Die Musik des Atlantiks hat viele Facetten: mitreißend und lebhaft kann sie sein, aber auch ätherisch, leicht und fließend. Wer am Abschlussabend des Water and Sound Festivals die Augsburger Freilichtbühne besucht, bekommt das noch einmal hörbar gezeigt. Die Vielseitigkeit der Musikerinnen, die an diesem Abend die Bühne betreten, ist eine gelungene Mischung – und das, obwohl Star-Sängerin Oumou Sangaré kurzfristig ausfällt.
Auf die Künstlerin aus Mali hatten sich die Besucherinnen und Besucher des Konzerts eigentlich eingestellt. Doch Sangaré musste aufgrund eines Unfalls absagen, wie Moderatorin Jenny Langner auf der Freilichtbühne verkündet. Das ist bedauerlich, jedoch beweisen die Veranstaltenden ein glückliches Händchen mit der Wahl der ersatzweise spielenden Künstlerin Dobet Gnahoré von der Elfenbeinküste.
Die ivorische Sängerin bringt die Menge zum Tanzen
Mit weißen Muscheln und einem schwarzen Federhut beschmückt, zieht Gnahoré mit ihrer tiefen und kraftvollen Stimme die Zuhörenden in ihren Bann. Nach einigen Liedern beginnen einige, vor der Bühne zu tanzen, bis da eine ganze Menge steht, die sich zu ihren Rhythmen wiegt. Gnahoré freut das sehr. „I want to move, my love“, ruft die französischsprachige Sängerin den Tanzenden zu, um dann selbst ihre Bewegungen vorzuführen – zuerst in hohen Schuhen, später barfuß. Ihre blauen Haare fliegen dazu. Sie strahlt Lebensfreude aus, spielt mit dem Publikum und ihrer Mimik.
Fast nebenbei spielt die Sängerin mehrere fremdartige Rhythmusinstrumente, die sie während des Singens bedient, unterstützt von drei Bandkollegen. Die Klänge stammten von ihrem Land, erklärt Gnahoré, doch hier liebe sie es auch. „Ich lade euch in mein Land ein, bitte kommt, seht mein wunderschönes Land“, ruft sie, und die Menge jubelt. Leute von jung bis alt sind heute da, immer wieder blitzen bunte afrikanische Stoffe und Frisuren hervor.
Mayra Andrade spielt eine sehr intime Show
Als dann Mayra Andrade die Bühne betritt, stehen die Tanzfreudigen schon bereit. Doch dieses Konzert ist anders. Anmutig spaziert Andrade auf die Bühne, die inzwischen einem gemütlichen Café gleicht: zahlreiche Pflanzen sind aufgebaut, alles ist in warmes Licht eingetaucht und für Andrade steht ein Sessel bereit. Ruhig lässt sich die kapverdische Sängerin darauf nieder. Sie trägt ein weiß-buntes, fließendes Gewand. Als sie beginnt, zu singen, wirkt das ebenfalls fließend, mühelos, leicht.
Mayra Andrade strahlt etwas Erhabenes aus, gilt laut Langner als die Stimme der Zukunft in der kapverdischen Musik, dem kleinen Inselstaat mit Amtssprache Portugiesisch vor der Küste Westafrikas. Als Fans etwas rufen, weist Andrade sie darauf hin, dass sie leiser sprechen sollen: „Dies ist eine sehr intime Show. Ihr redet zu laut“ - und sogleich verstummen die Stimmen.
Es ist ein Abend, ja, ein ganzes Festival, das zeigt, was die Musik Afrikas, Amerikas und Europas und zu bieten hat. 14 Konzerte liegen hinter Augsburg, die auf der Freilichtbühne, aber auch im Annahof, am Kuhsee oder im Augustanasaal stattfanden. Das Festival, das seit 2022 das Festival der Kulturen ersetzt, hat sich längst einen Namen gemacht. Zuletzt ging es um die Wasser- und Musikkulturen am Mittelmeer, davor um die Sahara- und Sahelregion.
Wasser und Musik verbinden die Künstler, auch mit Augsburg
Dass das Wasser mit der Musik verknüpft ist, steckt dabei nicht nur im Festivalnamen: Die Veranstalter wollten parallel zur Musik einen Blick auf die Ressource Wasser im globalen Kontext richten. Führungen rund um den Hochablass oder die Wassertürme begleiteten die Konzerte. Das Festival schlägt Brücken zu Wasserthemen, zu Augsburg und zwischen Künstlern. Bei Andrade zeigt sich das eindrücklich, als nach einigen Liedern, die sie nur begleitet von ihrem Gitarristen Djodje Almeida singt, das sechsköpfige süddeutsche Ensemble Atlantique einsteigt. Die beiden Gruppen ergänzen sich wunderbar, Klänge fließen ineinander. Die Mischung ist auch dadurch spannend, dass die Sängerin vor dem Konzert verrät, sie habe das Ensemble erst gestern bei der Probe kennengelernt.
Doch von Patzern keine Spur, organisch fügt Dirigent Tom Jahn die Klänge seines Ensembles mit den kapverdischen Klängen zusammen, hüpft dafür manchmal auf und ab. Als die Menge aufgefordert wird, mitzusingen, tut sie das bereitwillig, und Andrade flechtet ihre Stimme gekonnt darüber. Am Ende lächelt sie. „Vielen Dank! Ihr habt mich überrascht“, sagt sie. Standing Ovations ehren beide Sängerinnen am Ende, und ihr Strahlen verrät, dass sie den einmaligen Abend genossen haben. Den Gesichtern im Publikum nach zu urteilen, sind sie damit nicht die Einzigen. Die Freilichtbühne nächstes Jahr wieder zu füllen, dürfte kein Problem werden. Auch, was die Auswahl der Region betrifft - ein paar Küsten sind noch übrig.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden