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Foto: Jan-Pieter Fuhr, Staatstheater Augsburg
Foto: Jan-Pieter Fuhr, Staatstheater Augsburg

Das Staatstheater Augsburg hat eine neue Tatort-Folge herausgebracht. Jenny Langner (von links), Gerald Fiedler, Ute Fiedler und Patrick Rupar sind im Sheridan-Kasino zu sehen.

Premiere
02.04.2023

"Kasino Kriminal": Mit Kriminellen über Leichen gehen

Von Stefanie Schoene

Drei Schüsse, ein toter Graf. Die Premiere von "Kasino Kriminal" im verlassenen Offizierskasino der früheren Sheridan-Kaserne kann gar nicht anders als gelingen.

Das Sheridan-Kasino, eine Immobilie mit dem Charme nationalsozialistischer und amerikanischer Militärgeschichte, soll verkauft werden. Für 20 Millionen Euro. Großspurig mit Zuhälter-Schuhen und Glitzerhandy stolziert Tobias (Patrick Rupar), Mitarbeiter der Schwaben Invest GmbH, vor den 80 potenziellen Investoren im Ballsaal auf und ab. Er präsentiert das seit 25 Jahren leer stehende Objekt. Eine private Führung, nur für die Solventen, Reichen und Schönen der Stadt. Renoviert werden müsse schon, sagt er. Aber die haushohen, tiefroten Vorhänge funktionierten, die Fenster ließen sich öffnen. 

Auch ein bissl PCB müsste wegsaniert werden, damit hatten die amerikanischen Soldaten die Wände imprägniert. Gegen Spinnen und Mücken eben. Ein 1A-Objekt, verspricht er. "Atmen Sie den Raum." Seine 80 Gäste sind die Zuschauer der Premiere von "Kasino Kriminal" des Staatstheaters. Die neue Folge von "Tatort Augsburg" führt dieses Mal durch die verwinkelten Gänge des verlassenen Offizierscasinos im Sheridan-Park. "Tatort Augsburg" steht für ungewöhnliche Theater-Events, bei denen das Publikum zum Teil des Geschehens wird und den Schauspielern in die Stadtteile, den Untergrund, in Telefonzellen und verlassene Gebäude folgt.

Das Staatstheater geht ins Sheridan-Kasino

Im großen, original amerikanischen Ballsaal stört eine Journalistin (Jenny Langner) die ambitionierte Präsentation von Tobias. In Jeansmantel, den Stift im Anschlag, mischt sie sich unters Publikum, verfolgt den Schwaben-Invest-Mitarbeiter, ruft ihm bohrende Fragen hinterher. Vom "Augsburger Volksboten" sei sie. Im Keller sei eine Leiche gefunden worden. "Stimmt das, dass die Firma schmutzige Geschäfte mit dem Toten, Graf Freiherr von Lensing, getätigt hat?" Tobias verliert die Contenance, wird laut, die Glitzerfassade blättert.

Der Wagen des Vorstandvorsitzenden (Gerald Fiedler) von Schwaben Invest und seiner Medienanwältin (Ute Fiedler) fährt draußen vor den großen Fenstern vor. Er, der prollige Millionär mit Wohnsitz in Monaco. Jovial, gleichzeitig skrupellos. Sätze wie "Ich möchte nicht nur Geld verdienen, Immobilien sind meine Leidenschaft" gehen ihm störungsfrei über die Lippen. Die Anwältin ist sein Kettenhund, mit Ledermantel, überlangen Fingernägeln und intimem Wissen über seine Gegner. Die Journalistin bleibt unerschrocken, treibt die beiden vor sich her. Mitarbeiter von Schwaben Invest erhöben schwere Vorwürfe gegen die Manager. Dicke Umschläge wechselten die Besitzer, illegale Zahlungen, Konten, Schmiergelder. Mündliche Verabredungen, weltweites Investment, Gesetzlosigkeit, Geld und Gier – war der Graf darin verwickelt? Musste er deswegen sterben und hat die eiskalte Anwältin ihn erschossen?

Ein geschickter Spannungsbogen für einen komplexen Stoff

Im Lechfeldsaal drängen sich die Interessenten entlang der Wände. Durch die Fenster hört man den aufgebrachten Vorstandsvorsitzenden und die Anwältin streiten. Es geht um den Toten. Der Boss scheint ahnungslos zu sein von den Machenschaften seiner Firma. "Wer oben schwimmen will, muss Entscheidungen treffen", erklärt die Anwältin. Der Graf entpuppt sich als Halb-Nazi mit Kontakten zu Augsburger Rechtsradikalen. Musste er deswegen sterben? Als es zum Höhepunkt und Showdown kommt, will sich der per Überwachungskameras überführte Täter, verzweifelt und reuig, aus dem Fenster einer Nebenkammer des Saals stürzen. 

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Geschickt spannen Autor Felix Krakau aus Hamburg und der Regisseur des Staatstheaters Augsburg, David Ortmann, Neugier und Spannungsbogen über einen komplexen Stoff bis zum Schluss des einstündigen Stücks. Wie in den früheren "Tatorten" wechseln Bühnen, Räume und Videoeinspielungen in Schwarz-Weiß. Ein logischer, aber unruhiger Handlungsfluss, der Konzentration fordert. Der Zuschauer hat zu tun. Denn auch die Eindrücke, die das unbekannte Gebäude, das ja eine Hauptrolle spielt, hinterlässt, wollen verarbeitet werden. Doch die satirische Überzeichnung der Figuren, die Energie der Darsteller und ihrer fast schon klischeehaft kriminellen Spekulanten, die Persiflage der integren Investigativ-Journalistin, das Lokalkolorit und die spannende Suche nach dem Täter entschädigen für die Mühe. Wie in den sechs Folgen zuvor ging auch hier das innovative Theater-Konzept für die Zuschauer auf: Teil des Events sein statt im Fernseh-Sessel lümmeln.

Zwölf Aufführungen sind vorgesehen. Die nächste Vorstellung ist am 13. April, 19.30 Uhr.

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