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Natur: Wildtiere erobern den Asphaltdschungel

Natur

Wildtiere erobern den Asphaltdschungel

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    AZ-Leser Norbert Steffan und dieser Biber begegneten sich bei der Kahnfahrt. Steffan griff spontan zur Kamera und hielt den Augenblick fest.
    AZ-Leser Norbert Steffan und dieser Biber begegneten sich bei der Kahnfahrt. Steffan griff spontan zur Kamera und hielt den Augenblick fest.

    Dachse buddeln in Gärten, Wildschweine trotten über mehrspurige Straßen, Füchse durchwühlen Mülltonnen, Fledermäuse flattern durchs Theater, die Feuerwehr jagt einen Waschbären. Und diese Woche fischte sie einen toten Biber aus dem Kanal. Solche Meldungen klingen bizarr, weil sie sich in einer 270000-Einwohner-Stadt abspielen, doch Fachleute wissen: Wildtiere erobern Augsburg.

    Die Zahl der Biber im Stadtgebiet schätzt der Biologe Norbert Pantel vom Landschaftspflegeverband auf 80 bis 100, aufgeteilt auf 20 Reviere. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie in Deutschland fast ausgestorben, nach einem Ansiedlungsprogramm ab Mitte der 60er hielten sie 1999 auch an Lech und Wertach wieder Einzug. Von dort breiten sie sich entlang der Kanäle aus. Biber sind die größten Nagetiere Europas.

    Dass der Kadaver im Kanal so groß wie ein Kalb war, dafür hat der Biberbeauftragte Richard Weiß eine Erklärung: Ihm zufolge war das Tier offensichtlich schon eine Weile tot und daher aufgedunsen. Normal werden Biber bis zu 15 Jahre alt, 80 Kilo schwer und – inklusive Schwanz – 1,40 Meter groß. Ihr Gewicht fressen sie sich mit Kräutern und Laub an, im Winter mit Triebspitzen. Um daran zu gelangen, nagen sie Bäume an, bis diese kippen.

    Ein Viertel der Stadt ist Naturschutzgebiet

    Biber an Kanälen sind nur ein Beispiel; Umweltreferent Rainer Schaal sagt: egal ob Parks oder Industrieanlagen, Stadtmauer oder Wohngebäude: „Alles kann Lebensraum für Tiere sein, und alles ist es auch.“ Besonders in Augsburg, denn die Stadt hat einen hohen Anteil an Grünflächen (200 Hektar) und einen riesigen an Naturschutzgebieten (25 Prozent der Stadtfläche). Um die Vielfalt der Arten und Lebensräume zu bewahren, entwickelte sie eine Biodiversitätsstrategie. Viele Tiere passen sich als Kulturfolger gut an, erklärt der Biologe Pantel.

    Denn was ist eine Stadt schon anderes als eine felsige Berglandschaft? Was unterscheidet Gärten von Waldrändern? Und so suchen Waschbären eben ihre Nahrung im Müll und Amseln, früher typische Vögel des Waldrandes, sind längst in jedem Garten zu finden. Den neuen Artenreichtum machen sich wiederum Jagdvögel zunutze. In Augsburg brüten Turmfalken an Industriekaminen und sogar einige seltene Wanderfalken leben mitten im Asphaltdschungel: Ein Paar nistet auf der Ulrichsbasilika.

    Das Leben ist sicher – bis auf Hunde und Autos

    Auf den ersten Blick schwer zu verstehen, aber Tiere leben in der Stadt relativ sicher. Natürliche Feinde haben sie hier keine, Störung droht nur von Menschen mit ihren Hunden und Gefahr einzig durch den Verkehr. Daher musste die Feuerwehr schon ab und an Biber über die Straße geleiten und vergangenes Jahr wurde zwischen Inningen und Haunstetten ein Hirsch überfahren. Auch Unfälle mit Wildschweinen gibt es immer wieder – sowohl für die Tiere als auch für die Autofahrer ein gefährliches Zusammentreffen.

    Schaal kennt weitere (Interessen-)Konflikte zwischen Mensch und Tier: Wenn Spechte die Außendämmung von Häusern aufhacken zum Beispiel, Saatkrähen Gartenmöbel vollkacken oder Dachse Sportanlagen verwüsten. Auch über (geschützte) Hornissen und ihre nicht geschützten Verwandten, die Wespen, freut sich nicht jeder.

    Die Naturschutzbehörde berät in solchen Fällen. Außerdem hat sich aus dem Umgang mit unerwünschten tierischen Gästen ein eigener menschlicher Wirtschaftszweig entwickelt. Fachleute, die helfen, die Tiere wieder loszuwerden. Sie fangen zum Beispiel Marder und setzen sie in kilometerweiter Entfernung wieder aus. "Kommentar

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