In den ersten paar Sekunden ihrer soeben erschienenen Debüt-Single „Still“ hört man Lilli Schmid einfach vor sich hin singen. Nur für sich, als wäre sie alleine zu Hause. So wie sie es schon immer gemacht hat, seit sie ein Kind war. Es ist ein Moment, der erahnen lässt, welch glockenhelles Timbre gleich im Song erstrahlen wird. Und es ist ein Moment, in dem man kurz zweifelt, ob es sich schickt, so genau hinzuhören, so intim wirkt er. Und fürwahr hat Lilli Schmid „vorher nie darüber nachgedacht, dass das mal ein Publikum hören könnte. Es ist so persönlich, so direkt. Ich habe schon von Anfang an selber Sachen geschrieben, aber immer nur für mich, weil ich hatte nicht die Kapazitäten darüber nachzudenken, das ernsthaft zu machen“.
Doch nun ist es so weit, dass sie unter dem Namen Roshko ihre Musik mit der Welt teilt und ihr die Türe zu ihrer Gedanken- und Gefühlswelt öffnet. Dass das kein einfacher Schritt ist, kann sich wohl jeder Mensch vorstellen, der noch nicht seine Tagebucheinträge an einem Samstagnachmittag über den vollen Rathausplatz gebrüllt hat. Der Augsburger Komponist und Pianist Tom Jahn „spielt eine Riesenrolle dabei“, dass ihr erster Song nun auf allen erdenklichen Streamingplattformen zu finden ist. Nach einer eher zufälligen Begegnung schickte ihm Lilli Schmid ein paar ihrer Stücke. „Tom sagte dann: Das musst du machen! Genau das habe ich gebraucht“. Der Weg einer in einem privaten Moment geschriebenen Songskizze zu einer großartig produzierten Debüt-Single zeigt, wie wichtig eine gut vernetzte, vielfältige Szene für eine Stadt ist und wie glücklich sich die Stadt Augsburg über den Zustand ihrer musikalischen Subkultur schätzen kann.
Vor einem Jahr gab Roshko ihr Livedebüt in Tom Jahns Probenraum
Im September letzten Jahres gab Schmid alias Roshko bei einem privaten Konzert im Proberaum Jahns ihr Livedebüt, im April dieses Jahres dann stand sie auf Einladung von Girisha Fernando mit frisch arrangierten Versionen ihrer Stücke zusammen mit Teilen der Augsburger Philharmoniker bei „brecht un/plugged“ auf der Bühne, auf Kamera gebannt von Bruno Tenschert. Der wiederum nahm mit Roshko drei Stücke akustisch als Wohnzimmer-Session auf, was Tenscherts Bandkollege, Schlagzeuger und Produzent Maximilian Wörle, hörte und unbedingt „Still“ in seinem Studio ausproduzieren wollte. Die Zusammenarbeit in Wörles Studio an der Konrad-Adenauer-Allee bezeichnet Tom Jahn als „a match made in heaven“, und tatsächlich wohnt dem Stück die Magie inne, die entsteht, wenn sich zwei Personen künstlerisch sofort verstehen, ohne große Worte verlieren zu müssen. „Die Arbeit mit Maxi war so inspirierend, wir haben angefangen, und es hat sofort gepasst“, erzählt Schmid. „Alles hat sich einfach so ergeben. Die Struktur des Songs war fertig und hat sich auch nicht verändert, aber der ganze Charakter hat sich gedreht. Ich hatte am Anfang so einen R'n'B-Trompetensound im Kopf, dann haben wir aber angefangen, mit Synthies herumzuspielen und es war, als hätte der Song selbst uns seinen Charakter gezeigt.“
Und dieser Charakter berührt sofort. Roshkos Stimme steht, nur getragen von sparsam gesetzten Rhodes-Akkorden, in einem trocken und warm klingenden Raum, bevor sich nach einer wie eine Ewigkeit wirkende Sekunde absoluter Stille der Refrain in die Höhe schraubt. Eine dezente Bassline, einen reduzierten Beat und einen kleinen Chor mit sich selbst, viel mehr braucht es nicht, um die Melodie in ihrer vollen Schönheit strahlen zu lassen. Maximilian Wörle hat genau verstanden, dass Roshkos Musik vor allem durch Reduktion ihre Qualität zeigt. Viele Hits in den großen Spotify-Playlisten dieser Welt stünden sehr unspektakulär da, entschlackte man sie von den ewig gleich klingenden Stadionsounds und Streicherwänden aus der Plug-In-Konserve.
Nun steht Roshkos Leidenschaft im Zentrum
Bei Roshko ist es genau anders herum. Und auch, „wenn es vorkommt, dass ich zwei Jahre über einem Song brüte, ,Still‘ hat sich von selbst geschrieben. Ich habe mich hingesetzt, und es ist in 20 Minuten aus mir rausgeflossen. Es geht um den Kampf, den man führt, wenn man weiß, man hätte eigentlich eine Aufgabe, eine Leidenschaft, man wollte eigentlich singen, aber man ist besetzt mit Gedanken an jemanden.“ Und die Sängerin fügt hinzu: „Ich fand das so frustrierend, von einem Mann gedanklich so eingenommen zu sein, dass man nicht in die Leidenschaft tauchen kann, weil die Energie in etwas anderes geht, weil man verstummt.“ Doch nun steht ihre Leidenschaft im Zentrum, nun löst sie sich aus dieser Stummheit und schickt „Still“ hinaus in die Welt.
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