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Schließt das Spectrum in Augsburg? Stars wie Doro äußern sich

Rock in Augsburg

Die Luftgitarre stirbt aus: Was Augsburg verliert, wenn das Spectrum schließt

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    Doro Pesch zählt zu den Stars, die es immer genossen haben, im Spectrum zu rocken: "So viel Leidenschaft, Power und Enthusiasmus vom Publikum hab ich selten gesehen."
    Doro Pesch zählt zu den Stars, die es immer genossen haben, im Spectrum zu rocken: "So viel Leidenschaft, Power und Enthusiasmus vom Publikum hab ich selten gesehen." Foto: Wolfgang Diekamp (Archivbild)

    Ein Leben ohne das Spectrum ist möglich, aber sinnlos. Die Augsburger Location soll in sieben bis zehn Jahren von der Bildfläche verschwinden und irgendwann sollen auf dem Areal an der Ecke Ulmer und Neusäßer Straße Wohnungen entstehen. Das ist jedenfalls der Plan. Es wäre das langsame Aussterben der Luftgitarre. Für Liebhaber des Klubs heute schon eine mittlere Katastrophe. 

    Wenn Bands wie Uriah Heep und Nazareth auftreten, brummt das Spectrum

    Meine erste persönliche Erinnerung an das Lokal bezieht sich schon auf die früheren 1960er-Jahre. Damals gastierte der Theaterverein "Unter Uns" noch im Spectrum, das allerdings zu diesen Zeiten schlicht und einfach als TSV-Turnhalle (Kriegshaber) bezeichnet wurde. Der Nachkriegsmief war an allen Ecken und Enden zu spüren. Längliche Tischreihen, dekoriert mit weißen Decken, und natürlich durfte auch das Blumengebinde nicht fehlen. Die übervollen Aschenbecher machten das Ambiente auch nicht schöner. Aber – und das war das Wichtigste – die Leute hatten damals schon ihren Spaß. Und mein Vater, der eine Statistenrolle als Polizist in einer Komödie bekam, war stolz wie Oskar. Doch dann damals wie heute: die Zeitenwende. Dafür sorgten in Augsburg die vielen Amerikaner. In der Hochphase des Kalten Krieges waren bis zu 30.000 Amerikaner in der Stadt stationiert. Die US-Präsenz der Soldaten wirkte sich vor allem auf das Nachtleben aus. Aus der Theater-Spielstätte wurde der "Silver Dollar". Ein waschechter Country-Club in Zeiten von John Wayne oder Bonanza.

    Das Spectrum in seiner heutigen Form gibt es seit 1991, damals noch unter der Führung von Werner Herbst und Peter Kreissl. Seit 1997 sitzen jetzt Ufuk Aykut und sein Partner Michael Klein am Ruder. Seither ist das Lokal, das auch aussieht, als ob es aus der Zeit gefallen ist, ein Biotop vorwiegend für Rockfans. Liegt natürlich auch an den Konzerten und dem Publikum. Da sind Frauen und Männer Gäste, die man aus früheren Rockschuppen, wie dem ehemaligen Big Apple, dem legendären ICE-Club, dem Clichy, dem Clochard oder dem Pflop zu kennen scheint. Für manche Konzertgänger ist das Spectrum immer wieder eine Reise in die Vergangenheit. Wenn hier Manfred Manns Earth Band, The Sweet, Uriah Heep, Saga, Nazareth oder Mungo Jerry auftreten, dann brummt der Laden. America waren hier und The Temptations fast in Originalbesetzung. Das Spectrum wird dann zum Treffpunkt für Alt-Hippies, für Alt-Rocker, denen langsam die Haare ausgehen, und auch für jene, die vor 50 Jahren ihren ersten Joint geraucht haben. 

    Doro Pesch erinnert sich an fantastische Konzerte im Augsburger Spectrum

    Man kennt sich, man trifft sich. Ein friedliches Treffen – Randale oder Schlägereien gibt es hier nicht. Die Partys laufen unter dem Motto "Give Peace a Chance". Immer noch legendär: der Auftritt des bereits verstorbenen Bluesgitarristen Johnny Winter, der zu diesem Zeitpunkt kaum mehr laufen konnte und mit dem Rollstuhl auf die Bühne kam. Ich als alter Wolfgang-Ambros-Fan war natürlich fasziniert, als das "Wolferl" 2013 den Weg nach Augsburg gefunden hat. Hat auch nichts ausgemacht, dass der Österreicher zwei Tage nach seinem Geburtstag noch etwas von "a paar Stamperl" angesäuselt war. 

    Bombenstimmung herrschte beim Eisbrecher-Weihnachtssingen im Spectrum. Frontmann Alexander „Alexx“ Wesselsky sagt: "Ich liebe den Laden und ich brauche seine Bühne und ich werde dafür kämpfen, dass er bleibt, wo er ist."
    Bombenstimmung herrschte beim Eisbrecher-Weihnachtssingen im Spectrum. Frontmann Alexander „Alexx“ Wesselsky sagt: "Ich liebe den Laden und ich brauche seine Bühne und ich werde dafür kämpfen, dass er bleibt, wo er ist." Foto: Eric Zwang-Eriksson (Archivbild)

    Aber auch Bands, die nach den 1980er- oder 1990er-Jahren gegründet wurden, haben da eine Heimat gefunden. Wie die Hamburger Formation Ohrenfeindt, die Münchner Bands Eisbrecher, Megaherz oder die Metal-Queen Doro Pesch. Obwohl für diese Künstler das Spectrum teilweise viel zu klein ist, haben auch die einen Heidenspaß.

    Auch Chris Laut, der Sänger von Ohrenfeindt, sagt: "Das Spectrum rockt."

    Chris Laut, der Sänger von Ohrenfeindt, schwärmt: "Wir haben dort 2008 zum ersten Mal gespielt. Der Sender Rockantenne hat damals unseren Song 'Rock 'n' Roll Sexgott' rauf und runter gespielt. Plötzlich waren wir eine Hausnummer in Bayern und das Spectrum war bis zum Anschlag voll. Diesen Abend werden wir nie vergessen. Volle Hütte, unter der Führung von Ufuk ein tolles Team im Haus, eine schweißtreibende Show, Adrenalin und Glückshormone satt und vor allem tolle und herzliche Gäste. Das Spectrum rockt." 

    Megaherz-Frontmann Alexander Wohnhaas, der in Augsburg lebt, fände eine Schließung mehr als schade: "Das Spectrum ist nicht nur ein cooler Laden, um am Samstag Party zu machen. Es wäre ein wirklicher Verlust für die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt. Ich habe mit meiner Band schon mehrere schöne Konzerte dort gegeben und für Rock oder Gothic ist das eine der besten Bühnen Augsburgs, die verloren gehen würde." 

    Der Sänger von Eisbrecher will gegen die Schließung des Spectrum kämpfen

    Alex Wesselsky, der Augsburger Sänger von Eisbrecher, dessen Band bereits mit zwei Goldenen Schallplatten ausgezeichnet wurde, hätte kein Verständnis, wenn das Spectrum schließt: "Ich liebe den Laden und ich brauche seine Bühne und ich werde dafür kämpfen, dass er bleibt, wo er ist. Die Brecht-Stadt ist an Alternativ-Kulturstätten arm genug. Augsburg darf nicht zur Totalwüste werden und alles, was wild und Rock 'n' Roll ist, der verwöhnten Landeshauptstadt München überlassen." Er geht auch als Gast gern ins Spectrum: "Unter anderem habe ich dort Midge Ure, Saga, Udo Dirkschneider oder die Pretty Maids gesehen." 

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    Wo kann man mit Ü50 in Augsburg abends noch ausgehen? Unser Fotograf war in der Tanzbar und im Spectrum unterwegs.

    Bei 650 Gästen ist das Spectrum voll, aber bei manchen Gigs hatte man schon das Gefühl, dass sich 200 mehr reingedrängt haben. Aber das Spectrum bietet neben Wochenendpartys auch viel Raum für Kabarett. Ob Silvano Tuiach und seine "Geisterfahrer", Lizzy Aumeier oder Karsten Kaie. Wer was zu bieten hat, darf auf die Bühne. 80 bis 100 Konzerte im Jahr veranstaltet Ufuk Aykut. "Seit 1997 sind das 2500 Konzerte", rechnet Aykut vor. Der 57-Jährige kommt langsam ins Rentenalter und einfach ist sein Geschäft auch nicht: "Es wird immer schwieriger, die Bands nach Augsburg zu holen, und von denen, die bei mir spielen, wird es in zehn Jahren nicht mehr viele geben." Am 23. April gibt es aber erneut ein Highlight für Altrocker: Mothers Finest – zurück in die Siebziger. Also: Auf geht's, solange es das Spectrum noch gibt. Und noch etwas: Bitte die Luftgitarre nicht vergessen.

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