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Prozess in Augsburg: Eine Erzählung wie aus 1001 Nacht

Prozess in Augsburg

Eine Erzählung wie aus 1001 Nacht

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    Heroin ist eine schlimme Droge. In Berlin verticken die Drogen im mehr Minderjährige. Bild: dpa
    Heroin ist eine schlimme Droge. In Berlin verticken die Drogen im mehr Minderjährige. Bild: dpa Foto: dpa

    Vor fünf Jahren sprengte die Soko "Ali Baba" einen irakischen Drogenring, der die Szene in Augsburg lange Zeit mit Heroin beliefert hatte. Einer der Dealer, im Dezember 2006 zu fünf Jahren Haft verurteilt und später auf Bewährung wieder freigelassen, sorgte im Februar dieses Jahres für einen mysteriösen Kriminalfall, der fast wie eine Geschichte aus "1001 Nacht" anmutet.

    Was zunächst wie ein Verbrechen aussah, entpuppte sich als Verkettung skurriler und medizinisch äußerst ungewöhnlicher Umstände, die jetzt in einem Prozess am Amtsgericht aufgearbeitet wurden.

    Am 23. Februar, morgens um 6.30 Uhr, findet ein Jogger einen 35-jährigen Iraker bewusstlos auf einem Uferweg der Wertach beim Seitzsteg nahe des Plärrers. Er hat Kopf- und Beinverletzungen, persönliche Gegenstände liegen verstreut herum, neben ihm eine zerbrochene Zaunlatte. Der Iraker schwebt in Lebensgefahr. Der Notarzt muss ihn längere Zeit reanimieren, pumpt ihm Luft in die Lunge.

    Im Klinikum machen die Ärzte eine ungewöhnliche Entdeckung: Tief im rechten Lungenlappen steckt ein tamponartiger, etwa 2,5 Zentimeter langer Fremdkörper. Mit einer feinen Schlinge ziehen die Ärzte ihn heraus. Zum Vorschein kommt ein kleiner Packen, in dem sich 14 Mini-Plomben zu je 0,2 Gramm Heroin befinden. Wäre die Verpackung geplatzt, der Iraker wäre dem Tod geweiht gewesen.

    Erst durch umfangreiche Ermittlungen und Gutachten der Rechtsmedizin können Beamte des Kommissariats 1 den mysteriösen Fall aufklären. Der drogenabhängige Iraker hatte sich in einer einschlägigen Kneipe am Königsplatz wieder Heroin und Kokain besorgt, etliches konsumiert. Auf der Heimfahrt in sein Wohnheim bekommt er starken Durst, steigt an der Wertachbrücke aus der Tram und watet in den Fluss, um zu trinken. Als er wieder ans Ufer klettert, stürzt er im Drogenrausch, verletzt sich und fällt ins niedrige Wasser zurück, wo er eine Zeitlang bewusstlos wird. Er rappelt sich wieder auf, reißt - weil er wegen einer Beinverletzung nicht mehr gehen kann - eine Zaunlatte ab, um sie als Krücke zu benutzen. Dann bricht er abermals bewusstlos zusammen.

    Ein Kripobeamter des K 1 kann jetzt im Prozess dem Gericht den ungewöhnlichen Plombenfund in der Lunge erläutern. Dealer und Konsumenten verbergen häufig, so sagt er, kleine Heroinpäcken im Mund, um bei einer Durchsuchung durch die Polizei nicht überführt zu werden.

    Er überlebte wohl aus Glück

    Auch der Iraker muss wohl dieses gefährliche Drogenversteck gewählt haben. Als er nach seinem Unfall bewusstlos wurde, muss er sich verschluckt haben, das Päckchen geriet so in die Luftröhre. Zum Glück erstickte er nicht, möglicherweise auch deshalb nicht, weil der Notarzt bei der Wiederbelebung den Fremdkörper, ohne es zu wissen, weiter in die Lunge drückte.

    Der rätselhafte Vorfall hat für den angeklagten Iraker allerdings keine strafrechtlichen Folgen. Weil die ursprüngliche Haftstrafe wegen Drogenhandels wieder in Kraft gesetzt wurde und er sich jetzt in einer Entziehungsanstalt befindet, stellt Amtsrichterin Alexandra Körner das erneute Drogenverfahren gegen den Mann ein. Von Klaus Utzni

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