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Modular: Der Modular-Samstag: Ausverkauft, Kaiserwetter – und fast die Abbrunzatis

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Der Modular-Samstag: Ausverkauft, Kaiserwetter – und fast die Abbrunzatis

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    Bei lauem Sommerwetter feierten die Modular-Gäste bis in die Nacht.
    Bei lauem Sommerwetter feierten die Modular-Gäste bis in die Nacht. Foto: Peter Fastl

    Eine herrlicher Tag voller Sonne und ein ausverkauftes Gelände am Augsburger Gaswerk: Kein Wunder, dass praktisch alle, die an diesem zweiten Tag des Modular auf die Bühne traten und von frühem Nachmittag an auf volle Plätze und gute Stimmung blickten, betonten, wie schön es sei, dass es das endlich wieder gebe, endlich wieder feiern, endlich wieder Festival. Tatsächlich war dieser Samstag äußerlich geradezu ein Traumtag bis in eine laue Mitternacht hinein.

    Dann eben 2023 wieder Abbrunzatis auf Modular

    Vielleicht wäre es da fast schon zu schön gewesen, wenn die heimlich geplante Überraschung dann auch noch geklappt hätte. Denn erwogen worden ist: ein plötzlicher Auftritt von den heimischen Nummer-1-Album-Lieferanten, Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys! Nach all den Jahren beim Modular stehen die ausgerechnet dieses Mal nämlich in Bayern exklusiv im Line-Up des Puls-Open-Airs auf Schloss Kaltenberg – einem musikalischen Gruß mitten hinein in das letzte Konzert des Tages von Tropikel Ltd, die für die Abbrunzatis auf Teilen von deren Tour als Vorband mit an Bord waren – dem hätte eigentlich nichts im Weg gestanden.

    Aber? Die sicher etwas bittere, aber sicher auch kluge Entscheidung der Verantwortlichen fiel aus Sicherheitsgründen dagegen. Das Ganze hätte auf der kleineren Parkbühne stattgefunden, zu der dann gewiss die Massen von der vollgepackten Hauptbühne nach Headliner Giant Rooks gedrückt hätten, ohne Wellenbrecher, Tausende Menschen, kaum zu zähmen – kann ja alles gutgehen, das Gegenteil will sich aber wirklich keiner vorstellen. So lieber nicht also, dann eben 2023 wieder Modular mit voller Abbrunzati-Party-Power.

    Sieger am Modular-Samstag: Giant Rooks für die Menge, Amilli fürs Ohr

    So gehörte die Modular-Geschichte dieses Konzertabends wohl den eben erwähnten Giant Rooks. Mit ihrem Breitwand-Gitarren-Pop wurden die Jungs aus NRW nämlich nicht nur ganz ordentlich gefeiert, Mitsingen, Tanzen und Schwelgen inklusive zwischen Reamonn-Rock und Coldplay-Pathos – es gibt dazu auch einen hübschen Kontrast. Wie ein sichtlich enthusiasmierter Sänger Frederik Rabe nämlich erzählte, waren die Rooks schon mal auf Modular, bevor alles wirklich losging für die Band quasi, 2016 noch im Wittelsbacher Park, wortwörtlich ein ungenannter Niemand im Line-Up, vor etwa 20 Leuten, irgendwann am Nachmittag. Und jetzt der Star-Auftritt des Abends samt einigen Menschen mit Giant-Rooks-Fan-Shirts im Publikum: Nicht so schlecht, kein Wunder, dass sie gerne wiederkommen, bloß größer geht dann kaum mehr, der Weg in die Popwelt führt auch über Augsburg.

    Das ist der Entdeckung dieses zweiten Tages auch zu wünschen. Auch wenn Amilli auf der Parkbühne nicht schon nachmittags und vor weit mehr als 20 Menschen spielte: Die junge Frau Jahrgang 2000 aus Bochum könnte mit ihrem feinen RnB-Soul-Pop ein ähnliches Wachstum hinlegen. Mädchenhaft in Ansagen und Auftreten – aber sobald singt, klingt ihre Stimme nach einer frühen Joss Stone und einer späteren Lana del Rey mit erstaunlicher Reife. Bald soll es das Debütalbum geben – bloß leider wirken die Songs, die Amelie Flörke alias Amilli explizit als Teil dessen angekündigt hat, mit Sample und Beats dann so aufgemuskelt, dass auch das Augsburger Sommerpublikum ein bisschen mehr ins Tanzen dadurch kam, die besondere Schönheit in der pointierten Reduktion des Sounds zuvor aber wurde so überdröhnt.

    Die Fraktionen Autotune und Austauschbar auf dem Modular-Festival

    Und apropos Dröhnen: Der Rest des Samstags, der festivalgemäß für vielerei Tierchen manches Pläsierchen bot, fällt in zwei Amilii entgegensetzte Kategorien. Zum einen ist das zeitgemäß die breite Fraktion der Autotune-Musik. Beim vermeintlichen „Abriss“ durch die Beats-Bomber von 01099 gehört das zum durchaus von der Rap-Jugend gefeierten Programm – samt Stinkefinger-Gratismut bei der gemeinschaftlichen „Fick die AfD“-Gröhl-Pose. Als Special Effect gab‘s von den Dresdnern ein tatsächlich live gespieltes Saxofon auf der Bühne! Und Stimmverzerrung herrschte freilich auch bei Haiyti, inzwischen einer der Ladys des deutschen Rap, die im Anschluss, in der Primetime, auf der Parkbühne Reime servierte. Bloß scheint der fleißigen Hamburgerin im Laufe ihrer vielen Platten in den vergangenen Jahren ein bisschen die Finesse verloren gegangen zu sein. Ändert freilich nix dran, dass auch in Augsburg so manche im Publikum schon alle ihren Zeilen mitrappen konnten – aber zum Beispiel Kollegin Ebow aus München hatte da vor ein paar Jahren an selber Stelle ein bisschen weniger bloße Breitseite, ein bisschen mehr Vielfalt des Könnens und Pointen im Text geboten. Und schließlich auch Autotune, klar, die Elektro-Pop-Schlager-Konsorten der Abbrunzatis, die abschließenden Tropikel Ltd.

    Bliebe noch kurz der zweite Gegensatz zu Amilli: das bloß Nette, Verwechselbare, mitunter Dröhnende. Drens machten damit am Nachmittag surfpunkig ganz gut Stimmung, Betterov latschten den 00er-Jahre-Indierock so aber schon ziemlich zurück in die Hamburger (Grund)Schule – und die Lalala-freundlichen Shelter Boy brauchten dann schon ein billig aufgepunktes „Twist and Shout“-Cover, um aus dem Sommersonnendusel zu reißen. Aber das Schöne an Festivals ist ja immer: Für alles findet sich an einem solchen Open-Air-Traumtag eine feierbereite Stimmungsgemeinde. Und wie für den Leipziger Haupt-Boy Simon Graupner, der ja unter anderem auch zum Budapester Open-Air-Riesen Sziget reist, beginnt damit ja erste die große Endlich-wieder-Festival-Saison.

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