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Neu am Staatstheater Augsburg: Sebastiaan van Yperen dirigiert die Neujahrskonzerte

Interview

Sebastiaan van Yperen: Mit Kunst kann man ein glücklicher Mensch sein

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    Sebastiaan van Yperen - Dirigent
    Sebastiaan van Yperen - Dirigent Foto: Jozsef Kelemen

    In Ihrem Programm für das Neujahrskonzert der Augsburger Philharmoniker ist zwar der „Kaiser-Walzer“ gelistet, ansonsten aber gibt es keine Strauß-Walzer, Polkas und sonstige Musik nach Art des Wiener Neujahrskonzerts. Was erwartet stattdessen die Besucher Ihrer beiden Konzerte in Augsburg und Gersthofen?
    SEBASTIAAN VAN YPEREN: Als mir das Konzert anvertraut wurde, hat man mir gesagt: Wähle ein paar Stücke aus, die Du magst und die für Anfang stehen, auch die eigenen Anfänge. Puccinis „Preludio sinfonico“ zum Beispiel habe ich im ersten Jahr meines Studiums dirigiert. Deswegen dachte ich, das passt perfekt, weil ich jetzt ja auch hier in Augsburg angefangen habe. Was ich zudem immer wichtig finde: Dass man neue Stücke kennenlernt. Es gibt so viel Schönes in der Tradition der klassischen Musik, da muss man nicht immer die Sachen hören, die man eh schon kennt.

    Puccini haben Sie schon genannt. Welche anderen Komponisten und Stücke aus dem Neujahrsprogramm liegen Ihnen sonst noch besonders am Herzen?
    YPEREN: Natürlich ein Stück wie der „Kaiser-Walzer“ von Johann Strauß. Die Musik ist eigentlich ganz einfach, und doch kann man da richtig zaubern mit dem Orchester. Und dann gibt es den „Galopp“ aus der „Maskerade“-Suite von Aram Khachaturian. Ein Stück, das sehr selten gespielt wird. Ein wenig erinnert es an einen Strauß-Walzer, macht vergleichbares Vergnügen. Schön wäre es, wenn die Leute nach dem Konzert sagen würden, dass das ein tolles Stück war, und sie dann vielleicht Lust bekommen, mehr von diesem Komponisten zu entdecken, zum Beispiel sein Violinkonzert.

    Wenn Sie Musik à la Strauß mögen: Tanzen Sie selbst Walzer?
    YPEREN: Nein, leider nicht. In den Niederlanden haben wir keine große Walzer-Tradition. Deswegen habe ich diese Musik erst so richtig kennengelernt, seitdem ich in Deutschland bin.

    DAS ERSTE DER BEIDEN NEUJAHRSKONZERTE FINDET IM MARTINIPARK STATT. UNTER KLANG-ASPEKTEN EIN NICHT GANZ UNPROBLEMATISCHER RAUM: BEI OPERNVORSTELLUNGEN SOLLTE DAS EBENERDIG PLATZIERTE ORCHESTER NICHT DEN GESANG AUF DER BÜHNE ÜBERDECKEN, BEI REINEN KONZERTVERANSTALTUNGEN WIE JETZT AN NEUJAHR MUSIZIERT MAN DANN SELBST AUF DER BÜHNE. WIE STELLT MAN SICH DARAUF EIN?:
    YPEREN: Das ist tatsächlich nicht ideal. Aber als ich das erste Mal eine Vorstellung hier im Martinipark hörte – Tschaikowskys „Eugen Onegin“ –, da habe ich wirklich gedacht: Wow, so eine Qualität, das sagt viel über das Staatstheater hier aus. Sicher ist es nicht hilfreich, dass das Orchester bei Musiktheater keinen Graben hat. Aber dass trotzdem hier Oper gemacht wird mit so viel Freude und Inspiration, das hat mich damals bei meinem Start hier denken lassen: Ich bin sehr froh, dass ich hier arbeiten darf. Denn trotz der Beschränkung durch den Raum kann hier Kunst entstehen.

    Sie haben vor Kurzen in Ihrer niederländischen Heimat einen Preis für Dirigenten erhalten.
    YPEREN: Der Preis geht auf die Stiftung des niederländischen Dirigenten Anton Kersjes zurück. Es ist ein Stipendienpreis: Einmal im Jahr wird ein Dirigent ausgesucht, der 15.000 Euro bekommt, und 2024 bin ich es gewesen. Mit diesem Geld habe ich vor, zu Experten zu gehen, um mir gezielt Unterricht geben zu lassen – in denke zum Beispiel an Rossinis „Cenerentola“, bei der ich hier in Augsburg das Nachdirigat übernehmen werde. Das möchte ich auch bei anderen Stücken, die ich hier dirigieren werde, so halten. Also zum Beispiel einen Dirigierlehrer gegen Bezahlung bitten, dass er in eine der Vorstellungen kommt und mir hinterher seine Kritik mitteilt. Ich finde es so wichtig, dass man immer weiterlernt und nicht, wenn man einen Job bekommen hat, sagt: So, jetzt ist Schluss damit.

    Verstehen Sie sich mehr als Opern- oder als Konzertdirigent?
    YPEREN: Vom aktuellen Standpunkt aus gesehen: Operndirigent. Gesang finde ich etwas ungemein Schönes, die Musik allgemein kommt ja vom Gesang. Abgesehen davon fasziniert mich an der Oper der Gedanke des Gesamtkunstwerks: Dass Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammenzuarbeiten, um Kunst auf die Bühne zu bringen. In der Oper hat der Dirigent auch eine andere Funktion als im Sinfoniekonzert. Nicht jede Mozart-Sinfonie benötigt einen Dirigenten. Aber eine Mozart-Oper ohne Dirigent ist nicht vorstellbar. Einer meiner Lehrer hat gesagt: Wer Opern dirigieren kann, kann auch Sinfonisches dirigieren – aber nicht andersherum. Deswegen möchte ich jetzt Oper machen, da lernt man am besten. Aber vielleicht ändert sich das in zehn Jahren bei mir …

    Ende Januar übernehmen Sie am Staatstheater Augsburg die Uraufführung einer Auftragsoper, „The Last Night oft the World“ des katalanischen Komponisten Agustí Charles. Was darf das Publikum erwarten?
    YPEREN: Es geht um die Frage, was macht man, wenn man weiß, dass das jetzt der letzte Tag der Welt ist. Gezeigt wird etwa, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist und man eigentlich nichts anderes macht, wenn die Welt zugrunde geht. Eine andere Eben des Stück thematisiert, dass die Natur weiterlebt --- und damit auch die Kunst, ganz im Sinne des romantischen Gedankens einer Verbindung von Natur und Kunst. Das Stück ist im modernistischen Stil geschrieben, es gibt Anklänge an Musik von Brahms, Debussy, auch Händel und Puccini … Ich bin selbst gespannt, was am Ende als fertige Produktion zu erleben sein wird.

    Lassen Sie uns noch einmal auf den Jahreswechsel kommen: Welche Wünsche hat Sebastiaan van Yperen an das Jahr 2025?
    YPEREN:: Das ist eine schöne Frage! (überlegt lange) Ich habe ein persönliches Ziel: Menschen nahezubringen, welch unglaubliche Kraft und Schönheit die Kunst hat. Kultur ist einer der großen Sinnstifter, für die man überhaupt lebt. Wagner hat sinngemäß einmal gesagt: Wenn die Leute es nicht verstehen, finden sie es nicht wichtig. An dem Platz, an dem ich jetzt bin, möchte ich versuchen, an diesem Verstehen mitzuwirken. Ich glaube, wenn man Kunst in seinem inneren Leben zulässt, kann man wirklich ein glücklicher Mensch sein.

    Sebastiaan van Yperen

    Sebastiaan van Yperen ist seit Frühjahr 2024 neuer 2. Kapellmeister am Staatstheater Augsburg. Der 29-jährige Niederländer studierte Dirigieren und Komposition am Konservatorium Amsterdam. Seither hat er zahlreichen namhaften Dirigenten assistiert, kommenden Februar ist er Assistent von Kent Nagano bei einer Opern-Neuproduktion in Paris. Die Augsburger Philharmoniker dirigiert Sebastiaan van Yperen bei den beiden Neujahrskonzerten im Martinipark (1. Januar, 18 Uhr) und in der Stadthalle Gersthofen (2. Januar, 19.30 Uhr).

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