Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Landtagswahl in Augsburg: Was die AfD im Univiertel stark macht

Landtagswahl 2023 Im Universitätsviertel wählten sehr viele Wähler die AfD. Symbolbild
Augsburg

Das Unviertel als AfD-Hochburg? Was die Partei im Augsburger Süden stark macht

    • |

    Der Tag danach scheint einer wie immer zu sein. Rund um den Europaplatz herrscht an diesem Mittag ein unaufgeregtes Treiben, Studenten treffen sich in einem Café mit der Begrüßung „Morgen!“. An ihnen schlendert eine ältere Frau mit gebücktem Gang und Einkaufstrolley vorbei, sie ruft auf Russisch in ihr Mobiltelefon. Es sind Szenen, wie sie im Herzen des Univiertels Alltag sind. Das akademische Treiben trifft hier auf starke sichtbare russische Einflüsse – in einem Umfeld, das sich zu einer AfD-Hochburg entwickelt zu haben scheint. Warum findet die rechte Partei gerade hier so viel Zuspruch?

    Die AfD hat bei der Landtagswahl in ganz Augsburg zugelegt, nirgendwo fiel der Stimmenzuwachs aber so deutlich aus wie im Univiertel – um 11,2 Prozentpunkte auf insgesamt 27,7 Prozent. Damit hat die Partei neben Oberhausen, wo sie schon länger stark abschneidet, einen weiteren, neuen Zustimmungs-Schwerpunkt in Augsburg. Mit Ausnahme der SPD (ein Plus von 0,2 Prozentpunkten) büßten dort alle im Landtag vertretenen Parteien Stimmen ein, die CSU inklusive. Sie landete bei 31,8 Prozent – und damit knapper denn je vor der AfD. „Wir haben gezeigt, dass wir mit unseren Inhalten durchdringen, auch zu integrierten Ausländern“, kommentierte der Augsburger AfD-Direktkandidat Andreas Jurca das Ergebnis im Univiertel. Eine Wortwahl, die ihre Gründe hat.

    Die AfD hat bei der Landtagswahl im Augsburger Univiertel deutlich überdurchschnittliche Werte geholt. Im Stadtteil sind an vielen Stellen russische Einflüsse deutlich sichtbar.
    Die AfD hat bei der Landtagswahl im Augsburger Univiertel deutlich überdurchschnittliche Werte geholt. Im Stadtteil sind an vielen Stellen russische Einflüsse deutlich sichtbar. Foto: Max Kramer

    Wahlnachlese im Augsburger Univiertel: Sprechen wollen die meisten nicht

    Montagmorgen am Alten Postweg. Der Supermarkt „Mix Markt“ ist auf Lebensmittel aus Russland und Ost-Europa spezialisiert, die ersten machen ihre Besorgungen. Sprechen wollen die meisten nicht, schon gar nicht über die Wahl, schon überhaupt nicht über die AfD. „Nix Deutsch“, antworten viele und gehen weiter. Wilhelm, Anfang 40, hat gerade eingekauft, unter anderem russische Leberwurst. Er lebt in Königsbrunn, wuchs aber im Univiertel auf, seine russischstämmige Mutter lebt noch heute dort. „Sie hat Angst vor Ausländern und mir gesagt, dass ich unbedingt AfD wählen soll – das habe ich getan.“ Er habe sich nicht allzu viele Gedanken über die Wahl gemacht, aber von vielen

    Nach Angaben der Stadt leben in Augsburg rund 30.000 Menschen, die als Aussiedler oder Migranten aus dem ehemaligen Ostblock gekommen sind. Viele russischstämmige Menschen ließen sich im Univiertel nieder, rund 63 Prozent der rund 10.800 Einwohner haben Migrationshintergrund. Bis heute gilt der leicht überdurchschnittlich alte, in seinem Inneren etwas verschlängelte Stadtteil als „Russenviertel“. Der Einfluss ist an vielen Stellen sichtbar: Auf der Straße sprechen gerade viele Ältere in slawischer Sprache miteinander, eine Kunstschule bewirbt ihr Kursangebot auf Russisch, auf einem Garagentor haben sie beide Landesfarben als Graffiti gesprüht, zusammen mit dem Wort „Brotherhood“ (dt. Brüderlichkeit).

    Andreas, 38 Jahre alt, geht die Salomon-Idler-Straße entlang, er lebte rund zehn Jahre im Univiertel und hat ebenfalls russische Wurzeln. Die AfD bei knapp 30 Prozent, hier? Er sagt, dieser Wert wundere ihn – weil er mit mehr gerechnet habe. „Die AfD ist hier wahnsinnig beliebt, gerade bei den Russlanddeutschen.“ Wegen der tendenziell eher Russland-freundlichen Politik der AfD, die sich etwa gegen Waffenlieferungen für die Ukraine ausspricht? „Das spielt eine Rolle, aber hauptsächlich geht es um das Thema Migration.“ Viele könnten gut nachvollziehen, warum Menschen Richtung Deutschland migrierten – „wir sind damals ja auch nicht umsonst hierher“, sagt er. „Wir mussten uns aber alles erkämpfen, haben vom Staat wenig Unterstützung erhalten – egal, ob im Bereich Bildung oder bei Behördengängen.“ Heute hätten viele Russlanddeutsche den Eindruck, dass es Migranten in

    Juri Heiser
    Juri Heiser Foto: privat

    Anruf bei Juri Heiser. Er war lange im Stadtrat für die CSU, er ist bestens vernetzt in Univiertel und der russischen Gemeinschaft. Warum ist die AfD in „seinem“ Stadtteil so stark geworden? Viele Faktoren spielten rein, sagt er. „Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass Wähler russlanddeutscher Herkunft belohnen, dass sich die AfD für Friedensverhandlungen mit Russland ausspricht“, sagt Heiser. Aber auch die Migrationspolitik beschäftige viele – nicht nur, aber Russlanddeutsche vielleicht im Besonderen. „Russland ist ein Vielvölkerstaat, man hat dort Erfahrung im Zusammenleben verschiedene Kulturen. Wahrscheinlich gibt es deshalb ein besonderes Gespür dafür, wenn sich Migration zunehmend unkontrolliert entwickelt – so, wie es momentan der Fall ist.“ Viele hätten aber auch das Gefühl, zunehmend bevormundet zu werden, was ihnen aus der „alten Heimat“ bekannt vorkommt. Aber auch Faktoren wie die Inflation spielten eine Rolle. Er gehe davon aus, dass die „neuen“ AfD-Wähler nicht nur von der CSU, sondern von allen „etablierten“ Parteien abgewandert seien.

    Zurück im Univiertel. Jura-Student Max, 22, sagt, er habe nicht gewählt. Er sei wegen eines Urlaubs „nicht dazu gekommen“. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung im Univiertel bei 57,9 Prozent, und damit niedriger als im gesamten Stimmkreis Augsburg-Ost (64,8 Prozent). Das starke Abschneiden der AfD im Univiertel überrasche ihn, sagt Max. „Ich halte es für ein bisschen widersprüchlich, aus einem anderen Land gekommen zu sein und dann eine so ausländerkritische Partei zu wählen.“ In der Hermann-Köhl-Straße, sieht das eine junge Frau ähnlich. Dass die AfD hier so gut abgeschnitten habe, sei „beängstigend“, sagt Luba. Woran das liege? „Vielleicht auch daran, dass die AfD hier sehr viel plakatiert hat, neben der CSU am meisten. Andere waren nicht so sichtbar.“

    Noch einmal zurück, Richtung Europaplatz. Herr Kunzmann, 73 Jahre alt, lebt seit 40 Jahren im Stadtteil. „Das Viertel war schon immer etwas konservativer“, sagt er. Den Erfolg der AfD hier wolle er aber nicht überbewerten. „Das sind allgemeine Entwicklungen, die nicht nur in Augsburg stattfinden.“ Ob es ihn störe, dass die AfD hier so stark sei? Kunzmann zuckt mir den Schultern. „Das ist jetzt einfach so.“

    Die Namen "Stalin" und "Lenin" an einem Stromkasten im Augsburger Univiertel.
    Die Namen "Stalin" und "Lenin" an einem Stromkasten im Augsburger Univiertel. Foto: Max Kramer
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden