Einen ganz normalen Internationalen Jazzsommer hat Tilman Herpichböhm noch nicht erlebt, seit er zur Ausgabe im Jahr 2020 als künstlerischer Leiter übernommen hat. Galt es zwei Jahre in Folge mit den Umständen der Pandemie zu kämpfen, steht dieses Jahr aber ein großer Geburtstag an: Seit 30 Jahren machen Jazzfans den Botanischen Garten zur Pilgerstätte einer Musik, für die das Wort mit den vier Buchstaben bestenfalls eine Orientierungshilfe sein kann. Der Beweis, dass sich Jazz beständig wandelt und von den großen Altmeistern ebenso beeinflusst wird wie von den jungen Wilden, steht nun auf den Plakaten des 30. Internationalen Jazzsommers in Namen gedruckt.
Am 6. Juli beginnt der Internationale Jazzsommer in Augsburg
„Wir sind ein kleines internationales Aushängeschild, so was gibt es nicht besonders häufig“, sagt Herpichböhm bei der Präsentation des Jubiläumsprogramms im Jazzclub Augsburg. Das ist fast zu bescheiden formuliert, denn die Kombination aus einem hochkarätigen internationalen Line-up und der pittoresken Spielstätte des Rosenpavillons ist seit Anbeginn einzigartig. Die Gästeliste der vergangenen drei Jahrzehnte liest sich wie eine Reise durch die Geschichte des Jazz; dass Miles Davis noch nicht auf dem Programm stand, kann nur daran liegen, dass er zwei Jahre vor Festivalgründung verstarb. „Ich wollte Musiker präsentieren, die in Augsburg sonst nie zu hören gewesen wären“, sagte Christian Stock 2019 in einem Interview zu seinem Abschied als Festivalleiter, und diesem Prinzip hat sich Herpichböhm ebenfalls verschrieben – auch für diesen Sommer 2022.
Altsaxofonist Kenny Garrett, der auch schon bei Davis in Lohn und Brot stand, eröffnet die Reihe am 6. Juli mit seiner jungen Band. Mit John McLaughlin steht diesmal einer der einflussreichsten und produktivsten Fusion-Gitarristen in Augsburg auf der Bühne, Cyrille Aimée hat Beats und Soul im Gepäck, die Skandinavier Rymden Groove und Punkattitüde. Zum brasilianischen Klangmagier Hermeto Pascoal sei nicht mehr gesagt als die Worte von – einmal mehr – Miles Davis: „Er ist der beeindruckendste Musiker der Welt.“
Festival-Chef Herpichböhm wird beim Jazzsommer-Finale spielen
Der Jazzclub Augsburg stellte übrigens nicht nur den Raum für die Pressekonferenz, sondern Herpichböhm auch seinen Booker Bernhard Hörwick für das Programm im Brunnenhof des Zeughauses an die Seite. Dort werden fünf junge Bands auf der Bühne stehen, die schon jetzt aus der Masse herausstechen und von denen noch zu hören sein wird: Bört wissen, wie man kocht, Molass feiern den Neo-Soul, Alexandra Lehmler baut Saxofontürme auf Vibrafonlandschaften. Der 22-jährige Gitarrist Tom Ibarra hat schon jetzt die Präsenz eines ganz Großen und Drummer Jonas Sorgenfrei macht musikalisch seinem Nachnamen alle Ehre.
Beim Abschlusskonzert im Botanischen Garten reichen sich Vergangenheit und Zukunft übrigens die Hand: Christian Stock lässt es sich da nicht nehmen, Herpichböhm ans Schlagzeug zu bitten, um mit dem Infinity Quintet den Kreis zu schließen. Und damit auch die Türe zu öffnen für viele weitere große Konzerte im Rosenduft unter freiem Himmel.