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Bühne: In der Stadthalle Neusäß erstrahlt "Chocolat" in anderer Verpackung

Bühne

In der Stadthalle Neusäß erstrahlt "Chocolat" in anderer Verpackung

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    Das Schauspieler-Ehepaar Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer bringt in der Stadthalle Neusäß den Kinofilm "Chocolat" auf die Bühne.
    Das Schauspieler-Ehepaar Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer bringt in der Stadthalle Neusäß den Kinofilm "Chocolat" auf die Bühne. Foto: Klaus Rainer Krieger

    "Bleiben wir?", fragt die kleine Tochter Anouk ihre Mutter Vianne, als beide in einem französischen Städtchen Lansquenet-sous-Tannes ankommen. Vianne wird hier, direkt am Kirchplatz, eine Pâtisserie eröffnen, mit ihren feinsten Schokoladen eine einzige himmlische Verführung. Der Plot ist bekannt aus dem Kinohit "Chocolat" vor über 20 Jahren, mit Juliette Binoche und Johnny Depp in den Hauptrollen. Jetzt gab es in der Neusässer Stadthalle eine Wiederbegegnung: in den Hauptrollen ein Ehepaar, das aus Film und Fernsehen bekannt ist: Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer, den man etwa als Wiener Tatort-Kommissar Moritz Eisner kennt. 

    Krassnitzer schlüpfte in die Rolle des jungen Pfarrers Francis Reynaud, der in der Pâtisserie, die noch dazu mitten in der Fastenzeit eröffnet wird, einen einzigen "Stachel des Teufels" sieht, der den Dorffrieden empfindlich stört. Störend ist das Fremde, verkörpert auch von den Leuten, die eines Tages mit ihren Hausbooten am Ufer der Tannes ankommen und einen anderen Lebensstil pflegen, geprägt von Musik und Freude. Im Theaterstück werden sie verkörpert von einer wunderbaren Musiktruppe, den "Manouches du Tannes", die mit feiner Gipsy-Musik – Akkordeon, Kontrabass, Bratsche, Geige und Gitarre – das Erzählte musikalisch begleiten.

    Die Form ist eine literarisch-musikalische Lesung, kein Theaterstück

    Wer ein Theaterstück erwartet hat, war zunächst irritiert. Die gewählte Form ist eine literarisch-musikalische Lesung. Es gibt nur zwei Figuren – Vianne und Pfarrer Reynaud, die ihren Text weitgehend an Lesepulten rezitieren. Sie erzählen das Geschehen jeweils aus ihrer Sicht. Um die Schauplätze anschaulicher zu gestalten, sitzt Vianne auf einem roten Barhocker am Tischchen – neben ihr eine große Leinwand, auf der in bunten Farben die Front ihrer Pâtisserie abgebildet ist. 

    Szenenwechsel. Die Leinwand wird auf die andere Seite der Bühne gezogen, es erscheint das triste graue Innere eines alten Hauses mit Blick hinaus zum Kirchplatz, wo der alte Pfarrer – nur als eine graue Perücke in einem Krankenbett liegend dargestellt – den Monologen seines jungen Nachfolgers, seinen Nöten, seinen Gewissensbissen, ja seinen sich mehr und mehr steigernden Verschwörungstheorien unbeweglich lauschen muss. Zwischen den beiden Schauplätzen wechselt das Geschehen hin und her. 

    Die Schauspieler füllen durch Könnerschaft ihre Figuren mit Leben

    Das Hin- und Hergeschiebe der großen Leinwand erweist sich als nicht ganz glückliche Idee der Inszenierung, ja als ziemlich unnötig. Das Publikum kennt doch schon längst die Schauplätze. Erst gegen Ende, als sich das Geschehen zuspitzt, als erzählt wird vom Brandanschlag eines Dorfmitglieds auf die Boote der Fremden, als auf der Leinwand ein brennendes und schließlich ausgebranntes Hausboot zu sehen ist, erschließt sich die Wahl der Darstellung. 

    Durch ihre Präsenz, ihre schauspielerische Könnerschaft gelingt es Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer, ihre Figuren mit Leben zu füllen. Vianne wird gezeichnet in ihrer verschwenderischen Liebenswürdigkeit, ihrer Gabe, die Herzen der Menschen aufzuschließen, zu wissen, was sie brauchen an Zuhören, an Zuwendung, an Offenheit, ja und auch an sprühender Lebensfreude. Die Schokolade wird dafür zum Sinnbild. 

    Herrlich auch Krassnitzer in der Rolle des jungen Pfarrers, der sich selbst im Weg steht, der den Moralisten gibt, in den sich, als es zum Ausbruch der Gewalt gegen die Fremden kommt, dann doch leise Zweifel ins Herz schleichen, ob er auf dem richtigen Weg ist. Eine Glanznummer am Ende, als Krassnitzer als Pfarrer seine Tragik beschreibt, wie er in der Frühe des Ostermorgens den Verführungen der Schokolade im Schaufenster kläglich erlegen ist. Herzlicher Beifall im ziemlich gut besetzten Saal.

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