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Sagenhaft, das erste Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker in dieser Saison

Augsburger Philharmoniker

Flinke Finger, flatternde Zungen beim ersten Philharmoniker-Konzert

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    Solistin des Akkordeonkonzerts von Václav Trojan: Olivia Steimel.
    Solistin des Akkordeonkonzerts von Václav Trojan: Olivia Steimel. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Aufgeweckter, drängender, tatendurstiger kann man wohl nicht in eine neue Konzertsaison starten: Von Engelbert Humperdincks Konzertouvertüre „Königskinder“ ist die Rede, mit der Generalmusikdirektor Domonkos Héja und seine Augsburger Philharmoniker das erste Sinfoniekonzert der Spielzeit 2024/25 im Kongress am Park eröffneten. Aufjubelnde Hörner, zackiges Geigen-Getürm, quirlige Holzbläser-Ausgelassenheit, alles zusammen sich rasch verdichtend zu einem kraftvoll-kompakten Klanggefüge, womit der Komponist Humperdinck seinem Vorbild Wagner so recht nacheifert: Dass dieses Gewebe sich überlagernder Stimmverläufe nicht zum undifferenzierten Gewimmel wird, dass die zentralen Strukturen immer auszumachen sind, macht nicht zum Geringsten das Hörvergnügen dieser Ouvertüre aus und verdankt sich wesentlich der Dispositionskunst Héjas, der hier dämpft und dort befeuert, die instrumentalen Register in der Waage hält, dem fulminanten Stück gleichwohl stets den schäumenden Lauf belässt.

    Ja, Märchenhaftes, wie es das Motto dieses Konzertes („Sagenhaft“) verhieß, kann eben auch mit solcher Schussfahrt daherkommen wie die aus der gleichnamigen (Märchen-)Oper „Königskinder“ kompilierte Ouvertüre – kann aber auch verträumter, versponnener, tendenziell kindhafter sich geben. So wie das 1959 entstandene Konzert für Akkordeon und Orchester des Tschechen Václav Trojan, „Pohádky“ (Märchen) betitelt und bestehend aus sieben Miniaturen, die der Komponist ursprünglich für einen Puppenfilm verwendete. Das Orchester ist reduziert, die Blechbläser bis auf eine Trompete verschwunden, das Stück entsprechend nahe an der Spielmusik angesiedelt.

    Olivia Steimel ist die ideale Interpretin dieses Konzerts

    Insofern kann man sich eine besser geeignete Solistin als Olivia Steimel gar nicht vorstellen, so leichtfingrig sie sich auf den Tasten und Knöpfen ihres Instruments durch die solistischen Passagen der wundersamen kleinen Suite bewegt. Nicht nur in den langsamen Teilen gleichen ihre stets ungemein beredten Einwürfe mehr einem zarten Bestäuben des Orchesterklangs als einem prätentiös-solistischen Hier-bin-Ich. Auch in raschen Abschnitten, wenn die Finger nur so über die Manuale fliegen, zelebriert Steimel die Kunst des Leisen und der unendlichen Stufungen, selbst dann, wenn die Töne aus dem Tiefinneren des Akkordeon-Balgs herauf knarzen. Eine für die breitere Hörerschaft wundersame Entdeckung, dieses Trojan-Konzert, das in Olivia Steimel eine fantastische Interpretin hat, auf deren weitere Beiträge als Artist-in in Residence man gespannt sein darf, was auch die Zugabe – Steimel trägt eine Sonate von Domenico Scarlatti vor – zusätzlich unterstreicht.

    Domonkos Héja und das Orchester wollen in der neuen Spielzeit aber nicht nur die Gastsolistin, sondern auch die solistischen Fähigkeiten der eigenen Reihen in den Vordergrund stellen, und wenige andere Stücke dürften hierfür bessere Eignung besitzen als Richard Strauss’ Orchestervariationen „Don Quixote“. Und das keineswegs nur, weil das Stück ein ausgewachsenes Cellokonzert in sich enthält. Durch die geradezu exzessiven Stimmteilungen der Partitur ist quasi ein jeder Orchestermusiker auch im Einzelvortrag gefordert: in Summe tönende Leistungsschau eines jeden ausführenden Orchesters.

    Do Quixote schmachtet und stürmt gleich wieder los

    Héja lässt es langsam angehen, zeigt den Don Quixote erst einmal versunken in seinen Ritter-Gespinsten, deren „falsche Schlüsse“ mit Süffisanz offengelegt werden, ohne den Helden gleich grell zu düpieren. Auch Julien Chappot, 1. Solocellist der Philharmoniker, kehrt in seinem solistischen Porträt das Versponnen-Schmachtende des Ritters von der traurigen Gestalt in den Vordergrund – höchst beredt auch in den „Herzensergüssen“ der fünften Variation –, zeigt im weiteren Verlauf aber auch, dass Quixote so ungestüm wie kopflos vorwärtsstürmen kann. Was Wunder, dass Solo-Bratschist Christian Döring ein ums andere Mal kleinintervallig-gallig Kontra gibt.

    Héja, ein Freund üppiger Orchesterszenerie, lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, in den einzelnen Variationen ein Potpourri verschiedenster Gemüts- und Ereigniszustände zu entfachen und für eine farbenfrohe, immer kohärente Orchestererzählung zu sorgen. Und die Philharmoniker selbst schillern in den erdenklichsten Klangfarben (die Flatterzungen-Schafherde!), schwingen sich mittels Windmaschine auf zum reißenden Gebraus, schwelgen in echt Straussschen Fis-Dur-Herrlichkeiten. Sagenhaft? Fabelhaft!

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