte die letzten Jahre nicht schlecht. Er wohnte in schicken Villen in New Jersey in den USA, in eher abgeschottet liegenden Gegenden an Ortsrändern, in denen die Grundstücke groß und Menschen mit Geld unter sich sind. Manfred D.* (Name geändert) ist ja auch ein Millionär, nach allem, was man weiß. Es ist halt wohl nur nicht sein Geld, das er ausgibt, sondern das der Menschen, die er betrogen haben soll, auch über Augsburger Firmen, die er gegründet hatte. Er wird deswegen per Haftbefehl gesucht. Doch der mutmaßliche Millionen-Betrüger dreht den Ermittlern bislang eine lange Nase.

    Mehrere Personen wurden wegen des gewaltigen Betrugs bereits vor dem Augsburger Landgericht verurteilt. Doch der Drahtzieher ist weiterhin nicht zu fassen.
    Mehrere Personen wurden wegen des gewaltigen Betrugs bereits vor dem Augsburger Landgericht verurteilt. Doch der Drahtzieher ist weiterhin nicht zu fassen. Foto: Jakob Stadler (Archivfoto)

    Rückblick: Im Oktober 2019 werden am Landgericht Augsburg vier Menschen verurteilt, drei von ihnen zu Haftstrafen. Es sind Verantwortliche der "Firmenwelten"-Gruppe, die in der Stadt ein Büro hatte und von dort aus Finanzprodukte vertrieb. Drei der Angeklagten sind Kinder von Manfred D., der Vierte der Vertriebsleiter der Gruppe, ein Mann, der sagt, Manfred D. sei für ihn ein Mentor gewesen, eine Vaterfigur. Im Kern ging es im Mammut-Prozess darum, dass Unternehmen der Gruppe Kleinanleger mit hohen Renditeversprechen gelockt hatten, diese aber nicht einlösen konnten, da hinter den vollmundigen Ankündigungen zumeist gar keine tatsächliche Geschäftstätigkeit bestand.

    Hunderte Kleinanleger verloren im Schneeballsystem viel Geld, manche mehr als 100.000 Euro, ihre komplette Altersvorsorge oder das geplante Erbe für ihre Kinder. Die Strafkammer ging von zwölf Millionen Euro Anlegergeldern aus, die in die Firmengruppe geflossen waren, doch praktisch nichts davon war von den Verantwortlichen in die dubiosen Geschäftsideen investiert worden, die ohnehin "Luftnummern" waren, wie es der Vorsitzende Richter formulierte.

    Prozess in Augsburg: Betrug um "Firmenwelten" und Co.

    Die Firmengruppe sammelte etwa Gelder für technische Geräte ein, die angeblich in der Lage sein sollten, die Stromkosten zu halbieren. Einmal ging es in einem Verkaufsprospekt auch um satte Rendite, die demnach unter anderem über Geschäfte mit "Indianern des Blackfeet-Stammes" und "der Aufzucht und Vermarktung von Bisons“ erwirtschaftet werden sollte. Nach Erkenntnissen der Ermittler und des Gerichts gingen die Gelder freilich in andere Bereiche, zum Beispiel in eine Villa in New Jersey, in der Manfred D. zunächst wohnte, nachdem er sich im September 2015 in die USA abgesetzt hatte. Der heute 65-Jährige war, das betonten so ziemlich alle Beteiligten des Prozesses, der Drahtzieher des Betrugsmodells, der Erfinder, der Antreiber und der Profiteur. Der Mann habe die Angeklagten "nicht in seine Pläne eingeweiht“ und sie manipuliert, sagte der Richter etwa bei der Urteilsbegründung.

    Doch greifbar ist der Drahtzieher für die Augsburger Justiz offenbar bis heute nicht. Zwar betont Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage, man habe "alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um das Verfahren fortzuführen". Aber das hat bislang nicht dazu geführt, dass Manfred D. der Prozess gemacht werden konnte.

    Der 65-Jährige hat ein Leben geführt, das sich offenbar schon seit Jahrzehnten am Rande zur Illegalität bewegt oder eben darüber hinaus. Ein früherer Journalist, der später eine PR-Firma gründete, verschiedene Geschäftsführerposten innehatte, windige Firmen betrieb, an vielen Orten viel verbrannte Erde, juristische Auseinandersetzungen und teils auch Strafverfahren hinterließ. Nach Informationen unserer Zeitung wurde er bereits in den 1970er-Jahren das erste Mal wegen eines Betrugsdelikts verurteilt, ins Gefängnis kam er aber all die Jahre trotz umfangreicher Strafakte offenbar nie. Auch schaffte er es wohl bis zu seinem Umzug in die USA, gleichzeitig ein bürgerliches Leben und eine phantomartige, kriminelle Existenz zu führen. Eines der wenigen öffentlichen Fotos, das von ihm auffindbar ist, zeigt ihn als Förderer einer Schul-Big-Band in Nordrhein-Westfalen.

    Anlagebetrug in Augsburg: Drahtzieher ist seit Jahren auf der Flucht

    Warum er für den Augsburger Betrugsfall nicht längst ebenfalls vor Gericht steht, ist schwer zu ergründen. "Natürlich wollen wir ihn haben", so sagt es ein Ermittler gegenüber unserer Redaktion. Bei mehreren Staatsanwaltschaften sind Verfahren gegen den Mann anhängig. Nur: Sie haben ihn eben nicht. Die Aufmerksamkeit für den Fall ist jedenfalls groß, neben diversen Zeitungsberichten erschienen in den vergangenen Jahren auch Dokumentationen über Manfred D.s mutmaßliches Betrugs-System, die auf Arte und im SWR liefen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat bereits vor Jahren ein Auslieferungsverfahren gegen den Mann gestartet, wie im Prozess gegen seine Kinder zur Sprache kam. Doch aktiv geworden sind die US-Behörden bislang nicht, warum auch immer.

    Möglich scheint, dass die Corona-Krise die Prozedur, die ohnehin langwierig sein kann, noch einmal verzögert. Über die Frage der Auslieferung, so sagt es Manfred D.s Verteidiger Florian Engert, sei noch nicht entschieden. Ansonsten will sich der Jurist zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten derzeit nicht äußern.

    Drahtzieher hinter den Betrugsfällen droht eine langjährigen Haftstrafe

    Sollte der 65-Jährige festgenommen und ausgeliefert werden, darf eine Verurteilung in Deutschland zu einer langjährigen Haftstrafe als wahrscheinlich gelten. Das liegt an den erheblichen Dimensionen des Falls: ein Millionen-Betrug an Hunderten Anlegern. Es liegt aber auch daran, dass die Beweislage nicht eben dürftig ist, gibt es doch neben Tausenden Seiten Unterlagen zum Beispiel auch die Aussagen seiner drei verurteilten, erwachsenen Kinder, die im Prozess gegen sie mit ihrem Vater brachen und ihn belasteten. Falls Manfred D. verhaftet wird, können sie gegen ihn verwendet werden, auch wenn die Geschwister dann in der Verhandlung gegen ihren Vater nicht noch einmal aussagen wollen.

    Unauffindbar scheint Manfred D. eigentlich nicht zu sein. Der Augsburger Journalist Simon Jacob machte ihn vergangenes Jahr in New Jersey ausfindig und übermittelte die Adresse an die Behörden. Doch zu einer Festnahme führte auch das nicht. Das Urteil gegen seine Kinder und den Vertriebsleiter ist derweil rechtskräftig geworden.

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