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Streichquartett: Leopold Mozart Quartett: Vier Musiker mit Lust auf Zeitgenössisches

Streichquartett

Leopold Mozart Quartett: Vier Musiker mit Lust auf Zeitgenössisches

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    Unterwegs in Richtung zeitgenössische Musik: das Leopold Mozart Quartett mit (von links) Mariko Umae, Aleksandra Manic, Johannes Gutfleisch und Christian Döring.
    Unterwegs in Richtung zeitgenössische Musik: das Leopold Mozart Quartett mit (von links) Mariko Umae, Aleksandra Manic, Johannes Gutfleisch und Christian Döring. Foto: Foto:  Jan-Pieter Fuhr

    Der Name lässt nicht unbedingt darauf schließen, denn kaum wohl wäre Leopold Mozart als musikalischer Avantgardist zu bezeichnen. Und doch, das unter eben diesem Namen firmierende Leopold Mozart Quartett etabliert sich zusehends als Ensemble mit besonderem Hang für zeitgenössische Musik. Jüngster Beleg dafür ist, dass erneut ein Album des Quartetts ausschließlich mit Werken eines Komponisten unserer Tage erschienen ist, nachdem bereits vor zwei Jahren eine CD mit Werken von Heinz Winbeck (1946-2019) veröffentlicht wurde. Diesmal ist es ein früherer Schüler Winbecks, dem die Werkauswahl gilt, der 1963 geborene, in Neuburg lebende und auch in Augsburg häufiger präsente Tobias PM Schneid.

    Das Zeitgenössische als Programmschwerpunkt, nicht immer war das beim Leopold Mozart Quartett in dem Maße gegeben, wie das heute der Fall ist. Bei dem Ensemble, das im kommenden Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiern kann, stand anfangs der übliche Streichquartett-Kanon im Vordergrund. Für das Quartett, das sich traditionell aus Mitgliedern der Augsburger Philharmoniker zusammensetzt - Mariko Umae und Aleksandra Manic (Violine 1 und 2), Christian Döring (Viola) sowie Cellist Johannes Gutfleisch (wobei nur die beiden letzteren zur Gründungsbesetzung gehörten) -, ergab sich jedoch schon früh die Zusammenarbeit mit Tobias PM Schneid, eine Kooperation, die sich im Laufe der Jahre intensiviert hat.

    In gewisser Weise wie damals bei Beethoven

    Gerade den direkten Kontakt mit dem Autor der Noten, die vor einem auf dem Pult liegen und in Klang übertragen werden wollen, macht für die Musikerinnen und Musiker des Quartetts einen maßgeblichen Reiz in der Auseinandersetzung mit Zeitgenössischem aus. „Es ist immer spannend, vom Komponisten zu hören, wie er sich sein Werk klingend vorstellt“, sagt Johannes Gutfleisch. Und Christian Döring vergleicht solche Zusammenarbeit mit Komponisten mit jener Zeit, als Beethoven seine Streichquartette den ihm bekannten Musikern vorlegte. „Wenn wir heute Beethoven spielen, haben wir dieses Privileg natürlich nicht“, bedauert Döring.

    Der Bratschist und der Cellist des Leopold Mozart Quartetts sprechen auch im Namen ihrer beiden Kolleginnen, wenn sie erzählen, dass die besondere Herausforderung des Quartettspiels - nämlich vier individuelle musikalische Charaktere auf einen Nenner zu bringen - gerade bei der Erarbeitung neuen, zeitgenössischen Materials besteht. Oft ist keine Referenzaufnahme vorhanden, die man sich anhören könnte, um schon einmal einen Eindruck dieses oder jenes Werks - nicht selten in komplizierter Notation verfasst - zu erhalten. In solchen Fällen müssen alle vier im Wortsinn Grundlagenarbeit leisten, eine anstrengende, aber auch ergiebige, beglückende Tätigkeit.

    Tobias PM Schneids Reminiszenz an Schumann

    Die jetzt vorliegende neue CD ausschließlich mit Schneid-Werken enthält, neben zwei Klaviertrios und einem Streichtrio, als zentralen Titel das 3. Streichquartett aus dem Jahr 2017, das der Komponist dem Leopold Mozart Quartett gewidmet hat. Es trägt den Titel „Schumann“ und verweist auf eine Besonderheit von Schneids Komponieren in dieser Phase: Auf die Bezugnahme zu einem Komponisten der Tradition, die sich auf vielfältig verästelte Weise in Schneids eigener Komposition niederschlägt, mal als bloßer Stimmungs-Anklang, mal als wiedererkennbar eingearbeitete musikalische Wendung. Im zweiten Satz des Schneid-Quartetts klingt beispielsweise das Thema von Schumanns späten „Geistervariationen“ an, um dann aber doch bruchlos in Schneids eigene musikalische Gedankenwelt aufzugehen.

    Es ist nicht zu überhören: Das Leopold Mozart Quartett fühlt sich in dieser Tonsprache zu Hause. Bestechend, wie es gelingt, selbst bei großer Divergenz der einzelnen Stimmverläufe als Ensemble dennoch wie aus einem Guss zu erscheinen. Technische Präzision und ein Gespür für rechtes Timing gehen Hand in Hand mit prägnanter Artikulation, selbst bei hohem Tempo wirkt hier nichts geschludert. Schneids „Schumann“-Quartett wirkt aber auch auf ideeller Ebene als von den Interpreten bewusst erfasst, was sich am eindrucksvollsten im vierten und letzten Satz niederschlägt. Auch hier, wie herangeweht, Schumann-Anklänge (aus dem ersten „Gesang der Frühe“), in die sich zunächst unmerklich, dann immer energischer, ein hölzernes Knarzen einmischt, ein gewollt auf den Instrumenten erzeugtes Geräusch, das schließlich sogar die Klanghoheit übernimmt: Als wär‘s das Knarzen einer Tür, eines sich öffnenden oder sich schließenden Deckels, ein überwältigender Effekt, der weite Assoziationsräume eröffnet ...

    Ein französischer Hornist holt sich das Leopold Mozart Quartett

    Das Schneid-Album ist, ebenso wie zuvor die Winbeck-CD, in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk entstanden, auch das ein Ausweis dafür, dass sich das Quartett aus Augsburg inzwischen einen Namen in der Szene für Zeitgenössisches erspielt hat. Davon zeugt noch eine weitere Veröffentlichung, die zwar primär die Kunst des französischen Hornisten Hervé Joulain ausstellt, doch in einem Fall nicht ohne die Streicher des Leopold Mozart Quartetts auskommt. „Jeux“ heißt die CD, die ausschließlich Werke des französischen Komponisten und Horn-Großmeisters Georges Barboteu enthält - darunter das Quintett „Triptyque“. Weil die Aufnahmen im mittelschwäbischen Mindelzell stattfanden, wurde ein in nicht allzu weiter Ferne residierendes Streichquartett mit Zeitgenossen-Expertise gesucht - und, voilà, im Leopold Mozart Quartett gefunden. Barboteus Musik - impressionistisch-schimmernd, bei aller Modernität heiter und voll mediterraner Wärme - ist ganz anders geartet als diejenige Schneids, dennoch ist auch sie beim Quartett aus Augsburg (Jung-Eun Shin vertritt hier Mariko Umae) in kundigen Händen.

    Dass 2025 ein Jubiläumsjahr für das Quartett werden wird, darüber wollen die vier Streicher kein großes Aufheben machen. Das ein oder andere Konzert ist schon geplant, durchaus auch solche mit reinem Klassiker-Programm wie Ende April im Rahmen der Philharmoniker-Kammerkonzertreihe (mit Beethoven, Schubert, Brahms). Aber auch eine weitere CD ist bereits projektiert, wieder in Zusammenarbeit mit dem BR, erneut mit Werken von Tobias PM Schneid und Heinz Winbeck. Den Pfad des Zeitgenössischen wird das Leopold Mozart Quartett auf jeden Fall weiter beschreiten.

    Die Alben:
    Tobias PM Schneid - Dialogue & Reflection. Leopold Mozart Quartett, Trio Phönix-3 (Neos).
    Georges Barboteu - Jeux. Hervé Joulain (Horn), Tatiana Chernichka (Klavier), Leopold Mozart Quartett (TyxArt).

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