Der Augsburger CSU-Politiker Volker Ullrich wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. Er holte als Direktkandidat zwar die meisten Stimmen im Wahlkreis, doch das Zweitstimmenergebnis seiner Partei reichte nicht aus, um ihm sein Mandat in Berlin zu sichern. Noch am Wahlabend war es im Moritzsaal zu einem Schlagabtausch zwischen Ullrich und Grünen-Abgeordneter Claudia Roth gekommen. Von Leserinnen und Leser erreichten diese Redaktion zahlreiche Leserbriefe zur „Causa Ullrich“. Eine Auswahl.
In meiner Zeit als Berufspolitiker habe ich Claudia Roth und Volker Ullrich als aufrichtige und faire Vollblutpolitiker kennen und schätzen gelernt. Ihr Streit am Wahlabend darf keinesfalls überbewertet werden. Dass Herr Ullrich an diesem für seine politische Laufbahn so einschneidenden Abend eine kurze Zündschnur hatte und dass es sich Frau Roth nicht gefallen lässt, wenn behauptet wird, sie sei keine Demokratin, muss jeder nachvollziehen können. Politiker von ihrem Format werden schnell einen Weg finden, die Sache zu bereinigen. Beide brauchen ihre Energie für die Aufgaben, die auf sie warten. Diese mögen unterschiedlich sein, anspruchsvoll sind sie allemal. Herbert Woerlein, ehem. Landtagsabgeordneter, Stadtbergen
***
Volker Ullrich teilt in Richtung Grün aus, weil er trotz vieler Erststimmen nicht mehr in den Bundestag darf, obwohl das doch Wählerwille gewesen sei... Die Wahlrechtsreform war mehr als überfällig, der Bundestag wurde aufgebläht mit immer mehr Abgeordneten, kein Ende in Sicht. Dass das nicht so weitergehen kann, war eigentlich jedem klar, aber die CDU hat es in 16 Jahren Regierung nicht geschafft, eine Reform auf den Weg zu bringen – die Ampel schon. Eine Reduzierung der Wahlkreise wäre übrigens auch wünschenswert. Mehr Abgeordnete sind nicht gleichbedeutend mit besserer Arbeit, sondern sie verursachen viel mehr Kosten. 100 Parlamentarier weniger bedeuten 125 Millionen Euro Einsparung jedes Jahr. Wo der Staat kein Geld für Infrastruktur, Schulsanierung etc. hat, sollte dieses Geld doch hochwillkommen sein. Stattdessen will Herr Merz die Reform rückabwickeln – na, Hauptsache, die Politiker sind versorgt. Das ist bestimmt Wählerwille! Andrea Distel, Augsburg
***
Dr. Volker Ullrich kann sich doch jetzt wieder seinem Beruf, den er so lange nicht ausüben konnte, mit Schwung und Elan widmen. Hannes Schreyvogl, Diedorf
***
Den Unterschied in der Politik konnte ich vor wenigen Jahren selbst erleben. Bei einer Jubiläumsveranstaltung des Tierschutzvereins Augsburg nahm sich Claudia Roth sehr viel Zeit, um sich an den Info- und Verkaufsständen mit den sehr engagierten Mitarbeitern/-innen und Ehrenamtlichen zu unterhalten und einen Eindruck über deren Einsatz zu erhalten. Volker Ullrich hingegen zog es vor, sich an verschiedenen Örtlichkeiten auf dem Gelände von seinem Fotografen ablichten zu lassen. Zeit für Gespräche hatte er nur für seine Bekannten aus der Politik oder Wirtschaft, also auf seiner Ebene, nicht aber für die „Menschen aus dem Volk“. Das schien ihm nicht wichtig, klar, es war ja auch kein Bundestagswahlkampf. Gabi Elsner, Augsburg
***
Volker Ullrich benahm sich nicht nur gegenüber Claudia Roth daneben, sondern schlug laut BR24 auch die ausgestreckte Hand von Maximilian Funke-Kaiser (FDP) mit den Worten „Das geschieht Dir recht“ weg. Das zeugt von schlechter Kinderstube, aber die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für rechtens erklärte Zweitstimmendeckelung sowie den aufgrund von demografischen Veränderungen notwendigen Neuzuschnitt von Wahlkreisen in Sachsen-Anhalt und Bayern als „undemokratisch“ zu bezeichnen, zeugt von einem egoistischen Demokratieverständnis. Schließlich profitierte gerade Ullrichs CSU von der Bildung des zusätzlichen Wahlkreises „Memmingen-Unterallgäu“, den sie überlegen gewann. Ullrichs Ausfälle zeigen also, dass für ihn das persönliche Wohlergehen im Vordergrund steht, denn er wird ja nun beinahe von einem Tag auf den anderen arbeitslos. Er ignoriert zudem, dass viele Menschen die Reduzierung des bislang größten frei gewählten Parlaments der Welt auf dauerhaft 630 Sitze (2024: 733 Mandate) begrüßen, werden hierdurch doch jährlich bis zu 125 Millionen Euro eingespart. Dr. Gerd Krüger, Augsburg
***
Die Wahlrechtsreform mag Fehler haben, dennoch zeugt es von Kleingeistigkeit, wenn Volker Ullrich die ehrlich gemeinte Gratulation von Claudia Roth so brüsk zurückweist. Im Übrigen gibt es beim Mehrheitswahlrecht immer verlorene Stimmen. Den 45.742 verlorenen Stimmen für Volker Ullrich stehen so über 100.000 „verlorene“ Nicht-CSU-Stimmen gegenüber. Und durch die bundesweite 5-Prozent-Klausel gingen 4,5 Millionen (!) Stimmen allein für FDP und BSW verloren. Reinhold Forster, Augsburg
***
Der Ausfall von Volker Ullrich am Wahlabend zeigt deutlich, wie froh wir sein können, dass er Augsburg nicht mehr im Bundestag vertritt. Wer als Bundestagsabgeordneter den Anstand missen lässt, sich nach einem Wahlkampf die Hände zu reichen, hat auf der Bühne nichts zu suchen. In zahlreichen Sportarten wird das Verweigern des Shake-Hands hart bestraft wegen unsportlichen Verhaltens. Sicher geht ihm das knappe Scheitern nah, doch hat ein Politiker Vorbildfunktion und da hat Herr Ullrich auf ganzer Linie versagt. So wie Claudia Roth selbstverständlich anerkennt, dass Volker Ullrich mehr Erststimmen gewann als sie, so hat auch er diese Anerkennung entgegenzunehmen. Er hätte mit seiner Fraktion in Regierungsverantwortung bis 2021 jahrelang Zeit gehabt, eine Wahlrechtsreform durchzuführen. Jetzt beleidigt zu sein, sucht die Schuld mal wieder im Außen, statt eigenes Nicht-Zutun einzugestehen. Dr. Joachim Schlosser und Julia Stöhr-Schlosser, Augsburg
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden