Das ist doch schön, dass jetzt zum Konzert in St. Anna im Rahmen des 4. Internationalen Orgelfestivals offensichtlich jene zwei wertvollen Jörg-Breu-Tafel-Gemälde von der großen, wichtigen Holbein-Burgkmair-Ausstellung in Frankfurt und Wien zurückgekehrt sind, die die kleinen Fuggerkapellen-Orgelpfeifen in Höhe des Orgel-Spieltischs rahmen. Haben sie doch ein Thema zum Inhalt, für das sich kein Vorläufer südlich und nördlich der Alpen finden lässt: die Entstehung der Musik durch Pythagoras einerseits und deren sakrale Ausführung durch einen Kirchenchor. Das entspricht der Bedeutung der Musik im Leben Jakob Fuggers dem Reichen.
Und so geriet der Auftritt von Hanne Kuhlmann, der Kopenhagener Domorganistin, zu einer runden Sache hinsichtlich Bild und Ton. Aber auch in zeitlicher Hinsicht blieb ihr Konzert vollendet gerundet: Kaum war der letzte Ton auf der Ekkehart-Simon- und Gerhard-Schmid-Orgel verklungen, schlug es vom Turm Fünfe. Als ob es so geplant gewesen wäre. Als ob Hanne Kuhlmann auch in Augsburg ihr Orgelspiel so perfekt in ein „Programmraster“ einbauen wollte, wie sie es von Kopenhagen gewohnt ist. Dort wird täglich, ja täglich, die Morgenmesse um acht Uhr aus der Hauptkirche Kopenhagens im Rundfunk übertragen – und sehr oft sitzt dann Hanne Kuhlmann an der Domorgel. Eine fast unglaubliche Praxis in einer ansonsten stark säkularisierten Welt.
Kopenhagener Domorganistin Hanne Kuhlmann setzt ein Statement in St. Anna
Nach Augsburg, zum Orgelfestival, brachte Kuhlmann alte und neue Musik mit – sowie zur Konzerteröffnung ein gleichsam spätestromantisches Werk von Franz Schmidt, dessen Toccata in C, die auch gut als eine Art „Intrada“ gehört werden kann: als festliche Ankündigung in hell-strahlendem C-Dur, sich selbst antreibend, sich steigernd und als perpetuum mobile quasi endend in einer von Hanne Kuhlmann ausgekosteten Überwältigungswirkung. Ein Statement, ein Ausrufezeichen im bestens gefüllten Kirchenschiff war schon mal gesetzt.
Folgte der erste Bach des Abends, jene Trio-Sonate BWV 527, deren zweiten „dolce“-Satz später Mozart für ein Streichtrio umarbeiten sollte – von Hanne Kuhlmann insgesamt durch vielfach freie Tempi-Gestaltung einzelner musikalischer Phrasen barockisiert sowie transparent-klar hörbar gemacht. Als wäre das Trio ein sauber geflochtener dreisträhniger Zopf. Hingegen blieb das Konzert-Finale mit Bach – die gut bekannte Sinfonia aus der Kantate 146 („Wir müssen durch viel Trübsal“) – als romantische Bearbeitung durch Marcel Dupré strikt in Rhythmik und Metrum, ohne deswegen in einen „Nähmaschinen“-Bach zu verfallen. Nahezu triumphal – und auch glaubensgewiss – endete die Orgelstunde sozusagen mit einer „Retirada“, begeistert akklamiert von der Hörerschaft.
Aber da waren ja noch zwei andere, zwei zeitgenössische Werke im Programm, die Erstaufführungen für Augsburg bedeutet haben dürften: die „Toccata sopra Ave Maria“ von Leif Kayser (gestorben 2001) sowie „Miroir“ von Ad Wammes (geboren 1953). Ersteres entwickelte sich von einem Klangband pointillistischer oder tachistischer Klangkürzel zu einer zunehmend dichten Klanglandschaft – voll von unerwarteter akustischer Gestik blieb es kompositorisch nicht ganz leicht in seinem roten Faden zu verfolgen. Demgegenüber besitzt der „Spiegel“ von Ad Wammes geradezu narkotisierenden „drive“ anhand eines durchlaufenden Swing, Beat, Groove. Nicht mit Ravels „Miroirs“ steht das Stück in Verbindung, stattdessen mit dem synkopisierten Jazz und Pop. Interessant: Der Niederländer Wammes komponierte auch schon für die „Sesamstraße“.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden