An jedem Wochenende, an allen Feiertagen, ob Ostern oder Neujahr: Substitutionsstellen für Drogenabhängige haben 365 Tage im Jahr geöffnet. Der Arzt Michael Rink hat eine Praxis in Oberhausen - und ist verantwortlich für etwa 140 Suchtkranke, die bei ihm in Substitution sind. Das bedeutet, dass die Patienten und Patientinnen anstatt Heroin oder anderen Drogen in seiner Praxis täglich einen Ersatzwirkstoff bekommen, der bis zum nächsten Tag Entzugssymptome hemmt. Zudem betreut der Mediziner etwa 100 weitere Patienten, die ihre Dosis wöchentlich verschrieben bekommen, die sie eigenständig einnehmen. Diese Möglichkeit gebe es aber nur für stabile Patienten, die schon lange in Behandlung sind und in der Regel auch einem festen Beruf nachgehen, erklärt Rink. Das Thema
Substitution in Augsburg: Dosierung und Verwaltung übernimmt ein Automat
In der Praxis direkt am Helmut-Haller-Platz kennen die Mitarbeiterinnen der Praxis die meisten Patienten persönlich, diese kommen schließlich täglich. Ihr Name wird in das System eingegeben, ein Automat gibt die individuell festgelegte Dosis an flüssigem Ersatzstoff – typischerweise Methadon oder Polamidon – in einem Becher aus. Der Inhalt wird vor den Augen des medizinischen Personals eingenommen, das Betäubungsmittelgesetz schreibt dies vor. Nach Wunsch wird der Inhalt des Bechers zuvor mit Wasser verdünnt. Der Ausgabeautomat übernimmt automatisch die Verwaltung und führt Buch über die Ausgaben. "Früher mussten wir das alles händisch machen, was für ein Aufwand", erzählt Michael Rink.
Die Substitutionsstoffe verhindern Entzugssymptome wie Schmerzen, Durchfall oder Erbrechen
In seiner Praxis bietet der Arzt Substitution für Opiatkonsum an. Meist seien die Patienten süchtig nach Heroin, teilweise aber auch nach anderen Drogen, berichtet er. "Die Stoffe docken an Opiatrezeptoren im Gehirn an", erklärt Rink. Dadurch wird im Körper ein Rauscherlebnis ausgelöst, es werden aber auch neue Rezeptoren gebildet. Werden diese nicht mit Opioiden versorgt, löst das Entzugserscheinungen aus, daraus entsteht die Abhängigkeit von der Droge. "Das führt unter anderem zu Schmerzen, Durchfall und Erbrechen", erklärt Rink.
Die Substitutionsstoffe docken anstelle der Drogen an den Rezeptoren an und verhindern so bis zum nächsten Tag die Symptome des Entzugs . Auf Wunsch der Patientinnen und Patienten kann eine schrittweise Reduktion erfolgen. Dabei wird die tägliche Dosis in regelmäßigen Abständen vom Arzt verringert, bis der Patient schließlich nichts mehr einnehmen muss, um seine Sucht zu stillen. Im Anschluss kann eine Therapie begonnen werden. "Dies ist aber nicht bei allen Patienten sinnvoll", sagt Rink. "Es ist bekannt, dass Menschen mit jahrzehntelangem Gebrauch besser substituiert leben, anstatt einen erneuten Reduktionsversuch anzugehen." Gerade bei jungen Menschen sei es aber schon das Ziel, dass sie durch Therapien von ihrer Suchterkrankung wegkommen, erklärt Rink.
Viele Augsburger können durch Substitution normal arbeiten
Durch die Substitution können viele einem geregelten Leben nachgehen. "Mit dem Ersatzstoff fühle ich mich ganz normal. Ich lebe meinen Alltag und gehe arbeiten", erklärt eine Patientin nach der Einnahme des Ersatzstoffes. Auch Autofahren oder das Bedienen schwerer Maschinen sei grundsätzlich in Substitution möglich, aber das hänge vom Einzelfall ab, sagt Rink.
Patienten in Substitution müssen sich regelmäßigen Urinproben unter Aufsicht unterziehen. Zwar geschehe es nur selten, doch laut Mediziner Rink versuchen manche Suchtkranke, ihre eigenen Werte zu verschleiern. Dazu kommen etwa mit synthetischem Urin – welches im Internet auf Wunsch der Kunden auch mit THC-Gehalt geliefert werden kann – gefüllte Penisprothesen zum Einsatz. "Um diese Fälle zu verhindern, ist immer ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin bei der Urinabgabe im Raum", sagt Rink.
Das Angebot geht mit einem hohen bürokratischen Aufwand einher
Das Substitutionsangebot stellt den Facharzt vor große Herausforderungen: "Wir haben jeden Tag im Jahr geöffnet. Zudem müssen die Einnahme der Mittel sowie die Urinabgabe überwacht werden, dies führt zu einem zusätzlichen Mehrbedarf an Personal." Auch aus diesem Grund gehe der Trend hin zu Schwerpunktpraxen. Zudem erfordere die Einhaltung des Betäubungsmittelgesetzes ein hohes Maß an Bürokratie, die Kassenärztliche Vereinigung überprüft zudem regelmäßig seine Versorgung: "Das ist in anderen medizinischen Bereichen sehr unüblich", sagt der 54-Jährige. Am Medikament selbst verdiene er nichts, er bekommt für die Behandlung lediglich eine kassenärztliche Gebühr. "Das macht niemand aus Geldgründen", erklärt Rink