Im vergangenen Jahr schickte das Sensemble Theater ein vierköpfiges Team ins Rennen, dessen großer Coup rund um Elias Holl, mit dem Augsburg berühmt werden sollte, gründlich gescheitert ist. Nun wurde das Quartett ins Allgäu verbannt. Das Sensemble Theater zeigt in einem zweiten Teil auf seiner Sommerwiese – wofür man den ersten nicht unbedingt gesehen haben muss – die Premiere der Fortsetzung der Komödie um die „Luftschlösser“ aus der Feder von Christian Krug. Im Stück „Selbstporträts. Oder: Die Fata Morgana vom Eigenen Ich“ begegnen dem Publikum wieder: der ehrgeizige Kulturreferent (Florian Fisch), der versponnene Professor (Winfried Gropper), die durchtriebene Medienexpertin Susi (Petra Wintersteller) und der etwas tumbe Lokalredakteur (Jörg Schur). Um sich vom Abstellgleis wieder ins Licht der Öffentlichkeit zurück zu manövrieren, sinnt dieses selbst ernannte Promotionteam darüber nach, eine „ganz heiße Sache“ zu inszenieren, mit der sie König Ludwig II. und sein Schloss Neuschwanstein noch viel berühmter machen könnten, als es jetzt schon ist. Und sich selbst natürlich auch.
Herrlich der Plot: Der schlaue Professor, der sich selbst als den „einzigsten und profunden Kenner Neuschwansteins sieht“, und der davon überzeugt ist, dass, wenn König Ludwig deutscher Kaiser geworden wäre, es zwei oder drei Wagner-Opern mehr gegeben hätte, dass man das Oktoberfest überall und nicht nur in Bayern feiern würde, und dass man die Weißwurst auch nördlich der Donau lieben würde, soll eine sensationelle Entdeckung machen: das erste Selfie der Welt – von König Ludwig II. Gesagt, getan: Die Schlüssel sind durch Beziehungen besorgt, des nachts begeben sich der Ex-Kulturreferent, Susi und der Professor mit historischer Kamera ins Schloss, um König Ludwig aufs Bild zu bannen.
Der König ist niemand anderer als der Journalist, den man wegen seiner frappierenden Ähnlichkeit mit dem Märchenkönig ins königliche Gewand gekleidet hat. So täuschend echt sieht er jetzt aus, dass der sich selbst als der echte König Ludwig wähnt – eine Glanzrolle für Jörg Schur, der als König richtig aufgeht, spricht wie ein König, handelt wie ein König, bis hin dazu, dass er sogar einzelne seiner „Untertanen“ im Publikum segnet. Köstlich, wie seine Gefährten in Trenchcoats in Gangster-Manier durch das nächtliche Schloss schleichen, hinter Türen, hinter Wände, vor Fenster, mal hier-, mal dorthin, wie sie vor sich selber erschrecken (klassische Slapstick-Momente!), weil sie den verflixten Thronsaal, wo sie das Bild aufnehmen wollen, einfach nicht finden. Und ihren König Ludwig zunächst auch nicht. Als der schließlich doch eintrifft, geht – O Schreck!- die Alarmanlage des Schlosses los. Die Überwachungskamera schießt ein Bild vom König – das Team ist enttarnt.
Eine gute Komödie wie diese nimmt natürlich selbst im größten Moment der Tragik eine überraschende Wendung. Die Sensation geht durch die Weltpresse: Der Geist von König Ludwig ist wieder auferstanden. Das Bild der Überwachungskamera zeugt davon. Wie es schließlich doch gelingt, dass die Vier, nahe am Abgrund wegen ihrer Entlarvung, zu ihrem Ruhm kommen, das soll jetzt nicht erzählt werden; dazu muss man selbst in das Stück gehen. Dies hat alles, was nicht nur an einem sommerlichen Theaterabend im Freien Freude und Vergnügen bereitet: eine tolle, absurd-komische Geschichte, ein Schauspieler-Team, das in seinen wunderbar überzeichneten Typen aufgeht, eine Verwicklung nach der anderen – und zwischendurch auch noch urige Songs, in denen die Vier ihren Ruhm schon im Schlager vorweg nehmen.
Weitere Aufführungstermine auf der Sensemble-Sommerwiese noch den ganzen Juli immer freitags und samstags, jeweils um 20.30 Uhr Karten unter: www.sensemble.de