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Foto: Jan-Pieter Fuhr
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Staatstheater-Intendant André Bücker, Musiktheater-Dramaturgin Sophie Walz und Operndirektor Daniel Herzog bei der Pressekonferenz in der Brechtbühne.

Staatstheater Augsburg
02.05.2023

Spielzeit 2023/24: Endlich darf die große Oper wieder auftrumpfen

Von Stefan Dosch

In der Brechtbühne stellen Intendant André Bücker und sein Team ein üppiges Programm für die nächste Saison vor. Die größte Überraschung kommt aus der Sparte Musiktheater.

Es gab einmal eine Zeit, da war die Vorstellung eines neuen Spielplans am ehemals städtischen und inzwischen staatlichen Theater Augsburg eine übersichtliche Veranstaltung: Präsentation dessen, was die Sparten Musiktheater, Schauspiel, Ballett auf die Bühne bringen, dazu noch das Konzertprogramm des Orchesters. Lang, lang her. Das Spielzeitangebot ist mittlerweile gewachsen, und wie. Das digitale Theater gilt am Staatstheater nun schon seit einigen Jahren offiziell als Sparte Nummer fünf; und inzwischen nehmen auch die Angebote der Theatervermittlung und der Inklusionsbemühungen locker Spartenumfang ein. Wer das bei der Vorstellung des Programms für die Spielzeit 2023/24 in der Brechtbühne an einem Stück mitverfolgt, dem klingeln hernach jedenfalls die Ohren ob der schieren Menge.

Letztlich aber docken viele der Vermittlungs- und Teilhabeprojekte an dem an, was auf der Bühne geboten ist, sind zudem etliche Inszenierungen der kommenden Spielzeit als hybride Veranstaltungen konzipiert, in denen mehrere Sparten zusammenkommen. Womit man also doch rasch wieder anlangt bei der Frage: Was hat das Staatstheater Augsburg denn nun zu bieten in der Saison 2023/24?

Intendant André Bücker verkündet Abkehr von der reinen Nur-Musical-Devise

Mit der größten Überraschung wartet zweifellos das Musiktheater auf. Denn auf der Freilichtbühne am Roten Tor wird im Sommer kommenden Jahres nach langer Durststrecke erstmals wieder große Oper zu hören sein. Intendant André Bücker bekundet die implizite Abkehr von der reinen Nur-Musical-am-Roten-Tor-Devise (mit der noch seine Vorgängerin Juliane Votteler begonnen hatte) mit der Lust des Augsburger Opern-Ensembles auf groß besetztes Musiktheater, ein Feld, welches das seit Jahren im Martinipark-Interim beheimatete Ensemble aufgrund der dortigen Beschränkungen so gar nicht bedienen kann. Nun also Puccinis "Turandot", mit großem Orchester und Chören (darunter die Augsburger Domsingknaben), wenngleich nur in einer überschaubaren Serie von Aufführungen. Bleibt zu hoffen, dass die Lust auf große Oper Lust auf ebensolche auch in künftigen Sommern macht. Zumal Musicalfreunde auch nicht darben müssen dank "Sister Act".

Aber auch unterm Martini-Dach hat die von Daniel Herzog geleitete Musiktheater-Sparte Interessantes zu bieten. Eröffnet wird die Spielzeit mit Tschaikowskys "Eugen Onegin" in einer Inszenierung von Roland Schwab, der in Augsburg schon mehrfach inszenierte und vergangenen Sommer bei den Bayreuther Festspielen kurzfristig Wagners "Tristan" stemmte. In Donizettis "Lucia di Lammermoor" wird Olena Sloia die Titelpartie übernehmen. Mit Händels "Xerxes" ist das Barockzeitalter vertreten, die Moderne mit Strawinskys "The Rakes Progress".

Armin Petras inszeniert "Meister und Margarita"

Die Sparte Schauspiel, geleitet von Sabeth Braun, David Ortmann und Nicole Schneiderbauer, bietet am 15. September die erste Premiere des Staatstheaters Augsburg in der neuen Spielzeit auf mit dem Musical "Hedwig and the Angry Inch". Relativ zahlreich sind 2023/24 die Titel von Klassikern, wobei es sich bei Bulgakows "Meister und Margarita" um eine Romanadaption handelt, für deren Inszenierung erneut Armin Petras gewonnen werden konnte. Auch "Frankenstein" basiert auf einem Roman (von Mary Shelley), wohingegen Shakespeares "Romeo und Julia" ebenso ein Stückeklassiker ist wie Molières "Menschenfeind" (Intendant Bücker wird selbst eine deutsche Reimfassung des französischen Originals inszenieren) und Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", zu sehen zum Brechtfestival im Februar. Eine Uraufführung bringt "Die gefährlichste Frau Amerikas" (Arbeitstitel), ein Stück von Tine Rahel Völcker, das der US-amerikanischen Aktivistin Emma Goldman gewidmet ist.

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Ballettdirektor Ricardo Fernando eröffnet die Saison mit einer selbst choreografierten Hommage an Charlie Chaplin, gefolgt von einem Kammerballett von Mauro Astolfi ("Supermodified") in der Brechtbühne. Auf der Bühne im Martinipark sind auch in der neuen Spielzeit wieder die Internationale Ballett- und Tanzgala sowie die dreiteiligen "Dimensions of Dance" zu sehen. Aus dem sinfonischen Konzertprogramm der Augsburger Philharmoniker darf diesmal ein Schlagzeuger besondere Aufmerksamkeit beanspruchen: Alexej Gerassimez ist 2023/24 Artist in residence des Orchesters und stellt seine Fertigkeit unter anderem in zwei Sinfoniekonzerten vor. Generalmusikdirektor Domonkos Héja ist darüber hinaus das umfangreiche Angebot der Philharmoniker für den Hörernachwuchs wichtig – nicht nur für die Jüngeren, sondern mit den neu belebten "Krabbelkonzerten" auch für die jüngsten zwischen null und drei Jahren. 

Die Leitung ist sieben Jahre konstant geblieben

Die Sparte Digitaltheater unter der rührigen Tina Lorenz beteiligt sich in vielfältiger Weise an den schon erwähnten hybriden Produktionen, am "Menschenfeind" ebenso wie an der Kammeroper "C:/>title Labyrinth" im Kühlergebäude, wartet aber auch mit Eigenem auf, etwa einer "Gamifizierung" von Brecht zum nächsten Brechtfestival. 

Es ist der siebte Spielplan, den André Bücker und seine Leitungsmannschaft – in all den Jahren konstant geblieben, wie der Intendant betonte – in der Brechtbühne vorstellten. Und auch, wenn Corona seinen Schrecken inzwischen eingebüßt hat und stattdessen neue Schrecken wie die russische Kriegslüsternheit und deren Folgen auch dem Theater, seinen Programmen und Diskursen ihren Stempel aufdrücken ("Zwischen-Menschen" lautet vieldeutig das neue Spielzeitmotto) – eines scheint doch gleich zu bleiben bei den Spielplanvorstellungen Bückers: Dass man eben nicht im angestammten, in Sanierung befindlichen Großen Haus spielen kann, sondern halt nur auf einer Ausweichbühne. Nicht immer leicht für das komplette Augsburger Ensemble, das lässt Bücker, elegant formuliert, aber doch deutlich hörbar, zwischen den Zeilen fallen. Vom aktuellen Standpunkt aus gesehen rechnet der Intendant mit der Wiedereröffnung des Hauses am Kennedyplatz für Herbst 2029. Aber, brummelt Bücker sarkastisch-amüsiert, ob man das noch erleben werde …

Digitaltheater-Leiterin Tina Lorenz war im Rahmen des Rocketeer-Festivals zu Gast in einer Live-Folge unseres Podcasts "Augsburg, meine Stadt". Die Folge gibt es hier:

Augsburg-Podcast

Live-Podcast: Wie sieht das Theater der Zukunft aus, Tina Lorenz?

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