Als Freund der klassischen Musik wird man sich keine allzu große Blöße geben mit dem Bekenntnis, Werken von Joseph Jongen noch nie begegnet zu sein. Anders mag das sein unter Liebhabern von Orgelmusik und natürlich unter Organisten selbst, hier ist der Name des belgischen Komponisten geläufiger. Auch für Peter Bader war Jongen (1873-1953) kein Unbekannter, als eines Tages bei ihm das Telefon klingelte und sich die Dramaturgin der Augsburger Philharmoniker meldete. Ob er, Bader, dafür zu gewinnen sei, als Solist zu agieren in der Symphonie Concertante des Belgiers? Bader, dem Kirchenmusiker an der St.-Ulrichs-Basilika in Augsburg, war nicht nur Jongen ein Begriff, sondern auch die besagte konzertante Sinfonie. Selbst gespielt jedoch hatte er deren Orgelpart noch nie, deshalb bat er auch darum, vor der Zusage erst mal einen Blick in die Noten werfen zu dürfen. "Ich wollte sehen", sagt Bader, "ob ich dem Stück gerecht werden kann". Das verlangt von ihm der eigene Anspruch.
Jongens Opus 81 ist kein Stück für den sakralen Raum, es ist für den Konzertsaal konzipiert. Großes Orchester und Konzertorgel sind hier zusammengespannt, und nicht ohne Grund trägt die Komposition die hybride Gattungsbezeichnung "konzertante Sinfonie" mit ihren vier Sätzen und einer Gesamtspieldauer von über einer halben Stunde. Die Verbindung von Sinfonieorchester und Orgel war der französischen Musikwelt seit der Spätromantik geläufiger als der deutschen, entsprechend seltener finden sich solche Orgelsinfonien im Œuvre von Komponisten diesseits des Rheins weniger häufig auch in deutschen Konzertprogrammen. Am bekanntesten ist hierzulande noch die Orgelsinfonie von Camille Saint-Saëns. "Dabei gibt es in Saint-Saëns' Orgelsinfonie merklich weniger für Orgel zu spielen als in Jongens Symphonie Concertante", weiß Bader.
Jongens Symphonie Concertante für die größte Orgel der Welt
Der Werdegang von Jongens Komposition trägt einige kuriose Züge. In Auftrag gegeben hatte das Werk ein gewisser Rodman Wanamaker. In dessen Kaufhaus-Tempel Wanamaker's in Philadelphia sollte die dort eingebaute Orgel Ende der 1920er-Jahre wieder eingeweiht werden als größte Orgel der Welt mit 374 Registern und weit über 28.000 Pfeifen – feierlich besiegelt, so der Plan, mit Jongens Orgelsinfonie und unter Mitwirkung des Philadelphia Orchestra unter Leopold Stokowski. Das Werk entstand, doch aus der US-Uraufführung wurde nichts, die Orgelsinfonie wurde in Brüssel uraufgeführt; und erst viel, viel später, 2008, dann auch am Instrument bei Wanamaker's in Philadelphia.
Peter Bader hat das Angebot der Augsburger Philharmoniker letztlich angenommen. "Wann hat man als Kirchenmusiker schon einmal Gelegenheit, ein solches Werk mit einem solchen Orchester zu spielen?" Dabei bestehen zwischen den Philharmonikern und ihm schon seit Längerem musikalische Bande, viele der Orchestermusiker kennt Bader persönlich von gemeinsam gestalteten Kirchenkonzerten. Das Orchester wiederum hat Bader wiederholt verpflichtet für Orgel-Kurzeinsätze wie bei Strauss' "Also sprach Zarathustra" oder Mahlers "Auferstehungssinfonie": den Orchesterklang rundende, aber eben auch nur punktuelle Orgel-Glanzmomente. Jongens' Konzertsinfonie ist da schon von anderem Kaliber, was die Orgel betrifft.
Organist Peter Bader trifft auf Gastdirigent Anthony Bramall
Die Registrierung der von Orgelbauer Siegfried Schmid generalüberholten Steinmeyer-Orgel im Kongress am Park hat sich Bader in den vergangenen Tagen schon erarbeitet, in kritischem Dialog mit dem befreundeten, in Konzertfragen erfahrenen Willibald Guggenmos. Bader weiß, dass er sich im großen Kongress-Saal auf andere Gegebenheiten einstellen muss als am angestammten Instrument von St. Ulrich. "Die Akustik im Saal ist wesentlich trockener als in der Basilika, dadurch ist weit weniger Nachhall vorhanden." Die ersten Proben mit Orchester finden im Martinipark an einem Behelfsinstrument statt, wo es vor allem darum geht, sich mit den Vorstellungen des Dirigenten abzustimmen. Der heißt Anthony Bramall, ist in München Chefdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz und älteren Konzertbesuchern in Augsburg noch in Erinnerung seit seiner Zeit als Kapellmeister und Assistent von Bruno Weil in den 80ern.
Im zweiten Teil des kommenden Sinfoniekonzerts wird Gastdirigent Bramall die 7. Sinfonie von Anton Bruckner leiten. Eine glückliche Programmkonstellation, findet Peter Bader, ist doch in Bruckners Sinfonik der Einfluss des Organisten Bruckner evident. "Und seine Siebte", fügt Bader hinzu, "gehört überhaupt zu meinen Lieblingssinfonien".
Das 4. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker unter dem Motto "Erhaben" findet statt am Montag, 5. Februar, im Kongress am Park und wird am Dienstag, 6. Februar, wiederholt. Beginn ist jeweils um 20 Uhr, Konzerteinführung um 19.10 Uhr. Kartentelefon: 0821-324 4900.