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Zentrum für Gegenwartskunst: Neue Gruppenausstellung bewegt sich im Grenzbereich der Fotografie

Zentrum für Gegenwartskunst

Neue Gruppenausstellung bewegt sich im Grenzbereich der Fotografie

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    Karen Irmer zeigt in der Ausstellung "PaintingPhotography" erstmals die Arbeit "Silent Piece".
    Karen Irmer zeigt in der Ausstellung "PaintingPhotography" erstmals die Arbeit "Silent Piece". Foto: Karen Irmer

    Über die Grenzen der Fotografie wird gerade viel gesprochen. Neue Programme, gefüttert mit künstlicher Intelligenz und unglaublich vielen Bildern und Fotografien als Vorlagen, machen es möglich, künstliche Fotos zu erzeugen, die kaum noch von echten aus der wirklichen Welt zu unterscheiden sind. Da wird an den Grundfesten der Fotografie gerüttelt. Man kann ihr nicht mehr als dem Medium, das die Wirklichkeit abbildet, vertrauen. Aber konnte man das je?

    Das H2 - Zentrum für Gegenwartskunst untersucht in seiner aktuellen Fotoausstellung „PaintingPhotography“ nun ebenfalls Grenzfälle des Mediums. Allerdings ist die Stoßrichtung gerade andersherum. Es geht da um die Überschreitung der Fotografie mit den Mitteln der Fotografie. Allerdings nimmt der Fotograf James White (*1967) in einigen Arbeiten zwei Aufnahmen, etwa einen Haufen Kleiderbügel, und montiert sie so nebeneinander, dass es gerade nicht passt und sich nicht fügt. Mit dem Effekt, dass das Auge ein Gewirr von Linien erreicht. Die Fotoarbeit erklimmt neue Stufen der Abstraktion. Daneben hängt eine montierte Aufnahme mit den beiden Weingläsern, die surreal wirkt, weil das eine Glas auf dem Kopf steht. 

    In „PaintingPhotography“ werden die Arbeiten von zwölf Künstlern präsentiert

    White montiert Bilder, er greift auch mit zugefügten Linien ein. Anders geht die Fotografin Claire Laude (*1975, Frankreich) auf den vier Arbeiten in der Schau vor. Hier ist es das Material, das einen nicht glauben lässt, Fotoarbeiten zu sehen. Die durchschimmernde Maserung des Holzgrunds verbindet man unwillkürlich mit Malerei. Dazu wirken die Motive wie Konstruktionspläne für Gewächshäuser. Aber warum werden die in Räumen wie Kunstwerke aufgebaut? Und dann sind sie alle unvollständig. Auch das lässt gleich an den Surrealismus denken. 

    Thomas Elsen, der Leiter des H2 - Zentrum für Gegenwartskunst und Kurator der Ausstellung „PaintingPhotography“ hat zwölf Künstlerinnen und Künstler für die Schau ausgewählt, darunter auch die Künstlerin Karen Irmer (*1974, Friedberg). Sie fixiert die Fotografie nicht mehr auf einem Abzug oder mit einem Abdruck, sie projiziert. In einem abgedunkelten Raum können die Besucherinnen und Besucher auf einen felsigen Küstenstreifen blicken, am unteren Bildrand spiegelt sich ein Teil im Wasser, genau dort verändert sich die Aufnahme schleichend. Wie unter einem grellen Scheinwerferlicht werden neue Formen geschaffen. Sind das Käfer? Sind das Raumschiffe? Sind das abstrakte Muster? Die Fotoaufnahme wird durchlässig für die Zeit, verändert sich langsam. „Silent Piece“ heißt die Arbeit und dauet 4 Minuten und 33 Sekunden, eine Referenz an die legendäre John Cage Komposition: 4 Minuten 33 Sekunden Stille. Genau so lange dauert ein Durchlauf des Bildes. Und Stille ist auch bei Irmer zu erfahren.

    Monika Huber richtet den Blick auf Nachrichten aus Krisengebieten

    Großen Raum nehmen die Arbeiten von Monika Huber (*1959, Dingolfing) aus ihrem Archiv 1.30 ein. Es geht darin um Nachrichtenbeiträge aus Krisenregionen im Fernsehen, die oft nicht länger als eine Minute und 30 Sekunden sein dürfen. So lange klappen die Fenster in Kriegsgebiete auf. Huber hält auf ihren Arbeiten diesen schnell vorbeiziehenden Strom an. Ihre Überarbeitungen der Motive halten den Blick weiterhin auf das Leid der Menschen gerichtet, auch wenn die Nachrichten längst versendet und vergessen sind. Die künstlerische Bearbeitung des dokumentarischen Materials lässt die Szenen noch einmal in einem anderen Licht erscheinen. Wie gehen wir als Gesellschaft mit diesen Krisenherden um? Und wie funktionieren eigentlich diese Nachrichtenbeiträge? 

    Bekanntester Name der Gruppenausstellung ist Rosemarie Trockel (*1952), die mit zwei kleineren Arbeiten vertreten ist. Fotografie berührt da auch den Surrealismus. Zwei Füße enden oberhalb des Knies im schwarzen Nichts. Lauter Fliegen sitzen auf den nackten Schienbeinen. Daneben steht der Spruch: „Fly me to the Moon“. 

    Es gibt aber auch Malerei zu sehen, die sich in Richtung Fotografie bewegt

    Es gibt aber auch Malerei, die sich in Richtung Fotografie bewegt. Die Künstlergruppe Troika löst die Leinwand auf in fast fingernagelgroße Pixel, in der einen Zeile wechseln sich grüne und blaue Quadrate ab, in der anderen grüne und rote. Grundfarbe grün also, aus der das Rot heraussticht. Und dann sind da ganz zart ein paar Felder abgeschattet, man meint Bäume zu sehen und Palmen an der Küste. Die Arbeiten wirken wie Vergrößerungen von grünstichigen, grob gerasterten alten Monitoren. Oder die drei Öl-Genälde von Kerstin Skringer (*1971 in Dingolfing), die wie die verschwommenen Aufnahmen bei Nacht mit langen Belichtungszeiten wirken. Malerei, die in Richtung Fotografie strebt. Die Künstlerin Kotek (1955-2011) ist mit drei dunklen Großformaten zu sehen, die wie Mikroskopaufnahmen dem Auge neue Einblicke verschaffen. 

    So gelingt es der Schau, verschiedene künstlerische Ansätze zu versammeln, die sich in der Art, wie sie mit Fotografie und Malerei umgehen, berühren. Außerdem funktioniert auch die Auswahl: zum einen die Region zu berücksichtigen und dann aber auch international auszugreifen. Und es fällt dabei niemand ab. Sehenswert.

    Die Ausstellung "PaintingPhotography" im H2 - Zentrum für Gegenwartskunst ist noch bis zum 3. Dezember. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

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