Stefan Schulzki durchschreitet musikalische Welten auf verschlungenen Pfaden. Von der Strenge der notierten klassischen Musik in die freien Weiten der Improvisation, von der Simplizität dreier Punkakkorde zu der Komplexität des Solo-Pianos, von leuchtender Harmonik zu düsterer Atonalität. Eine anspruchsvolle, mit vielen Fallstricken versehene Route, die Schulzki nach über vier Dekaden als Musiker und Komponist nun zu einem Ort führt, der angesichts seiner eigentlichen Betätigungsfelder überraschen mag: ein sonnendurchfluteter Strand voller flockiger, R‘n‘B- und Soul-beeinflusster Popsongs.
Es gleicht einem Ankommen für den Augsburger Komponisten, dem vor vielen Jahren von einem Lehrer „Zerrissenheit“ attestiert wurde. „Es war in den letzten Jahren mein Ziel, diese Zerrissenheit zu überwinden. Neue Musik war der Ausgleich zur Filmmusik, aber letztere hat sich der Neuen Musik auch immer mehr angenähert, auch dem Pop, aber mir haben einfach oft Gesang und ein gescheiter Beat gefehlt. Erst 2020 habe ich mir die Zeit genommen, einen ersten Song zu machen, der nicht für einen Film gedacht war. Und nun ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich damit auf die Bühne gehe.“
Für Schulzki unvorstellbar, dass es Jahre dauern sollte
Die Songs entstanden aus „kleinen Jam-Sessions mit mir selbst“, doch bis die Zahl der Stücke für ein ganzes Album reichten, dauerte es dann doch deutlich länger, als sich Schulzki vorstellen konnte: „Ich bin es gewohnt, dass es bei der Filmmusik höchstens ein paar Wochen dauert und ich dann 45 Minuten Musik fürs Fernsehen abgebe. Mir war klar, dass die Songs mehr Liebe zum Detail brauchen, weil man sie nicht in eine Handlung einbetten kann. Aber es war für mich unvorstellbar, dass es Jahre dauern sollte.“
Und das nicht aus mangelnder Erfahrung. Schon in der dritten Klasse schrieb er eigene Stücke am Klavier, betextete sie und weckte sie im Bandkeller seines Schlagzeug spielenden Schulfreundes zum Leben. Sozialisiert mit Punk, Hip-Hop und Indierock brachte ihm mit 16 Jahren der Gitarrenlehrer den Jazz nahe, der Leistungskurs Musik brachte mit der Volljährigkeit Beethovens Sonatinen auf das Notenpult des Klaviers – durchaus spät, wenn man bedenkt, dass „die meisten einfach Schritt für Schritt die Leiter nach oben steigen. Die haben früh viel geübt, ‚Jugend musiziert‘ gewonnen, ich musste dagegen alles nachholen, was ich als Jugendlicher versäumt habe.“
Was möchte ich für den Rest meines Lebens machen, fragte sich Schulzki
Schulzki holte nach, übte eine Dekade lang wie besessen Klavier, studierte Komposition und nebenher Filmmusik und Sounddesign und begann eine Karriere, die wohl einiges anerkennendes Nicken provozieren kann. Er schreibt die Musik für die Kriminalfilmreihe „Donna Leon“, spielt mit dem Vater des Detroit-Techno, Gerald Donald, vertont Goethe, Bachmann, Brecht. Doch es fehlte etwas, nämlich die Antwort auf die Frage: „Was möchte ich für den Rest meines Lebens machen, worauf kann ich nicht verzichten?“
Plötzlich versteht man die Zerrissenheit, die sein Lehrer entdeckt hatte. Jedes Element von Schulzkis künstlerischem Wirken „ist nur eine Facette von mir, ein Puzzleteil. Das hat mich wirklich gequält, dass man sich durch sehr viel meiner Musik arbeiten muss, um ein gewisses Bild von mir zu erhalten – wer hat da schon Zeit dafür? Ich musste mich mal wirklich auf das fokussieren, was ich absolut liebe. Auf das ich auf keinen Fall verzichten möchte.“
Jetzt schaut er erst mal auf den Beat
Und so fließt aus dem Trichter, der sehr lange aus den Strömen der Musik der letzten hundert Jahre genährt wurde, nun ein Destillat aus Elektropop und Black Music, Stücke, die ihre Zeit brauchen und nach einer ganz anderen Herangehensweise als die gewohnte verlangen. „Ich hatte das ja praktisch mein Leben lang so: Erst sind da die Bilder der Filmszenen, erst ist da ein Gedicht. Darauf basierend komponiere ich dann die Musik. Aber jetzt mache ich erst mal den Beat!“
Schulzki lächelt. Es ist ein zweiter musikalischer Frühling für ihn, und der wird gefeiert: „Celebrate Spring“ heißt der Abend, der nun zum ersten Mal die Songs auf die Bühne bringt, die so lange in ihm schlummerten. Mit den jungen Musikern Andrëas, Florian Hartz und Robin Tóth, die „Noten vom Blatt spielen, aber auch frei spielen können“, mit den Stimmen der Sängerinnen Caro Stechl, Vanessa Spanier, Nathalie Kaun und Theresa Sittenauer, mit Gästen wie Schlagzeuger und Elektroproduzent Tom Simonetti und Sängerin Stacia. Zusammen zelebrieren sie den Frühlingsanfang im Abraxas. Astronomisch, meteorologisch und vor allem: musikalisch. Schulzki, der Wanderer der Welten, hat sein Zuhause gefunden.
Konzert: Schulzki and Friends treten am 22. März um 20 Uhr im Kulturhaus Abraxas auf.
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