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Prozess in Augsburg: Klimaaktivisten müssen nach Abseil-Aktion in Arrest

Prozess in Augsburg

Klimaaktivisten müssen nach Abseil-Aktion in Arrest

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    Im vergangenen Oktober lösten Klimaaktivisten mit einem Protest an der Regierung von Schwaben in Augsburg einen Polizeieinsatz aus.
    Im vergangenen Oktober lösten Klimaaktivisten mit einem Protest an der Regierung von Schwaben in Augsburg einen Polizeieinsatz aus. Foto: Annette Zoepf (Archivbild)

    Die Angeklagten, die beiden Klimaaktivisten Charlie Kiehne, 21, und Samuel Bosch, 20, sind schon mal da. Und sie kommen als freie Leute in den Gerichtssaal, werden also nicht aus einem Haftraum oder von der Polizei vorgeführt. Die Frage, ob das so sein würde, hatte bei den Aktivistinnen und Aktivisten des Augsburger Klimacamps für Aufregung gesorgt. Bei einem ersten Prozesstermin vor zwei Wochen waren die Verdächtigen nicht erschienen, das Amtsgericht hatte daher einen Sitzungshaftbefehl gegen sie erlassen, um den Prozess zu sichern. Doch festgenommen wurden die beiden in den vergangenen Tagen nicht, und zu Beginn der jetzigen Verhandlung hebt Richterin Sandra Mayer die Haftbefehle gegen sie auf. Sie sind ja da.

    Angeklagt sind Kiehne und Bosch wegen übler Nachrede und Hausfriedensbruch. Sie sollen im vergangenen Oktober das Gebäude der Regierung von Schwaben in Augsburg besetzt und dort protestiert haben. Hintergrund war die Genehmigung der teilweisen Rodung des Lohwaldes bei Meitingen auf Antrag der Lechstahlwerke. In einer Presseerklärung hatten die Aktivisten die Besetzung der Regierung von Schwaben angekündigt. Sie sollen dem damaligen Regierungspräsidenten von Schwaben Erwin Lohner Korruption unterstellt haben, was die Staatsanwaltschaft als üble Nachrede wertet, da sie nicht nachweislich wahr sei. Die beiden Angeklagten kletterten offenbar das Gebäude empor, das erteilte Hausverbot sollen sie dabei ignoriert haben. Ihnen wird zudem vorgeworfen, mit Straßenkreide auf den Asphalt vor dem Regierungsgebäude den Schriftzug „Unerhört: Lohner erlaubt Waldrodung für 250 €. Alle Wälder bleiben!

    Großes Polizeiaufgebot bei Prozess gegen Klimaaktivisten in Augsburg

    Um den Prozess selbst herrscht an diesem Dienstag viel Trubel; das Polizeiaufgebot ist groß, die Einlasskontrollen sind intensiv, draußen gibt es vor Verhandlungsbeginn eine kleine Versammlung der Unterstützer der Angeklagten. Dabei geht es juristisch um nicht so schrecklich viel. Ein Verfahren im Jugendstrafrecht gegen zwei junge Menschen, wegen nicht allzu schwerwiegender Vorwürfe, angeklagt vor einer Einzelrichterin, nicht vor einem Schöffengericht. Das heißt: Es ist von Anfang an absehbar, dass es am Ende auf eher geringe Strafen hinausläuft, zumal im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht, was in der Regel mildere Strafen als im allgemeinen Strafrecht bedeutet.

    Die Klimaaktivsten Charlie Kiehne und Samuel Bosch beim Prozess am Amtsgericht in Augsburg.
    Die Klimaaktivsten Charlie Kiehne und Samuel Bosch beim Prozess am Amtsgericht in Augsburg. Foto: Peter Fastl

    Wie so oft in vergleichbaren Verfahren treffen an diesem Tag die Emotionalität und die Dringlichkeit des Anliegens der Klimaaktivisten auf die nüchternen, routinierten Abläufe der bayerischen Justiz. Beide Angeklagte verlesen im Prozess abwechselnd eine Erklärung, in der sie der CSU und den Lechstahlwerken Vorwürfe machen und Sätze formulieren wie „Solange wir so zielgerichtet die Klimazerstörung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen für die Menschen im Globalen Süden und bald auch für uns verfolgen, müssen wir Aktionen machen." Es geht Kiehne und Bosch ums große Ganze. Beide Angeklagte verteidigen sich selbst, dabei hat zumindest Bosch offenbar einen Anwalt, der ist allerdings nicht erschienen. Das erstaunt, denn die beiden Klimaaktivisten wirken sehr jung, sie sind es ja auch; es erscheint einigermaßen seltsam, dass ein Verteidiger seinen Mandanten allein in so einen öffentlichkeitswirksamen Prozess laufen lässt, auch wenn der Fall nach einer möglichen Berufung vor dem Landgericht neu aufgerollt werden könnte, das letzte Wort hier an diesem Tag möglicherweise also nicht gesprochen wird.

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    Klimacamper protestierten im Herbst 2022 gegen die Abholzung des Meitinger Lohwalds am Stahlwerk Meitingen. Am Gebäude der Regierung von Schwaben in Augsburg seilte sich eine Demonstrantin ab.

    Staatsanwalt forderte für Angeklagten Haftstrafe ohne Bewährung

    Aber wie heftig es für Charlie Kiehne und Samuel Bosch kommen könnte, verdeutlicht das Plädoyer von Staatsanwalt Lukas Peltsarszky: Er fordert für Bosch eine siebenmonatige Haftstrafe ohne Bewährung und für Kiehne eine Geldstrafe. Beide seien nach allgemeinem Strafrecht zu verurteilen und hätten angekündigt, weiter Straftaten zu begehen, so sieht es der Staatsanwalt. Eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe hatte zuvor die Einschätzung abgegeben, dass man die beiden wie Erwachsene behandeln könnte. Richterin Sandra Mayer wendet Jugendstrafrecht an und verhängt gegen Bosch einen dreiwöchigen Arrest, gegen Kiehne einen einwöchigen. "Sie machen nicht den Eindruck von gefestigten, erwachsenen Persönlichkeiten", sagt sie zu den beiden. Erzieherisch sei nur noch der Arrest sinnvoll, um den Angeklagten einen Eindruck vom Gefängnis zu verschaffen. 

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

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