Der Beruf des Versicherungs- oder Finanzmaklers ist durchaus ein ehrenwerter. Doch wo viel Geld im Spiel ist, kann es auch zu Betrug kommen. Interessenten, die dringend einen Kredit brauchen, lassen sich manchmal von äußerst niedrigen Zinsen blenden, zahlen hohe „Bearbeitungsgebühren“. Die günstigen Kredite erweisen sich in Betrugsfällen aber als Lügenmärchen. Ein Schöffengericht in Augsburg unter Vorsitz von Andrea Hobert blickte jetzt hinter die Kulissen eines solchen Konstruktes, bei dem zehn leichtgläubige Kunden eines angeblichen Versicherungsmaklers rund 125.000 Euro in den Sand setzten.
Angeklagt ist ein Türke, 59, der vor allem im Kreise seiner Landsleute potenzielle Kreditnehmer köderte. Er will im Auftrag eines Mannes aus Istanbul tätig gewesen sein, aber mehr als „Berater“, nicht als Vermittler, wie er jetzt im Prozess ausdrücklich betont. Über seinen Bäcker, bei dem er Semmeln kaufte, sei er an den großen Auftraggeber herangekommen, der ihn dann auch mal zu einem kostenlosen Urlaub nach Antalya eingeladen habe. Und so sollten die dubiosen Kreditgeschäfte über die Bühne gehen: Finanzstarke Investoren würden ihr Geld bei einer Bank in der Schweiz anlegen, dieses Geld fließe dann mit günstigen Zinssätzen an die Kreditnehmer. Diese müssten lediglich einige Prozent der Kreditsumme an Bearbeitungsgebühren berappen – natürlich als Vorkasse. Notare in Zürich würden die Formalitäten dann regeln. So die Theorie.
Prozess in Augsburg um betrügerischen Finanzmakler
Wie sich die Wirklichkeit abspielte, schildert ein türkischer Friseur, 45, der einen Kredit von 315.000 Euro benötigte, um sein Haus aufzustocken. Er zahlte die Bearbeitungsgebühr von knapp 10.000 Euro auf ein Konto einer Bank bei Stuttgart, versprochen wurde ihm ein Zinssatz von lediglich einem Prozent. Doch dann habe er nichts mehr von dem Angeklagten gehört. Sein Geld sei weg. Und mit ausgestrecktem Finger zeigt er im Gerichtssaal auf den Angeklagten und ruft empört: „Das ist Deutschlands größter Betrüger“. Wie die Opfer bei den angeblichen Notarterminen hingehalten worden sind, schildert ein weiterer Zeuge, 24, der mit seinen Eltern einen Kredit über 1,2 Millionen Euro für einen Hauskauf benötigte – ohne Eigenkapital.
Der Angeklagte habe einen unheimlich günstigen Zinssatz von einem halben Prozent in Aussicht gestellt. Der 24-Jährige zahlte die Bearbeitungsgebühr von 22.000 Euro, die er sich selbst bei einer Bank lieh. Dann folgten fünf Absagen von Notarterminen in Zürich, bei denen die Kreditnehmer schon in den Hotels warteten. Umsonst. Einmal konnte der Notar aus Istanbul angeblich wegen Corona nicht weg, ein andermal sei er bereits von Tel Aviv aus mit dem Flieger in der Luft gewesen, aber einer der Investoren habe dann alles platzen lassen. Und so weiter und so fort. Der Angeklagte habe ihn später mit dem „Auslöschen“ bedroht, als er sein Geld habe zurückwollen, berichtet der Zeuge. Im Zuhörerraum geht es hoch her, Angehörige reden immer wieder dazwischen, Richterin Hobert droht mit dem Rauswurf.
Der Angeklagte (Verteidiger: Christian Ulitzka), der knapp 11.000 Euro als Provision erhielt, stellt sich selbst als Opfer eines Betrügers hin. „Ich habe nur guten Gewissens gehandelt“. Inzwischen werde er selbst bedroht. „Da standen schon vier Männer mit Messern vor meiner Tür. Ich habe Angst und schlaflose Nächte“. Er sitze auf der Anklagebank und sein Auftraggeber, dem er geglaubt und vertraut habe, laufe noch frei herum, beklagt er sich. „Ich bin verarscht worden, ich war blind“, beteuert er seine Unschuld.
Fest steht, dass die Opfer die Bearbeitungsgebühren auf das Konto der inzwischen geschiedenen Ehefrau des Mannes aus Istanbul überwiesen haben: Die Ex-Frau, auch das konnten Kripoermittler herausfinden, schickte monatlich jeweils einen erklecklichen Betrag davon in die Türkei. Sie wird noch als Zeugin gehört werden. Wo sich der Hintermann aufhält, ist strittig. Angeblich in Deutschland, angeblich in der Türkei, oder in Luxemburg, oder in Frankreich. Der Prozess wird Mitte Juli fortgesetzt.