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Neuinszenierung: Am Augsburger Staatstheater sitzt die Cenerentola am Webstuhl

Neuinszenierung

Am Augsburger Staatstheater sitzt die Cenerentola am Webstuhl

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    Angelina webt an ihrem Zukunftstraum: Ekaterina Aleksandrova und Avtandil Kaspeli in der Staatstheater-Neuinszenierung von „La Cenerentola“.
    Angelina webt an ihrem Zukunftstraum: Ekaterina Aleksandrova und Avtandil Kaspeli in der Staatstheater-Neuinszenierung von „La Cenerentola“. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    „Irgendwie“, wundert sich Manuel Schmitt und macht dazu amüsierte Miene, „irgendwie scheint mich Rossini zu verfolgen.“ Einem noch so jungen Regisseur wie ihm, gerade 36 geworden, darf das durchaus auffallen, wenn er jetzt schon zum vierten Mal eine Oper des italienischen Meisters szenisch einrichtet, zumal „L‘inganno felice“ seine erste Musiktheater-Inszenierung überhaupt gewesen ist. Diesmal in Augsburg, diesmal „La Cenerentola“, für Schmitt sind es beide Male Erstbegegnungen.

    Das Märchen vom Aschenputtel, die es ins Herz und an die Seite eines Prinzen schafft, während ihre bösen Stiefschwestern am Ende leer ausgehen, Rossinis neben dem „Barbier von Sevilla“ wohl bekannteste Oper ist für Schmitt keineswegs nur ein spritzig-schaumige Komödien-Süßspeise. Der Regisseur, beim Gespräch kurz vor der wichtigen Hauptprobe ausgesprochen entspannt, verweist auf die Gattungsbezeichnung, die der Komponist seiner „Cenerentola“ mitgegeben hat: Melodramma giocoso, ein Stück also, das die Genres, das Heitere und das Tragische, ineinander mischt. Schmitt, der an der Bayerischen Theaterakademie nicht nur das Handwerk des Inszenierens erlernt, sondern in München auch Philosophie studiert hat, sieht in der „Cenerentola“, wie sie Rossini und sein Librettist Ferretti nach dem schon damals berühmten Märchen formten, die gesellschaftlichen Zeitströmungen am Werk: Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die zur Emanzipation der „niederen“ Gesellschaftsschichten führte und in der Zuspitzung sogar ein Glücksversprechen für den einzelnen Menschen enthielt. „Die gute Fee“, sagt Schmitt, „die im ursprünglichen Märchen noch auftritt, ist bei Rossini verschwunden.“ Es braucht keine übernatürlichen Kräfte mehr, damit Aschenputtel der ersehnte Aufstieg gelingt.

    Eine Opernhandlung wie geschaffen für den Martinipark

    Da ist es nur konsequent, dass Schmitt seine Inszenierung in jüngerer Zeit spielen lässt, sich gar vom genius loci hat inspirieren lassen: Seine „Cenerentola“ ist, wenn man so will, am Ort ihrer Aufführung situiert, in einer Stadt der verarbeitenden Textilindustrie, es könnte Augsburg sein, ja mit der Spielstätte Martinipark sogar mittendrin im einstigen Textilviertel. Und Angelina alias Cenerentola, sie ist in diesem Setting eine jener italienischen Gastarbeiterinnen, wie sie in den 1950er, 60er Jahren zuhauf von jenseits der Alpen kamen, um sich an den Webmaschinen ein Auskommen zu sichern. Und als Fremde am Rande einer Gesellschaft, die damals alles andere als aufnahmewillig war, vom besseren Leben zu träumen.

    Schmitt erzählt, dass er sich mit einigen dieser ehemaligen Arbeiterinnen getroffen und sie gebeten hat, von ihrem Dasein in jener Zeit zu erzählen. Videointerviews entstanden, die ausschnittsweise auch in die Augsburger Inszenierung Eingang finden. Der Regisseur mag diese dokumentarische Herangehensweise an einen Opern- oder Schauspielstoff, findet es wichtig, sich aus erster Hand über fremde Lebenswelten zu informieren, um daraus dann ein eigenes Bild zu kreieren.

    Diese „Cenerentola“ geht mit der Mode

    Augsburgs Cenerentola - in die Rolle schlüpft Ekaterina Aleksandrova, in der vorvergangenen Spielzeit Augsburger Ensemblemitglied, inzwischen in Rostock engagiert - wird man also zunächst am Webstuhl sitzen sehen, wo sie sich auch ihr eigenes Ballkleid fertigt für die Festivität auf dem Schloss von Prinz Ramiro. In Manuel Schmitts Inszenierungskonzept verbinden sich Cenerentolas Träumereien mit einem, wie der Regisseur es nennt, „Flug durch die Geschichte der Mode“ vom Mittelalter bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein Griff der Regie, der es nicht nur erlaubt, ausgiebig verschiedenste Kostümwelten vorzuführen, sondern auch das Kleider-machen-Leute-Thema näher zu beleuchten, das in Rossinis Oper keine geringe Rolle spielt. „Die Stiefschwestern Clorinda und Tisba sowie ihr Vater Don Magnifico fallen ja auf den verkleideten Diener Dandini herein“, erklärt Schmitt. Während Prinz Ramiro im Gewand seines Dieners erscheint, eine Finte, welche ihn, angeleitet vom weisen Philosophen Alidoro, in die Lage versetzt, das Gebahren sämtlicher dreier jungen Frauen einer Prüfung zu unterziehen.

    Kommenden Samstag hat die Neuinszenierung im Martinipark Premiere, krankheitsbedingt springen für die eigentlich gesetzten Claudio Zazzaro (Ramiro) und Wiard Witholt (Dandini) als Gäste Manuel Amati beziehungsweise Nicola Ziccardi ein. Wie vorgesehen schlüpfen Olena Sloia und Luise von Garnier in die Rollen der Schwestern Clorinda und Tisbe, Shin Yeo ist (Stief-)Vater Magnifico, Avtandil Kaspeli sein Kontrahent Alidoro. Am Pult der Philharmoniker steht Augsburgs 1. Kapellmeister Ivan Demidov.

    Für Manuel Schmitt ist „La Cenerentola“ übrigens nicht seine einzige Rossini-Regiearbeit in nächster Zeit. Auch „Tancredi“ wird, im kommenden Jahr, nach seinen Ideen entstehen, wo, das will er noch nicht verraten. „Das wird dann mein fünfter Rossini“, sinniert er. Und setzt sein eigenes Echo hinzu: „Irgendwie scheint der mich zu verfolgen ...“

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