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Stephan Huber zeigt „Das große Leuchten“ in Oberschönenfeld

Ausstellung

Stephan Huber in Oberschönenfeld: Wo der Berg schwebt und leuchtet

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    Bücher unter Bergen: Die Schwäbische Galerie in Oberschönenfeld zeigt in der Ausstellung „Das große Leuchten“ Werke von Stephan Huber
    Bücher unter Bergen: Die Schwäbische Galerie in Oberschönenfeld zeigt in der Ausstellung „Das große Leuchten“ Werke von Stephan Huber Foto: Marcus Merk

    Einst strebte er ein so begrenztes Wirkungsfeld an wie das des in Würzburg tätigen Tilman Riemenschneider: „Einen Zirkel mit dem Radius einiger Dutzend Kilometer genommen, einen Kreis gezogen und all meine Kunst passt da hinein.“ Aber dann kam es anders für Stephan Huber, 1952 in Lindenberg/Allgäu geboren: Als Schüler von Horst Sauerbruch an der Münchner Kunstakademie wurde er bekannt, berühmt, gefragt auch für die Weltausstellungen zeitgenössischer Kunst in Kassel und Venedig. Aus war’s mit dem begrenzten Wirkungskreis. Heute ist seine Kunst in öffentlichen Sammlungen zwischen Rom und Hamburg, zwischen Wien und Barcelona, zudem in Nordamerika vertreten - und nun in kleiner Übersicht auch in der Schwäbischen Galerie des Museums Oberschönenfeld. Ein renommierter Mann in einem Museum des Bezirks, nicht eben alltäglich.

    Stephan Huber zeigt „Das große Leuchten“ in der Schwäbischen Galerie

    Wie das kommt? Erstens, weil Stephan Huber 2023 den Schwäbischen Kunstpreis erhielt; zweitens, weil er den dortigen ehemaligen Kloster-Wirtschaftsstadel als Ausstellungsort mit altem Dachgebälk faszinierend findet und darüber hinaus besonders passend für den Memento-mori-Teil seiner Kunst: Kronleuchter aus Kopien menschlicher Knochen. Huber also: begeistert von diesem Dachstuhl als Bildträger und von der Idee, dass seine Kunst von oben kommt. Er schwärmt, dass auch „das Schwerste, was es gibt, in einem surrealen Moment leicht von der Decke hängt“. Man könnte auch sagen: schwebt. Das ist in der Tat beeindruckend und hochästhetisch.

    Der Künstler Stephan Huber inmitten seiner Werke in der Schwäbischen Galerie in Oberschönenfeld
    Der Künstler Stephan Huber inmitten seiner Werke in der Schwäbischen Galerie in Oberschönenfeld Foto: Marcus Merk

    Was jedoch meint Stephan Huber mit dem „Schwersten, was es gibt“? Er meint die Originale seiner reinweißen Modelle großartiger alpiner Berge aus Dentalgips. Damit ist er als Künstler berühmt geworden - etwa durch seine Installation an der Neuen Messe München 1997, wo attraktive Bergsteiger-Gipfel wie in einem Lagerregal gereiht sind, eben auch bei der venezianischen Biennale 1999. Und nun schweben Hubers Bergmassive - in mittlerweile meist idealisierter Form - wie Lampenschirme über vier Büchertischen. Auf dass der Leser - unter dem Ausstellungstitel „Das große Leuchten“ - Licht erhalte und behütet sei beim Schmökern. Das ist so poetisch wie ironisch. Und das ist schön.

    Lieblingsbücher wie „Winnie-the-Pooh“ liegen unter dem Watzmann

    Was auf den vier Tischen liegt? Zum Einen unter den Drei Zinnen der Dolomiten, die nicht idealisiert werden mussten, Bücher über die Berge. Zum anderen - unter dem Watzmann - Stephan Hubers Lieblingsbücher, zu denen „Winnie-the-Pooh“ als erstes zählt, aber auch Titel von Adorno, Walter Benjamin, Marcel Duchamp. Kommen hinzu unter Hubers Allgäuer Lieblingsberg Höfats ein „Lob der Region“ mit Büchern von u. a. Brecht, Enzensberger, Elias Holl, W. G. Sebald, schließlich unter dem Dolomiten-Gipfel Antelao die Publikationen des Kartographen Stephan Huber: Im Umschlag eines alten Dierke-Weltatlas wurde eine weitere Werkgruppe Hubers gebunden, jene seiner real-fiktiven Landkarten, die im Untergeschoss der Schwäbischen Galerie im Original zu sehen sind.

    Stephan Hubers „Geographie der Liebe“ widmet sich berühmten Liebespaaren

    Man kann dort Stunden verbringen im Studium dieser Karten, die Huber mit der Nagelschere etwa aus US-Militärplänen oder russischen geologischen Übersichten collagiert und dann zum Beispiel mit den Lebensstationen berühmter Menschen verknüpft hat, auch mit Erläuterungen, Einordnungen, Zitaten.

    Berühmte Liebespaare in der „Geographie der Liebe“
    Berühmte Liebespaare in der „Geographie der Liebe“ Foto: Marcus Merk

    Drei konkrete Beispiele: Die „Geographie der Liebe“ widmet sich unter der Verflechtung mit anatomischen Darstellungen berühmten Liebespaaren der Weltgeschichte (Pamina/Tamino, Tristan und Isolde, Romeo und Julia, Doktor Schiwago/Lara); eine Seekarte mit vielen Inseln beschäftigt sich mit den Künstler-Kollegen, die Huber bewundert oder einst bewunderte und deren Stationen, Einflüssen, Künstlergruppenverbindungen, Seelenverwandtschaften. Schließlich offenbart eine große Allgäu-Kulturgeschichtskarte die Lebens- und Wirkungszentren starker Persönlichkeiten aus dem Alpenraum. Das (temporäre) Lebensumfeld etwa der klassizistischen Malerin Angelika Kauffmann ist integriert, zudem jenes von König Ludwig II., Otto Dix, Martin Walser, Friedrich Barbarossa. Was die starke Persönlichkeit Angelika Kauffmanns ausgemacht habe, geht die Frage an Stephan Huber. Er sagt: „Sie lebte in der Provinz, es war für sie als Frau schwerer zu bestehen, aber sie hat sich mit Hammer-Energie durchgesetzt.“

    Zusammen mit Stephan Hubers fünf Lieblingsinseln, zusammen mit einem Dentalgips-Modell von Hubers Elternhaus und dem letzten Sektentreffpunkt von Charles Manson hart am Rand eines Eiswüsten-Abgrunds wird in Oberschönenfeld die wunderbare und gefährliche Welt des Stephan Huber präsentiert. Was ist gute Kunst auch? Die Erschaffung eines neuen Universums.

    Museum Oberschönenfeld. Laufzeit bis 3. November, geöffnet Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr

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