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Porträt: Für Anna El-Khashem ist Augsburg das Sprungbrett in die Opern-Welt

Porträt

Für Anna El-Khashem ist Augsburg das Sprungbrett in die Opern-Welt

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    Ihre Karriere zeigt steil nach oben: die 26-jährige Sopranistin Anna El-Khashem.
    Ihre Karriere zeigt steil nach oben: die 26-jährige Sopranistin Anna El-Khashem. Foto: L. Savenko

    Wo schlägt man als junge Sängerin, deren Karriere steil nach oben geht und die erst unlängst den Entschluss gefasst hat, ihr festes Engagement an einem Staatsopernhaus aufzugeben und lieber als freie Künstlerin im internationalen Klassikkarussell ihr Glück zu versuchen, mit einer großen amerikanischen Agentur im Rücken und mit Auftritten zuletzt in Paris und in Zürich – wo also wählt eine wegen ihrer Gesangskunst und attraktiven Bühnenerscheinung schon jetzt gefragte Sopranistin mit russisch-libanesischen Wurzeln ihren Wohnsitz auf?

    In Augsburg.

    Für Anna El-Khashem gibt es vor allem zwei Gründe, sich für die Stadt am Lech entschieden zu haben. Einerseits, sagt die 26-Jährige, liegt Augsburg für ihre beruflichen Belange ausgesprochen günstig, an einer Autobahn, auf der es nach München und zum dortigen Flughafen ein Katzensprung ist, und mit Zugverbindungen, die auch nicht übel sind – und das alles bei Lebenshaltungskosten deutlich unter Münchner Niveau. Der zweite Grund, weshalb Anna El-Khashem seit ein paar Monaten nun Augsburg ihr Zuhause nennt, ist privater Natur, der Ehemann stammt aus Augsburg. Weil auch er von Beruf Sänger ist, Mitglied im Ensemble der Staatsoper in Stuttgart, hat natürlich auch für ihn der Standort Augsburg dieselben praktischen Vorzüge.

    Ein Weltstar weckte die Liebe zum Gesang

    Die Sängerin selbst stammt aus einer Stadt von ganz anderen Dimensionen als das vergleichsweise überschaubare Augsburg. Geboren und aufgewachsen ist Anna El-Khashem in der Millionen-Metropole Sankt Petersburg. Beide Eltern sind Ärzte, die Mutter Russin, der Vater Libanese, daher der ungewöhnliche Nachname, der klingend nicht dem Buchstaben folgt und El-Heshem ausgesprochen wird. Schon in frühen Jahren stand für Anna fest, dass sie einmal Sängerin von Beruf werden wollte, hatte sie doch zu Hause die CD einer berühmten Standesvertreterin entdeckt – nein, nicht die zum Weltstar gewordene Landsfrau mit demselben Vornamen, sondern die kaum weniger berühmte Cecilia Bartoli aus Italien. Die Eltern, voran die musikbegeisterte Mutter, unterstützten die Tochter in ihrem Wunsch, und so kam Anna über die Zwischenstufe Chorgesang ans Petersburger Konservatorium, um Gesang zu studieren.

    Im Münchner "Figaro" als Barbarina: Anna El-Khashem.
    Im Münchner "Figaro" als Barbarina: Anna El-Khashem. Foto: Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper

    Die Hälfte des Studiums war gerade vorüber, da wurde sie 2016 auch schon entdeckt. Wer da wem einen Tipp gegeben hat, weiß sie bis heute nicht, Tatsache aber war: „Ich erhielt eine Einladung nach München zum Vorsingen am Opernstudio.“ Also an der hoch renommierten Junge-Sänger-Schmiede der Bayerischen Staatsoper, auch aus Sankt Petersburger Sicht eines der führenden Opernhäuser der Welt. Anna El-Khashem kam, sang und sah sich mit einer Verpflichtung bedankt. Da sie ihr Studium nicht einfach abbrechen wollte, pendelte sie bis zu dessen Abschluss regelmäßig zwischen München und Sankt Petersburg.

    Anna El-Khashem, die ein hervorragendes Deutsch spricht, schwärmt noch heute, drei Jahre nach dem Abschied vom Nationaltheater, von ihrer Zeit am Opernstudio. „Für eine junge Sängerin ist es eine wunderbare Inspiration, wenn man zusammen mit solch großen Sängerinnen und Sängern wie in München auf der Bühne stehen darf.“ Und keineswegs nur von den Kollegen vorne, auch vom Team hinter der Bühne habe sie enorm profitiert, sagt sie. Nicht zuletzt: Am Münchner Opernstudio sang zu jener Zeit auch ein junger Bariton aus Augsburg, Johannes Kammler. Die beiden wurden ein Paar, sind inzwischen verheiratet.

    2018 gab es den Opernwelt-Nachwuchspreis

    Umgeben von künstlerischer Weltklasse, führt das Opernstudio junge Sängerinnen und Sänger in kleineren und mittleren Rollen heran an die großen Herausforderungen des Berufs. Anna El-Khashem beeindruckte mit ihrer sicher und homogen geführten, dabei immer warm schimmernden Sopranstimme unter anderem bei Mozart (Barbarina im „Figaro“), Puccini (Genovieffa in „Suor Angelica“) und Mussorgski (Xenia, „Boris Godunow“). Für ihre Titelpartie in der Werkstatt-Produktion „Zeig mir deine Wunder“ (nach Rimski-Korsakows „Schneeglöckchen“) gab es 2018 dann auch den Nachwuchspreis der Zeitschrift Opernwelt.

    Jung, stimmlich leuchtend und obendrein attraktiv, wurde der Betrieb schnell auf sie aufmerksam und lockte mit vielversprechenden Angeboten. Anna El-Khashem aber war klug genug (und wohl auch gut beraten), vor dem nächsten ganz großen Schritt ins Operngeschäft sich lieber noch einige Zeit in einer etwas komfortableren Zone weiter auszuprobieren. 2019 ging sie ans Hessische Staatstheater Wiesbaden ins Ensemble und wurde dort mit anspruchsvolleren Partien betraut. Kaum angekommen, kam auch schon die Pandemie mit all ihren geschlossenen Türen und stückweisen Wiederöffnungen. „Ein komisches Gefühl, wenn man vor einem Saal mit großen Lücken im Publikum auftritt, wo unter normalen Umständen ein volles Haus zu sehen ist“, erinnert sich die Sopranistin an erste Vorstellungen nach dem Lockdown. „Aber wir waren froh, dass wir überhaupt wieder auftreten konnten. Und das Publikum war es ebenfalls.“

    Anna El-Khashem als Xenia in Mussorgskis "Boris Godunow".
    Anna El-Khashem als Xenia in Mussorgskis "Boris Godunow". Foto: Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper

    Auch wenn ihr für 2020 geplantes Salzburger Festspiel-Debüt (als Xenia in „Boris Godunow“) Corona-bedingt ins Wasser fiel, wird die Gewinnerin des hoch angesehenen „Neue Stimmen“-Wettbewerbs (Gütersloh 2019) inzwischen international von bedeutenden Opernhäusern gebucht. In Paris sang sie an der Opéra Garnier die Mozart-Partien der Servilia („Titus“) und Susanna („Figaro“), an der

    Durch die Verwerfungen, die der russische Überfall auf die Ukraine nicht zuletzt für Musiker russischer Herkunft mit sich bringt, will sich die 26-Jährige nicht von ihren künstlerischen Überzeugungen abbringen lassen. Der Krieg sei schrecklich, das stehe außer Frage. „Ich bin deshalb froh, dass die Musik uns Künstlern, egal, woher wir stammen, die Möglichkeit gibt, gemeinsam und friedlich auf der Bühne unserer Arbeit nachzugehen.“

    "Nüchterne Selbsteinschätzung" lautet ihr Motto als Sängerin

    Als Sängerin will sich Anna El- Khashem nicht unter Druck setzen (lassen), wohin ihre Stimme sich entwickeln wird. „Ich habe keinen Plan“, sagt die Sopranistin, gewiss im Bewusstsein, dass jeglicher Erfolgszwang letztlich kontraproduktiv sein würde. „Alles, was man planen kann, ist die Arbeit an der eigenen Qualität.“ Ihr künstlerisches Credo lautet „nüchterne Selbsteinschätzung“ und „auf der Bühne ehrlich zu sein“, ganz so wie ihr Vorbild aus frühen Tagen, Cecilia Bartoli, deren künstlerische Integrität sie nach wie vor rühmt.

    Natürlich will sich die junge Sopranistin weiterhin ausprobieren, in verschiedensten Partien, Stilen, Epochen, auch im Barockgesang. Und ihre Fähigkeiten immer wieder an Mozart erproben, so wie in Kürze an ihrem neuen Wohnort Augsburg. Wilhelm F. Walz konnte Anna El-Khashem für einen Auftritt zusammen mit den Bad Reichenhaller Philharmonikern gewinnen. Ein reines Mozart-Programm, in dem zwischen Sinfonischem die Konzertarien „Misera, dove son“ und „Voi avete un cor fedel“ erklingen. Die Sopranistin freut sich: „Diese Arien sind nichts anderes als Mozart-Konzerte für die Stimme.“

    Mozart-Gala Im Kleinen Goldenen Saal am Sonntag, 1. Mai, um 19.30 Uhr. Das Programm sieht neben den Konzertarien die „Don Giovanni“-Ouvertüre sowie die „Pariser“ und die „Prager Sinfonie“ vor. Kartenvorverkauf im Fronhof-Konzertbüro sowie bei der AZ.

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