Eine ganze Welle von Betrugsversuchen, bei denen sich die Täter als Polizisten ausgeben, ist im vergangenen Jahr über den Landkreis Landsberg hereingebrochen. Nun musste sich ein Mann vor Gericht verantworten, der 231.000 Euro von einer Landsbergerin erbeutet hat. Er gab zu, das Geld entgegengenommen zu haben, will aber nicht gewusst haben, dass er damit eine Straftat beging. Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Augsburg unter Vorsitz von Richterin Beate Christ schilderte der 44-Jährige mit Unterstützung einer Dolmetscherin seine Variante der Geschichte.
Angeklagter sollte Geld der Landsbergerin nach Hagen bringen
Nach eigenen Angaben habe der Angeklagte, der die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, einen Anruf von einem Bekannten bekommen, einem reichen Immobilienhändler. Der habe ihn Ende September 2020 gefragt, ob er Geld von der damals 68-jährigen Landsbergerin abholen könne, das sie ihm noch für den Kauf eines Hauses schulde. Die Summe solle er nach Hagen (Nordrhein-Westfalen) bringen und bekomme für den Botengang 1000 bis 2000 Euro.
Zum Zeitpunkt des Anrufs habe der Angeklagte gerade von München zurück nach Berlin fahren wollen, wo er damals wohnte. Stattdessen habe er sich auf nach Landsberg gemacht, wo die Geschädigte ihm sofort geöffnet und ihm das Geld übergeben habe. Die Summe habe er erst im Hotel in Hagen nachgezählt, wo ihn kurz darauf die Polizei festgenommen habe.
Staatsanwältin Andrea Hobert sah den Fall anders: Der Angeklagte sei Teil eines professionell agierenden Betrügerteams, das die Landsbergerin erst stundenlang am Telefon gehalten und ihr vorgespielt habe, dass sie mit Polizei und Staatsanwaltschaft spreche. Mit der Behauptung, dass es in der Nähe einen Überfall gegeben habe und am Tatort eine Liste gefunden wurde, auf der auch die Geschädigte stehe, habe man die Frau überredet, ihr Bargeld an einen vermeintlichen Beamten zu übergeben. Der würde es sicher verwahren, bis die Gefahr vorüber sei.
Angeklagter wegen bandenmäßigen Betrugs verurteilt
Mit der Landsbergerin hatten die Betrüger einen Volltreffer gelandet, denn sie hatte 231.000 Euro Bargeld im Haus – vor allem die Einnahmen aus dem Betrieb ihres Mannes. Nachdem sie eine Nacht lang massiv unter Druck gesetzt wurde, fand die Übergabe statt. Doch die Polizei kam dem Angeklagten schnell auf die Schliche, denn sie hatte wegen eines bereits bestehenden Verdachts die Telefonate überwacht.
Fünf Vorstrafen hatte der Angeklagte bereits unter anderem wegen Betrugs und Erschleichens von Leistungen. Zur Gerichtsverhandlung kam er direkt aus der JVA Gablingen, wo er in Untersuchungshaft saß. Dorthin kehrte er nach dem Urteil auch wieder zurück: Im Rahmen eines Deals gestand er dem Gericht die Tat und bekam dafür drei Jahre und zwei Monate Freiheitsentzug wegen gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs. Außerdem muss er 23.950 Euro an die Geschädigte zurückzahlen, den Rest der Beute hat sie bereits wieder. Christ folgte nicht der Forderung von Verteidiger Ralph Giebeler, dessen Mandanten aus der Untersuchungshaft freizulassen, denn es bestehe Fluchtgefahr.
Viele Fälle mit falschen Polizisten im Landkreis Landsberg
Der als Zeuge geladene Beamte von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck erklärte dem Gericht, dass allein im Jahr 2020 rund 1900 dieser Taten auf seiner Dienststelle eingegangen seien, die Dunkelziffer sei hoch. Die Täter suchten sich ihre Opfer im Telefonbuch aus, dabei setzten sie auf lebensältere Namen und kurze Telefonnummern. Diese Menschen hätten oft gleich Vertrauen, wenn die Anrufer sich als Polizei ausgäben. Dann setzten diese ihre Opfer unter Druck und verhinderten, dass sie Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Als die echte Polizei eintraf, sei die Landsbergerin körperlich und psychisch am Ende gewesen, berichtete der Beamte.
Die Täter seien sehr professionell vorgegangen und hätten viele Warnstufen, die verhindern sollen, dass der Bote bei der Geldübergabe geschnappt wird. Der sei aber nicht der eigentliche Täter – die Callcenter befänden sich vorwiegend im EU-Ausland, vor allem in der Türkei, und seien dort praktisch sicher vor Strafverfolgung.
Der Polizeibeamte erzählte auch, dass die Opfer in vielen Fällen dazu aufgefordert würden, den Notruf zu wählen, allerdings im laufenden Gespräch. So würden sie nicht etwa zur echten Polizei weitergeleitet, sondern nur zu einem weiteren Betrüger. Auch die Landsbergerin habe der Polizei von dieser Masche berichtet. Die Täter könnten auch die angezeigte Nummer manipulieren, sodass es aussehe, als komme ihr Anruf von der lokalen Polizeiinspektion.
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