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Lesetipp: Ramsch oder Rarität: Eine Augsburger Antikhändlerin erzählt ihre Geschichte

Betty Elenore Zogler-Berger in ihrem Antikladen. Darin verbergen sich viele alte Geschichten. Manuel Andre
Lesetipp

Ramsch oder Rarität: Eine Augsburger Antikhändlerin erzählt ihre Geschichte

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    Wer den Laden "Antik Berger" in der Augsburger Frauentorstraße betritt, hört eine Mischung aus Klopfen und Läuten. Ein Halsband mit einer Art Kuhglocke ist am Türgriff der Eingangstüre befestigt und schlägt durch das Öffnen dumpf gegen die Tür. Die Glocke würde eigentlich um den Hals einer Ziege hängen, erklärt Eleonore Betty Zogler-Berger, die Inhaberin des Ladens.

    Die 76-Jährige trägt ihre grau-blonden Haare offen, vorne ein Pony. Wenn Zogler-Berger spricht, merkt man, was ihr dieser Laden mit all seinen Raritäten und Geschichten bedeutet. Sie erzählt aus dem Stegreif mit großer Begeisterung davon, was hinter jeder einzelnen Antiquität steckt. Weiter hinten im Laden zeigt Zogler-Berger stolz auf ein Halsband, das dem an der Eingangstüre ähnelt. Sie läutet an den drei Glocken, die daran hängen. "Das ist für den Ziegenbock", sagt sie und lacht.

    Zogler-Berger erzählt gerne die Geschichten hinter den Antiquitäten in ihrem Laden.
    Zogler-Berger erzählt gerne die Geschichten hinter den Antiquitäten in ihrem Laden. Foto: Manuel Andre

    Der Laden in der Augsburger Innenstadt sieht aus, wie man sich einen Antik- oder Trödelladen vorstellt. Alles ist vollgestellt mit Geschirr, Puppen, Heiligenfiguren, Gläsern, Taschen und noch ganz viel mehr. Antikläden wirken von außen oft eingestaubt und überladen. Für Zogler-Berger aber ist der Laden das zweite Zuhause. Hinter ihrem Schreibtisch hat sie Bilder von sich selbst aus jüngeren Jahren aufgestellt. Es sind nicht nur die Geschichten der Antiquitäten, auch ihre eigene Geschichte steckt in diesem Laden. Es ist die Geschichte eines Heimkinds, das zu einer erfolgreichen Antikhändlerin wurde.

    Zogler-Berger interessierte sich schon immer für Geschichten

    1945 wurde Zogler-Berger als Säugling in einer Nürnberger Kirche gefunden. Sie sei ein "Findelkind" gewesen, sagt sie selbst. Zogler-Berger wuchs in verschiedenen Heimen auf und wurde teils schwer misshandelt. Sie sei geschlagen worden, auch ihre Zehen seien in einer kalten Nacht abgefroren, erzählt Zogler-Berger. Noch heute leidet sie unter den schweren Misshandlungen. Beim Gehen durch den Laden hält sich Zogler-Berger immer wieder geschickt an Möbeln fest, um keine Gehhilfe zu brauchen. "Man lernt, damit zu leben, ich bin tüchtig, ich habe Kraft", sagt sie heute.

    Als Kind in den Heimen spielte die spätere Händlerin wenig, dafür las sie umso mehr und interessierte sich für alte Geschichten, fing an mit Schnitzereien und handwerklichen Arbeiten. Sie begeisterte sich für das Handwerk und die Geschichte dahinter. "Ich wollte immer alles wissen", erinnert sich Zogler-Berger.

    Aus welcher Zeit kommt der Teller? Zogler-Berger geht auf Spurensuche.
    Aus welcher Zeit kommt der Teller? Zogler-Berger geht auf Spurensuche. Foto: Manuel Andre

    Aus einer Geschenk-Boutique wurden vier Antikläden

    Später wurde Zogler-Berger sehr jung Mutter, zog fünf Kinder auf. Da musste sie Geld verdienen und kam durch Zufall zum Antikhandel. Zunächst machte sie eine eigene Kneipe auf. Als ihre Tochter dann sagte, dass sie keine Bedienung in dieser Wirtschaft sein möchte, eröffnete Zogler-Berger Anfang der 80er-Jahre spontan eine Geschenk-Boutique in der Weißen Gasse in Augsburg. Das war der Beginn des Antikhandels für Zogler-Berger: "Von Tuten und Blasen und Antiquitäten hatten wir keine Ahnung", sagt sie heute über diese Zeit.

    Die Händlerin verkaufte zu Beginn Sachen, die sie selbst bastelte und Möbel vom Sperrmüll, die noch Wert hatten. Mit der Zeit eignete sie sich in Katalogen und Büchern das Wissen an, das man als Händlerin braucht, um nicht betrogen zu werden. Das Geschäft lief gut. Kurz darauf wurden aus einem vier Läden in der Augsburger Innenstadt.

    So sieht es im Laden von Zogler-Berger aus.
    So sieht es im Laden von Zogler-Berger aus. Foto: Manuel Andre

    Zogler-Bergers Arbeit ist ähnlich wie bei "Bares für Rares"

    Das Geschäftsmodell ist dabei simpel. Es besteht aus dem gezielten An- und Verkaufen von Antiquitäten. Mal ein Schnäppchen auf dem Flohmarkt, mal ein Bild aus einer Wohnungsauflösung: eigentlich wie bei "Bares für Rares" im ZDF. Das sei schon authentisch, sagt die Trödlerin. "Ich schaue das gern. Ich denke mir immer: Was hätte ich jetzt dafür gezahlt?". Ihre neue Errungenschaft ist eine mehr als 100 Jahre alte Kasse aus Holz. Die stammt aus einer Wohnungsauflösung. Öffnet man die Kasse, klingelt sie. "Damit der Chef weiß, wenn Geld reinkommt", erklärt Zogler-Berger. Das Ziel ist jetzt, die Kasse wieder zu verkaufen – mit Gewinn natürlich.

    Inzwischen haben Antikläden die beste Zeit hinter sich. Für den einen Laden, den sie heute noch hat, gehe jetzt ihre Rente drauf, sagt Zogler-Berger. Aber das sei es ihr wert, denn sie liebt all die Raritäten in ihrem Laden mit all den schönen Geschichten, die sie gern weitererzählt. So zum Beispiel an Studentinnen, die sich im Laden immer wieder umschauen und etwas Bestimmtes wissen wollen. Die Händlerin hat, so erzählt sie es, sogar Stammgäste, die einfach nur zum "Lernen" kommen.

    Zogler-Berger versucht ihr Wissen weiterzugeben.
    Zogler-Berger versucht ihr Wissen weiterzugeben. Foto: Manuel Andre

    An den Wänden und auf Aufstellern hängen und kleben ausgeschnittene Zeitungsartikel über die Geschichte des Muttertags oder Wissenswertes zu den Moriskentänzern. Es ist wichtig, dieses Wissen weiterzugeben, sagt Zogler-Berger. Sie holt einen kleinen Zettel hervor. Darauf ist zu sehen, wie sich die Signatur auf Meißner-Porzellan in den Jahren verändert hat. Deshalb könne die Antikhändlerin genau sagen, aus welcher Zeit das Geschirr ist.

    Ans Aufhören denkt sie noch nicht

    Doch Kundschaft ist derzeit selten, in der Pandemie fehlen die Gelegenheitskäufer. Museen oder Kirchen kaufen bei ihr ab und zu noch ein. Dazu kommen Sammler, die ein ganz bestimmtes Teil suchen. Zogler-Berger liebt das, was sie macht, dennoch. Alles in ihrem Laden hat eine Geschichte – auch sie selbst. Ans Aufhören denkt sie noch nicht.

    Auf die Frage, warum sie das heute mit 76 Jahren immer noch macht, hat sie eine Standardantwort parat. An ihrem Schreibtisch liegt ein Zettel – darauf steht: "So ist das, wenn einem der eigene Beruf eine Berufung ist und einen ein Leben lang nicht mehr loslässt. Dann gibt es keinen Grund, in den Ruhestand zu treten, dann gibt es keinen Grund, mit dem eigenen Tun aufzuhören, dann hält einen das, was man macht, immer weiter im und vielleicht auch am Leben."

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