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Protestantischer Friedhof: Leben wird in Vergänglichkeit sichtbar: Kunst auf einem Augsburger Friedhof

Protestantischer Friedhof

Leben wird in Vergänglichkeit sichtbar: Kunst auf einem Augsburger Friedhof

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    Was bleibt vom Leben? Fragen wie diese sprechen zeitgenössische Kunstwerke an, die derzeit auf dem Protestantischen Friedhof zu sehen sind. Pfarrer Thomas Schmeckenbecher vor Madeleine Dietz’ „Dein Schweigen“.
    Was bleibt vom Leben? Fragen wie diese sprechen zeitgenössische Kunstwerke an, die derzeit auf dem Protestantischen Friedhof zu sehen sind. Pfarrer Thomas Schmeckenbecher vor Madeleine Dietz’ „Dein Schweigen“. Foto: Thomas Fastl

    Das Gras und die Wiesenblumen haben sich dieses Kunstwerkes schon bemächtigt. Sie wachsen durch die ausgestanzten Buchstaben aus zwei Stahlplatten, die auf einer Grünfläche im Protestantischen Friedhof installiert sind. Es ist eines der Kunstwerke, die bis 30. September auf dem traditionsreichen

    Kunst-Rundgang auf dem Protestantischen Friedhof in Augsburg

    Was ist hier zu sehen? Welche Botschaft könnte den Kunstwerken innewohnen? Versuch einer Annäherung bei einem Rundgang durch den Protestantischen Friedhof mit Thomas Schmeckenbecher, Pfarrer von evangelisch St. Ulrich, und Vorsitzender der Administration des Protestantischen Friedhofs in Augsburg. Will man mit dem oben beschriebenen Kunstwerk von Madeleine Dietz beginnen, so findet es sich in einem hinteren Bereich, dort, wo es noch einige offen gelassene Wiesenstücke gibt. „Dein Schweigen“ sind diese Stahlplatten überschrieben, angelehnt an ein Gedicht von Marie-Luise Kaschnitz. Die gelaserten Buchstaben, durch die jetzt das Gras wächst, bilden zwei Wortpaare: „Meine Stimme – Dein Schweigen. Mein Gehen. Dein Ruhen.“

    Marie-Luise Kaschnitz spricht damit ihren im Jahr 1958 verstorbenen Ehemann an, mit dem sie 33 Jahre verheiratet war. Der Rost auf den Platten, das Wuchern des Grases, somit die Veränderung des Werkes durch den Lauf der Natur führen die unabänderliche Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Es geht um Liebe über den Tod hinaus, um Fragen, die nicht mehr beantwortet werden. Das kann den Menschen erschüttern, ihn anrühren. Ihn aber auch dazu anregen, sich Gedanken zu machen – auch darüber, was ihm an Hoffnung und Leben bleibt. Um Gedanken wie diese dreht sich das Gespräch mit Pfarrer Schmeckenbecher bei diesem Friedhofs-Rundgang.

    Werner Mally zeigt seine Kunst bei der Aktion "Unendlich still"

    In einem Baum, nicht weit vom Haupteingang entfernt, hängt ein meterlanges, schmales hölzernes Blatt – das Werk des Bildhauers Werner Mally. „Drehschatten“ heißt es, und es dreht sich tatsächlich, selbst bei leichtem Wind, als sei es nur ein leichtes Blatt. Es erzeugt ein Spiel von Licht und Schatten, in einer Polarität, die das Leben kennt. Man könnte es aber auch als Hinweis auf den „Windhauch“ im biblischen Buch Kohelet deuten, wo Wechsel und Dauer allen Lebens ihren Ausdruck finden in den Worten: „Er weht nach Süden, dreht nach Norden, dreht, dreht, weht der Wind.“ Diese Kunstaktion, so Pfarrer Schmeckenbecher, will in der Annäherung an die Themen Vergänglichkeit und Tod den Friedhof auch als Lebensraum sichtbar machen. „Hier sind so viele Hoffnungszeichen“, sagt Schmeckenbecher. Auch wenn es keine endgültigen Antworten auf die letzten Fragen gebe, so könne hier die Erinnerung daran geweckt werden, was das Leben wirklich ausmacht. Aus der Erinnerung, auch an die Augsburger, die im Laufe der Jahrhunderte ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, könne Hoffnung erwachsen.

    Die Kunstwerke erschließen sich nicht von selbst. Müssen sie auch nicht. Es gehört zum Wesen der Kunst, im Betrachter selbst Resonanz und Deutung zu finden. Da ist die Klanginstallation von Florian Tuercke im Vorraum der Aufbahrungshalle – ein fragiler, aus Papier und Holz gefertigter kugelförmiger Körper hängt zwischen zwei ausgespannten Metallsaiten. Ein bewegtes Brummen geht davon aus, von Elektromagneten ausgesandt und durch die Kugel als Resonanzkörper verstärkt. Es ist eine Komposition aus Natur-, Umweltlauten und Klimadaten, ein „Requiem“ auf das gefährdete Gleichgewicht unseres Planeten. Ein Stückchen weiter, in einer Grünfläche hinter dem Haupteingang, sind Stehlampen mit bunten Lampenschirmen aufgestellt, zwei stehen vor dem Eingang. Aufeinander abgestimmt leuchten mal die einen, mal die anderen auf – oder sie leuchten gar nicht. Dass hinter dieser Installation von Stefanie Unruh Morsezeichen aus Shakespeares Hamlet-Zitat „Sein oder Nichtsein“ stecken, muss man wissen.

    Was folgt nach dem Tod? Das fragt die Friedhofs-Ausstellung in Augsburg

    Wer von der Seite des Parkplatzes kommt, entdeckt ein Fenster in der Friedhofsmauer – ein Foto von Pirko Julia Schröder, groß wie ein echtes Fenster. „Wir wissen nicht, wer hinter diesem Fenster wohnt“, spricht der Pfarrer die Sehnsucht des Menschen an, wissen zu wollen, wie das wohl ist im Leben nach dem Tod. „Wird da jemand das Fenster öffnen und auf mich freundlich zugehen?“

    Begleitprogramm mit Führungen durch Pfarrer Jean-Pierre Barraud und Themengottesdienste. Nähere Infos unter: www.annahof-evangelisch.de.

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