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Schwäbisches Jugendorchester begeistert mit "Utopie" in Augsburg

Kongress am Park

Von Trauer zu Tanz: Schwäbisches Jugendsinfonieorchester glänzt im Augsburger Herbstkonzert

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    Im Rahmen der Herbstkonzerte des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters wurde auch das Auftragswerk „Dust“ des Komponisten Patrick T. Schäfer uraufgeführt.
    Im Rahmen der Herbstkonzerte des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters wurde auch das Auftragswerk „Dust“ des Komponisten Patrick T. Schäfer uraufgeführt. Foto: Peter Fastl

    Ein kontrastreicheres Programm ist kaum vorstellbar als das jüngste des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters (SJSO): „Utopie“ ist es betitelt, in der herbstlichen Arbeitsphase entwickelt. Unter der Leitung von Carolin Nordmeyer wurde es jetzt im Kongress am Park vom Publikum gefeiert. In der Konzert- und Komponisten-Szene, bei Interpreten und Publikum ist die Aussage „ein Werk vom Archiv-Staub befreien“ positiv besetzt. Beim „Utopie“-Programm spielt „Staub“ eine doppelbödige Rolle: im Werk „Dust“, einem „Konzert für Orchester“ des jungen Komponisten Patrick Schäfer. Es wurde eingerahmt von zwei Kompositionen, die wiederum unterschiedlicher nicht sein können, nämlich ein Concertino von Jan Koetsier, zum Schluss Tschaikowskys 5. Sinfonie.

    Patrick Schäfer komponiert ein „ökologisches Requiem“

    Patrick Schäfer, 31-jähriger gebürtiger Augsburger, trat 2017 erstmals in der Anna-Kirche mit seiner Friedensoper „Letzte Nacht“ in Erscheinung. Carolin Nordmeyer und die Augsburger Philharmoniker brachten das Werk zur Uraufführung. Die feinen, ungewöhnlichen Klangfarben der Partitur sorgten für einen großen Erfolg. Schon bald stellten sich Preise und Auszeichnungen ein, vom Augsburger Kunstförderpreis, dem Förderpreis des Bezirks bis hin zum Kompositionspreis 2023 des Deutschlandfunks – überregionales Renommee ist längst erreicht. 2022 hatte der Förderverein des SJSO ein neues Werk bei Schäfer in Auftrag gegeben, eine Arbeit, die, wie es heißt, das Jahresmotto des Bezirks Schwaben, „Nachhaltig. Zukunft. Sichern“ als „ökologisches Requiem“ auf eigene Weise zum Thema macht. Die Vorgabe berührt zwei Aspekte: „Staub“ eher als Schmutz und Umweltzerstörer zu benennen, konkrete Umweltpolitik ins Auge fassen – und der zweite Gesichtspunkt ist der musikalische. Also: Wie „klingt“ Staub, welche Möglichkeiten hat dazu ein Orchester, eine Instrumentalpalette?

    Die Partitur ist neben der klassisch-modernen Ausstattung (Streicher, Bläser, Harfen, Schlaginstrumente aller Arten vom Pauke bis Schellen, Holzblocks, Triangel bis Trommel aller Art) mit jeder Menge Geräusche-Erzeugern wie große und kleine Windmaschinen, Glocken, Rasseln, Peitschenknall bestückt. Da darf auch an Richard Strauss (Alpensinfonie) gedacht werden. Die Streicher haben Spieltechniken wie Flageoletts, Glissandi, Tremoli, Dämpfer zur Verfügung, wie sie auch Bläser liefern können. Dem menschlichen Ohr sind dabei kalkulierte Assoziationen freigegeben – vom bedrängten Atemgefühl, über Erschrecken, wenn harte gezackte Klänge einfahren, bis zum schon eher geheimnisvollen Schleier.

    Das SJSO erweckt Schäfers Werk „Dust“ zum Leben

    Dabei wird von Schäfer auch die transzendente Ebene eröffnet. Der Gedanke an den Tod, der auch Erlösung sein kann, kommt auf. Vom fast lautlos raschelnden Pianissimo des Wehens, einer sanft bewegten Sanddüne, die scharfe Felssplitter freizulegen scheint, über jäh auftauchende klare Akkorde, bis zum fein glänzenden Vibrafon – all dies mutiert über den von Nordmeyer und dem großartig reagierenden Orchester präzis getimten Bewegungsmustern. Wahrlich konkreter, verdienter Beifallssturm für den Komponisten und die Interpreten. 

    Überaus freundlich, ohne jegliche Eintrübung wurde das Publikum indes musikalisch empfangen – auch von einer zeitgenössischen Rarität. Das Concertino für Posaunenquartett und Streicher von Jan Koetsier (1911 bis 2006) ist ein ungemein charmantes dreisätziges, durchwegs tänzerisches musikalisches Praliné des Holländers, lange Zeit Dirigier-Legende beim BR. Koetsier hat die Blechbläser vor allem ins Herz geschlossen. Zwischen duftigem rhythmischen Witz, wippender Swing-Pose und allerlei bläsertechnischen Tricks und Gebärden lieferte das Ensemble TROMtus köstliches Hörvergnügen.

    Schwäbisches Jugendsinfoniorchester spielt Tschaikowsky

    Lange war Peter Tschaikowsky unsicher über die Qualität seiner 5. Sinfonie in e-Moll. Doch die sich immer mehr einstellenden positiven Reaktionen nahm er schließlich dann doch auf. Die Sinfonie ist längst ein unverzichtbarer Repertoire-Hit, genannt Schicksals-Sinfonie wie Beethovens „Fünfte“, der sie nicht unähnlich ist. Das erst düster punktierte Thema durchläuft alle vier Sätze, mal brachial einbrechend, schwarz melancholisch brütend, dann einfach munter sich wiegend im Walzer, und wird schließlich im Finale bombastisch im lichten E-Dur zu Ende geführt. Was das Schwäbische Jugendsinfonieorchester unter Carolin Nordmeyer hier an präzis gesteuerter Kraft, Transparenz auch im dichten dramatischen Geschehen und tollen virtuosen Spuk-Momenten (Trio des Walzers!) realisierte, war begeisternd. Der Saal feierte die Jugend.  

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