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Augsburg: Zum Modular-Abschluss: Happy End mit Bilderbuch und Kontrasten

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Zum Modular-Abschluss: Happy End mit Bilderbuch und Kontrasten

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    Bilderbuch aus Wien beim Modular in Augsburg: Mit Maurice am Steuer geht nie was schief.
    Bilderbuch aus Wien beim Modular in Augsburg: Mit Maurice am Steuer geht nie was schief. Foto: Silvio Wyszengrad

    Am Ende ist alles gut. Auch der zweite von drei Festivaltagen mit reichlich Regen, mit guter Laune und ohne gefährliche Gewittertreffer überstanden und gelungen. Am Ende macht sogar an diesem abschließenden Sonntag der Himmel noch mal auf für das Finale mit den Leoniden, mit Edwin Rosen und natürlich mit Bilderbuch. Und dieses Trio hat es in sich. Aber zum Glück für alle, die sich nicht erst zu diesem trockenen Ende auf dem Gelände eingefunden haben, sondern tapfer das Festivaltypische trotzdem regieren ließen, gab es auch schon davor Spannendes auf der Bühne...

    Die Besucher trotzen dem Regen zum Sound von Bilbao

    Zunächst nämlich war ja: Wieder eine Gewitterwarnung auf dem Wetterradar, wieder der Blick, der hin zur Bühne und dann direkt in den wolkengrauen Himmel wandert, dritter und letzter Tag des Modular Festivals. Am späten Nachmittag, mit steigender Besucherzahl tröpfelt auch der Regen erneut übers Festivalgelände. Die Band Bilbao kennt sich aus mit Schietwetter, sie kommt aus Hamburg und hat sich nach der spanischen Stadt benannt, für die Bandmitglieder ein Sehnsuchtsort, wie sie selbst einmal meinten. Dass dort in den Siebziger Jahren noch Bürgerkrieg herrschte, scheint vor und auf der Bühne niemanden ins Grübeln zu bringen. Ein Sehnsuchtsort also, den man sich in der regnerischen Heimatstadt herbeizaubern kann. Auch in Augsburg. Der Sänger trägt Hawaiihemd, das Publikum lässt sich die Sonnenbrillen vom mittlerweile strömenden Regen bespritzen und von den Wasserschwallen, die der Wind vom Bühnendach peitscht. Wenn man nur fest genug daran glaubt, können auch die sich anfühlen wie erfrischende Fontänen in einem Infinitypool. Balearische Klänge, sommerliche Melodien, Indie-Elektropop à la Phoenix - dem französischen Original, das vor ziemlich genau 21 Jahren schon selbst in

    Auf dem Weg von der Bühne am Gaskessel zur Bühne im Park vorbei an eilig mit Stroh aufgefüllten Matschwasserlöchern und überfüllten Unterstellmöglichkeiten, macht Das Ding ausm Sumpf das Beste aus dem Horrorwetter, rappt und improvisiert übers Modular, wo es wieder mal "von oben pisst", proklamiert "Modulamore" und erklärt: "Das hab ich von den Modularis gelernt, mich nicht zu weit von meinem Herz zu entfernen." Stefan Mühlbauer, Denker mit Doktortitel, spielte am Samstag noch bei Rock im Park. Auf seinem Fundament aus Dubstep, Humptata und HipHopBeats thronen Texte, die sich mal an die Aufsichtsräte dieses Landes richten und mal die Doppelmoral der Generationen kurz vor Ende des Alphabets entlarven: Müll und Plastik trennen, aber nur mit Amazon Prime einkaufen ("Genau du"). Live steht das Tanzen über dem Nachdenken, und das soll auch so sein - zumal im Publikum viele hüpfen, die sehr wohl Müll und Plastik trennen und freitags auf die Straße gehen dürften.

    Der Gig ist viel zu schnell vorbei, der Regen aber kurz darauf endlich auch. Da ist sogar sowas wie Sonne! Zurück Richtung Bühne am Kessel, jetzt kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Die Ponchos, vom Typ enganliegende Wursthaut bis zum gesponserten Spezi-alist-Überwurf, werden gelüftet, glückliche Gesichter, Festivalgängerinnen und-gänger mit dem festen Plan, sich einfach trockenzutanzen. Und trotzdem nimmt man es Alli Neumann, im Nebenjob Schauspielerin, nicht ganz ab, wenn sie von der Bühne herunterruft, sie sei "geboren, um hier zu spielen" und habe gerade "die besten 30 Minuten ihres Lebens". Wahr oder nicht wahr, ihre Empowerment-Botschaften bringt sie los, mal in Rock, mal in Autotune-Rap gekleidet. Am meisten Jubel bekommt der Track "Zeit steht", auf dem Trettmann Neumann featured, nur, dass er selbst nicht da ist und deshalb vom Band kommen muss. Leider.

    Bombastisch dagegen Aera Tiret, nochmal Lokalhelden, großes Pathos auf der Park-Bühne, Mucker-Musik, bei der jeder zeigen kann, wie gut er und sie sein Instrument beherrscht - und das tut die Band um Multiinstrumentalist Dominik Scherer ja wirklich famos. Auch hier, Empowerment, diesmal aber vor dem Hintergrund des Krieges, Scherer holt seine ukrainische Gastsängerin mit auf die Bühne, eine große Stimme und eine große Geste, ein bisschen ESC beim Modular.

    Die Leoniden legen einen bejubelten Auftritt auf dem Modular-Festival hin

    Maximalkontrast zu Bilderbuch, aber sehr schön: süß, naiv, traurig, solo, reduziert, nostalgisch - Edwin Rosen aus Stuttgart.
    Maximalkontrast zu Bilderbuch, aber sehr schön: süß, naiv, traurig, solo, reduziert, nostalgisch - Edwin Rosen aus Stuttgart. Foto: Silvio Wyszengrad

    Und dann das Finale also: die Leoniden, Edwin Rosen, Bilderbuch - verlängert in die Nacht noch ein bisschen vom Groove von Jungle by Night. Und was für ein herrlicher Kontrast, der da zu erleben war! Bekanntlich ist Maurice Ernst ja so was wie die coolste Rampensau der deutschsprachigen Musik mindestens, was er mit dem längst größtbühnentauglichen Funk-Klangkörper von Bilderbuch freilich auch in Augsburg wieder aufblitzen ließ, beim ersten Festival-Auftritt der Wiener seit drei Jahren. Und die haben mit der Region ja eine große Vergangenheit, spielten noch als Unbekannte, reif zur großen Entdeckung auf dem Singoldsand-Open-Air - sie jetzt, sehr groß geworden, als Headliner nochmal auf dem Modular zu haben, ist schon ein Coup der Veranstalter. Aber nicht weniger, nur vom ganz anderen Ende her ist das auch der Auftritt von Edwin Rosen zuvor auf der Parkbühne.

    Der Stuttgarter nämlich ist mit seiner 80er-Jahre-Wave-Aktualisierung womöglich gerade am Durchstarten, wird jedenfalls von so vielen bereits Eingeweihten gefeiert, dass es der Kerl, alleiniger Klangkörper mit an Synthie und E-Gitarre auf Bühne, gar nicht recht fassen kann. "Noch nie haben so viele Menschen meine Lieder mitgesungen." - "So krass, danke!" - ein überwältigter Lehramtsstudent, der vielleicht auch mal an diesen Abend in Augsburg zurückdenken wird, als er noch ganz am Anfang stand und noch gar nicht genug Songs hatte, um die ihm zugeteilten 50 Minuten zu füllen. Und so spielt er den bislang größten Hit seiner einfach traurig schönen und dabei doch ein bisschen (eigentlich gothic-, nicht party-)tanzbaren Nummern, "leichter/kälter" einfach zweimal und streut dazu noch Covers ein - was wiederum auch im Maximalkontrast zum gewitzten Bilderbuch-Pomp stehen. Gut gemeistert die Groß-Publikums-Premiere, Herr Rosen - den wird man wiedersehen.

    Bilderbuch gehen eh nicht mehr weg. Da konnte das aktuelle Album auch ein bisschen arg leicht und schlagerhaft ausfallen, was freilich auch das in diesem Fall viel zu kurze einstündige Headliner-Set in Augsburg ein bisschen infiziert. Aber live mit Maurice am Steuer ist die Band einfach eine "Maschin" - den früheren Signature-Song selber spielen die Wiener diesmal aber erst als letzten, zum Hit-Finale quasi unmittelbar nach dem verlässlichen Gänse-"Checkpoint". Dazu kommen zuvor Stimmungsbringer wie "Willkommen im Dschungel" zum Auftakt und später "Spliff", aber mal eben nicht "Schick Schock" und Co, sondern "I'm Not Gonna Lie" oder "Auf und ab". So hätten es sich Bilderbuch sicher leichter machen können, das Modular durchgängig mit festivaltauglicherem Hit-Programm anzuheizen - aber man probiert halt auch das neue Material bei der Open-Air-Premiere, der ja sicher auch Auftritte mit deutlich längeren Set-Listen folgen werden. Ein bisschen ein Kompromiss-Auftritt, so wirkte es also, aber ein gelungener.

    Der Platz vor der Hauptbühne am Kessel ist während des Auftritts der Leoniden am Sonntag voll.
    Der Platz vor der Hauptbühne am Kessel ist während des Auftritts der Leoniden am Sonntag voll. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die größte Sause des Abschlussabends war dadurch aber wohl schon zuvor über die Bühne gegangen. Denn die Leoniden hatten als Auftakt des Primetime-Trios einfach wieder alles rausgehauen bei Modular, man kennt sich ja von 2018 - und wurden dafür von einem erstmals an diesem Sonntag vollen Platz an der Hauptbühne gefeiert. Wenn Bilderbuch groß sind und Edwin Rosen gerade zu wachsen ansetzt, sind die versierten und vielseitigen Kieler Indie-Rocker auf gutem Weg dazwischen - und sicher gerne wieder gesehen auf dem nächsten oder dem übernächsten oder dem überübernächsten Modular. Denn die Festivals sind ja jetzt wieder da, und - mag das Wetter sein, wie es ist - gekommen, um zu bleiben. Man wird ja wohl noch Wir sind Helden zitieren dürfen, wenn sie Edwin Rosen schon deren "Nur ein Wort" so hübsch covert. Letztes Wort also: vollschöngewesendankemodulareinbisschenwenigerautotunewäreauchokayaberdasistfreilichgeschmackssachebiszumnächstenmal!

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