Sie sind gut beschäftigt bei der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Die „Anti-Folter-Kommission“ kümmert sich um rund 13.000 Einrichtungen in ganz Deutschland, sogenannte „Orte der Freiheitsentziehung“. Das können Pflegeheime oder Psychiatrien sein, ein Schwerpunkt liegt aber auf Gefängnissen. Auf jeden Besuch folgt ein Bericht, dutzende werden jährlich veröffentlicht. Wohl kaum einer wurde in den vergangenen Jahren jedoch derart mit Spannung erwartet wie der nun vorgelegte. Er behandelt eine Kontrolle, die am 9. August 2024 in der JVA Gablingen stattfand – und gibt Einblicke in eklatante, teils bislang unbekannte Missstände im vermeintlich modernsten Gefängnis Bayerns.
Im Kern der bisherigen Vorwürfe steht, dass JVA-Bedienstete Häftlinge geschlagen und unrechtmäßig in sogenannte „Besonders gesicherte Hafträume“ (BgH) gesperrt haben sollen – teils über Wochen, nackt und ohne Matratze. Diese Spezialzellen gelten eigentlich als „ultima ratio“, etwa wenn Gefangene andere oder sich selbst gefährden. Von Körperverletzungen gegenüber Insassen ist im aktuellen Bericht der Anti-Folter-Kommission keine Rede. Zentrale Vorwürfe, die Recherchen unserer Redaktion ans Licht gebracht hatten, werden darin aber bestätigt.
Besuch in der JVA-Gablingen: Delegation der Anti-Folter-Kommission musste 20 Minuten warten
Angefangen beim Besuchsbeginn: Dem Bericht zufolge musste die Delegation, die an jenem 9. August unangekündigt in der JVA Gablingen eingetroffen war, zunächst 20 Minuten im Empfangsbereich warten, ehe sie die damalige stellvertretende Anstaltsleiterin in Empfang nahm. Es liegen Hinweise und Aussagen vor, nach denen währenddessen im Hintergrund Missstände vertuscht wurden. So sollen etwa Matratzen, Decken und Unterhosen eilig in den BgH verteilt worden sein. Während des Besuchs begleitete die Stellvertreterin die Delegation. Sie steht im Mittelpunkt der aktuellen Ermittlungen, die inzwischen gegen insgesamt 17 Bedienstete laufen. Gefängnis-Chefin Zoraida Maldonado de Landauer, die seit Jahren überwiegend von zu Hause aus gearbeitet haben soll und gegen die ebenfalls ermittelt wird, war am Besuchstag zunächst nicht anwesend. Sie traf erst zum Abschlussgespräch ein.
Erste Anlaufstelle der Delegation hinter Mauern waren die BgH – dieser Fokus war nicht zufällig gewählt, offenbar lagen der Anti-Folter-Kommission vorab Hinweise zu Missständen dort vor. Vor Ort und im Nachgang standen der Kommission Dokumente zu 40 Unterbringungen in den BgH im Jahr 2024 zur Verfügung. Allerdings fehlten offenbar umfassende Unterlagen. Das Justizministerium verweist darauf, dass viele Dokumente ermittlungsbedingt bei der Staatsanwaltschaft oder in anderen Gefängnissen liegen. Dem Vernehmen nach spielte dabei aber auch eine Rolle, dass JVA-Mitarbeiter nach Bekanntwerden der Vorwürfe im großen Stil Dokumente geschreddert hatten.
Insassen mussten tagelang nackt in besonders gesicherten Hafträumen (BgH) ausharren
Doch auch so stieß die Kommission auf einiges. Sie erfasste etwa Unterbringungen von bis zu elf Tagen in den BgH. „U.a. bei der 11-tägigen Maßnahme fiel auf, dass bereits zu Beginn der ruhige Zustand der betroffenen Person dokumentiert wurde“, heißt es im Bericht. Auch im weiteren Verlauf seien keine Zwischenfälle ersichtlich, die eine Fortdauer der Maßnahme gerechtfertigt hätten. „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob eine solche Unterbringung verhältnismäßig sein kann.“ Die Vorgehensweise stehe in Kontrast zur Begründung der Maßnahme, die sich auf einen „akuten Zustand“ der betroffenen Person stütze. Unterbringungen in BgH seien grundsätzlich „so kurz wie möglich zu halten“. Wie inzwischen bekannt ist, mussten mindestens zwei Personen 24 Tage am Stück in einer der fünf Gablinger Kellerzellen ausharren.
Wie schlimm die Umstände dort unten sind, macht der 13 Seiten lange Bericht wenige Zeilen später deutlich. Den vorliegenden Unterlagen zufolge waren die Gefangenen in den BgH nahezu immer nur mit Papierunterhosen bekleidet – wenn überhaupt: Laut Bericht zeigte sich, dass die Unterbringung „in mindestens acht Fällen ohne jegliche Kleidung – auch ohne Papierunterwäsche – erfolgte“. In keinem dieser Fälle sei erfasst worden, „aus welchem Grund die Person sich nackt in dem Raum aufhalten musste.“ Die Kameraüberwachung sei auch bei komplett nackten Gefangenen ausnahmslos angeordnet worden. „Diese Verfahrensweise“, heißt es unmissverständlich, stelle „eine Verletzung der Menschenwürde dar“. Und selbst die Papierunterhosen seien durchsichtig, was die Intimsphäre der Betroffenen verletze.
Foltervorwürfe zu Augsburger Gefängnis: Spezialzellen hatten keine Matratzen
Zum Zeitpunkt des Besuchs lagen in den Spezialzellen zwar Matratzen aus. Passend zum Vertuschungsverdacht am Beginn des Besuchs heißt es im Bericht allerdings, diese Sachlage stimme „nur teilweise“ mit den vorliegenden Unterlagen überein. Wegen fehlender Vermerke in Anordnungsbögen liege die Annahme nahe, dass eine Unterbringung im BgH „grundsätzlich ohne Matratze erfolgte“. Dabei könne das damit verbundene Liegen auf dem Betonboden zu Hämatomen und anderen körperlichen Beschwerden führen. Auch Kissen oder Decken habe es nicht gegeben.
Die Liste der aufgeführten Beanstandungen ist noch länger – sie reicht von Körperdurchsuchungen ohne Bekleidung über fehlende Einzelduschen bis hin zu unverpixelten Live-Videoaufnahmen in den BgH. Viel davon war bereits beim vorangegangenen Besuch 2022 moniert, in der Zwischenzeit jedoch nicht behoben worden. Was neu hinzukam, war die Unterbesetzung in der medizinischen Abteilung. So waren zum Besuchszeitpunkt ein Viertel der Stellen im Krankenpflegedienst und eine der zwei Stellen im medizinischen Dienst nicht besetzt. Immer wieder beklagten Gablinger Gefangene unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung.
Brisanter Brief: Justizminister distanziert sich von Stellungnahme eines Abteilungsleiters
In einer Stellungnahme zum Bericht verweist Justizminister Georg Eisenreich (CSU) unter anderem auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, denen man nicht vorgreifen könne. Man habe aber bereits mehrere Maßnahmen getroffen. So sei neben einer Kommission zur Aufarbeitung auch ein neues Referat im Ministerium eingerichtet worden, in dem die Aufsicht über besonders grundrechtssensible Bereiche zentral gebündelt sei. Es solle fortan auch unangekündigte Besuche vornehmen. Grundsätzlich sei in den BgH eine Mindestausstattung vorgegeben, zu der neben Papierunterhosen und Schlafsack bzw. Decke auch eine Matratze gehöre. Im Dezember 2024 habe man diese Vorgaben erweitert, nun soll auch eine erhöhte Kopfunterlage zur Verfügung gestellt werden. Seit Kurzem müssen alle bayerischen Gefängnisse berichten, wenn ein Gefangener keine Mindestausstattung bekommen soll. Das Ministerium ordnete zudem an, dass Gefangene neue, blickdichte Unterhosen bekommen sollen.
Brisant ist auch, was rund zweieinhalb Wochen nach dem Besuch geschah. Wie es im Bericht heißt, forderte der Leiter der Abteilung Strafvollzug im Justizministerium die Anti-Folter-Kommission in einem Schreiben vom 28. August dazu auf, „zukünftig von unangekündigten Besuchen abzusehen“. Dies lehne man „entschieden ab“, schreibt die Anti-Folter-Kommission, die Aufforderung sei „mehr als irritierend“. In einer Stellungnahme erklärte das Justizministerium dazu, die „individuelle Äußerung“ des Leiters der Vollzugsabteilung entspreche „nicht der Haltung von Staatsminister Eisenreich“.
Wie gehabt, bis heute kein Wort von Söder. Als MP trägt er aber die Verantwortung für diesen Skandal. So läuft das bei der CSU. Sämtliche Skandale werden einfach totgeschwiegen.
>>Im Kern der bisherigen Vorwürfe steht, dass JVA-Bedienstete Häftlinge geschlagen und unrechtmäßig in sogenannte „Besonders gesicherte Hafträume“ (BgH) gesperrt haben sollen – teils über Wochen und nackt. … Es liegen Hinweise und Aussagen vor, nach denen währenddessen im Hintergrund Missstände vertuscht wurden. … waren die Gefangenen in den BgH nahezu immer nur mit Papierunterhosen bekleidet – wenn überhaupt: … forderte der Leiter der Abteilung Strafvollzug im Justizministerium die Anti-Folter-Kommission in einem Schreiben vom 28. August dazu auf, „zukünftig von unangekündigten Besuchen abzusehen“.<< Folter und solche Zustände habe ich in staatlichen Einrichtungen Bayerns nicht für möglich gehalten. WANN ÜBERNEHMEN MINISTER EINSENREICH UND MP SÖDER ENDLICH DIE POLITISCHE VERANTWORTUNG? Raimund Kamm
Na ja, wenn überhaupt vor der Wahl ganz sicher nicht mehr.
Man kann Söder nicht für alles Verantwortlich machen, er ist nicht all wissentlich wie Jesus. Haben die Verantwortlichen von dem Gefängnis in Gablingen Narrenfreiheit gehabt. Das sind ja Zustände wie in Nordkorea gewesen. Man sollte alle Verantwortlichen, die die Menschenrechte mit Füßen getreten haben, auch in ein Gefängnis einsperren. Sie sollen es am eigenen Leib spüren , was es heißt, du hast als Gefangener kein Recht auf Menschenwürde. Das modernste Gefängnis Bayern sagt nicht aus, dass es auch das beste Gefängnis sein muss.. Ich hoffe, dass die Gefangenen, denen man die Menschenwürde genommen hat, auch entschädigen sollte, und man sollte von denen das Geld holen, die sich mitschuldig gemacht haben. Hätte die Augsburger Zeitung nicht darüber berichtet, dann würden sie heute noch ihr Unwesen treiben in diesem Gefängnis von Gablingen. Es wäre interessant zu ,erfahren, wie fiele ausländische Gefangenen dem Martyrium ausgesetzt waren.
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