Das fängt gut an. Özcan Cosar stürmt die Bühne, 2000 Menschen in der ausverkauften Schwabenhalle des Messezentrums jubeln. Man kennt ihn und man kennt sich. Der energiegeladene Comedian hat im SWR eine eigene Show, ist Schauspieler, Moderator und Podcaster, auf Youtube zu sehen und tourt seit einiger Zeit mit seinem neuen Programm „Jackpot“ durch die Republik. Anders als bei Auftritten der Comedians Kaya Yanar, Django Asül oder Bülent Ceylan ist das Publikum bei Cosars Programm überwiegend deutsch-türkisch, -russisch, -albanisch, -rumänisch. Cosars Warm-up gelingt auf Anhieb. Er spricht die Menschen an, nicht nur die in der ersten Reihe, sondern auch die Rufer von ganz hinten. Augsburg, ja, hier sei er vor zehn Jahren schon mal gewesen, vor 20 Menschen habe er da gespielt. „Jetzt ist die Halle voll, Alter, ich freu mich.“
Stuttgart ist sein Heimatort, er schaltet um auf Dialekt. Gangster wollte er sein, wie sicher die meisten im Publikum, sagt er. Was dann folgt, ist eine langes, hervorragend gespieltes Stück über seinen versuchten Fahrrad-Diebstahl mit 14, die Polizei-Razzia in der Wohnung, seine strenge Mutter, vor deren Oklava-Stock er sich auf den Balkon flüchtet. Dort kann sie ihn nicht schlagen, weil die Nachbarn es hören würden. Gelächter im Publikum. Der albanische Nachbar vom Balkon schräg oben palavert mit ihm, bis der Vater, der Schlichter, kommt. „Mein Sohn, was hast du gemacht?“
Özcan Cosar in der Schwabenhalle: Ironische Rückschau auf die alten Zeiten
Wenn er Deutscher gewesen wäre, hätte er gesagt, „Baba, ich schwör, ich mach das nicht wieder.“ Doch so war es nicht. Stattdessen Gerichtssaal. „Ich trug meinen einzigen Anzug, den von meiner Beschneidung.“ Der ist weiß, mit viel Gold, ein Hut gehört dazu, mit Feder. Cosar kann sich auf sein Publikum verlassen: Die Zuschauer kennen die ausstaffierten Jungs, die gemischten Gefühle an diesem Tag sind für viele hier gemeinschaftliche Erinnerungen. Der Gag kommt an. Dazu der Slang des Stuttgarter Möchte-gern-Gangsta-Milieus – fertig ist eine begeisternde, selbstironische Rückschau auf die alten Zeiten.
Körperspannung ist für den ehemaligen deutschen Breakdance-Meister quasi Alltagshaltung. Doch nicht alles ist gut, Muskeln und Haare werden weniger. Für Haare gibt es „Streuhaar“, statisch geladene Teilchen, die er morgens auf der Kopfhaut verteilt. Die Muskeln, so Cosar resigniert, habe er aufgegeben. Dabei durchmisst er den Raum der Bühne mit langen Schritten, dazwischen artistische Nummern. Mal geht er affig-weiblich, mal als Teufel, der zwei Jungs mit Schweinefleisch in Versuchung führt, mal im Wettlauf mit dem Bus-Phantom. Sein Vater nannte das „Özcan macht Rennen mit Bus“. Aber das macht Cosar heute auch nicht mehr: rennen. „Bus kommt? Nee, Alter, egal. Nehm ich nächsten.“
Comedian Özcan Cosar fordert Respekt vor Busfahrern
Respekt vor Busfahrern fordert er. Sie hätten nur zwei Knöpfe, Tür auf, Tür zu. Zu wenig, um eine Frau zu beeindrucken. Aber sie hielten den Verkehr am Laufen. Piloten und Co-Piloten dagegen in ihren schicken Cockpits, die blinkende Elektronik, die unverständliche Sprache – denen liegen die Stewardessen zu Füßen. „One, two, three, zero, zero, check check check“, rattert Cosar. Dabei arbeiteten sie ja eigentlich nichts. Start, Landung, fertig. Der Rest ist Autopilot. „Ich meine, damit wir hinterher noch leben, dafür werden sie doch bezahlt. Wieso klatscht man da? Und warum sagen wir zum Busfahrer, wenn er zwei Minuten zu spät kommt, ‚Hurensohn‘?“ Mehr Gerechtigkeit also für die, die am Ende der Anerkennungs-Nahrungskette stehen.
Was auch gut ankommt, sind Geschichten von Deutschen und Türken, Albanern und Russen. Und besonders die postmoderne Mischung aus all dem. Man finde zusammen, doch Unterschiede gebe es ja, vor allem in der Liebe. „Türken lieben anders.“ Die meisten Pannen gibt es, wenn eine türkische Tochter ihren deutschen Freund heiratet. Die Braut muss zu Hause abgeholt werden. Traditionell wird sie dabei symbolisch in einem Zimmer eingesperrt. „Der Schlüssel geht nicht“, muss dann der älteste Bruder zum Bräutigam sagen. Damit der die Braut mit Geld auslöst. „Stattdessen sagt Björn: Soll ich mal ... ?“
Özcan Cosars ironische Geschichten spielen mit seiner eigenen sozialen Herkunft als Kind türkischer Arbeiter. Das bringt Credibility, vermittelt mit seinem Herrschafts-Bashing eine gewisse Underdog-Identität. Jede Gruppe bekommt Schläge, neben Deutschen und Türken vor allem Albaner. Doch am Ende versöhnt Cosar sie alle.