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„Verkin“: David Wagners Roman entführt in Istanbuls Vergangenheit

Buchkritik

Tausend und eine Erinnerung: David Wagners märchenhafter Türkei-Roman „Verkin“

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    Panorama am Bosporus: David Wagners Roman „Verkin“ spielt in Istanbul, führt aber auch in andere Regionen der Türkei - und in die Weltgeschichte.
    Panorama am Bosporus: David Wagners Roman „Verkin“ spielt in Istanbul, führt aber auch in andere Regionen der Türkei - und in die Weltgeschichte. Foto: picture alliance/dpa/epa

    Geschichten aus tausendundeiner Nacht? Tausendundzwei Märchen mehr: David Wagner („Vier Äpfel“) erzählt im Roman „Verkin“ von der unfassbaren Lebensgeschichte einer Armenierin in Istanbul.

    In „Verkin“ vermischen sich armenische und türkische Geschichte

    Diese Diva namens Verkin lebt wie eine Kaisern am Bosporus. In ihrer Prachtvilla empfängt sie regelmäßig einen Schriftsteller aus Berlin, denn beide verbindet ein Pakt: Er liefert ihr feine Wurstwaren aus Deutschland – und sie serviert ihm, zum Tee, die spannendsten Häppchen aus ihrem Leben.

    Märchenstunde, Verkin spricht: Ihre Großmutter aus Armenien floh aus einer Zwangsehe, brachte danach fünf Kinder von fünf Männern zur Welt. Verkins Vater ließ mit seiner Leuchtmittel-Firma die halbe Türkei erstrahlen, mit Erfolg – obwohl er als Armenier zu den Geächteten zählte. Verkin selbst flog früh vom Internat in der Schweiz, tanzte durch die Studentenproteste in Paris, wohnte mit Hippies in New York, hat aber auch Vaters Geschäftssinn geerbt.

    „Verkin“ von David Wagner ist auch ein politischer Roman

    Ein Defilee an Liebhabern zieht durch ihre Welt: Nicolas verführt sie im Orientexpress. Detlev aus Düsseldorf versäuft sein Glück. Abdelkadir stirbt beim Autounfall in ihren Armen. Über Verkins Füße stolpert zudem die Weltgeschichte, Figuren wie Yoko Ono, Jimi Hendrix und der junge Erdogan. Und wenn man meint, eine kleine Randfigur sei frei erfunden, sagt Verkin: „Look him up!“ – frag Google! Dort findet man sie dann, reale Zeugen ihrer Zeit, und staunt über die Tiefe von Wagners Recherche.

    Wagner malt durch Verkins Brille ein politisches Bild von der Türkei: In diesem Land müssen Armenier um das Gedenken kämpfen, um die Erinnerung an den Völkermord von 1915. Andererseits sieht Verkin auch Chancen: In diesem Land wird geschmiert, gedealt, gepokert, gebaut, geschaffen. „Welcome to Türkiye“, sagt sie.

    Ein türkisches Panoram: David Wagners Roman „Verkin“

    Dialoge ohne Gänsefüßchen, Small Talk in druckreifen Sätzen, dieses Buch entwickelt seine eigene Musik. Entdeckt man aber den Groove in Wagners Stil, genießt man auch deshalb diese Reise mit Verkin und dem Autor durch das türkische Panorama. Schönste Randanekdote: Dieses Buch beruht auf einer wahren Begegnung. David Wagner hat Verkin – die echte, leibhaftige – gefunden. Wer sie ist? „Look her up!“

    David Wagner: Verkin. Rowohlt, 400 Seiten, 26 Euro

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