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Musiktheater: Das Staatstheater Augsburg geht mit einer neuen "Traviata" in die Saison

Musiktheater

Das Staatstheater Augsburg geht mit einer neuen "Traviata" in die Saison

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    Jihyun Cecilia Lee interpretiert in der Augsburger Neuinszenierung Violetta Valéry.
    Jihyun Cecilia Lee interpretiert in der Augsburger Neuinszenierung Violetta Valéry. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Eine schwindsüchtige Kurtisane im Zentrum einer vergnügungssüchtigen Gesellschaft, ein sich Hals über Kopf verliebender junger Mann, dessen gediegener Vater, der die Verbindung der beiden nicht goutiert: Ist dieser Handlungsgang, den Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“ mit schmelzenden Melodien ausbreitet, tatsächlich ein Stoff, der uns in diesen Zeiten, in denen kriegerische Aggression und kalte Wohnungen brennende Tagesthemen sind, etwas zu sagen hat? Unbedingt, findet Eva-Maria Melbye. „Als Künstlerin darf ich im Oktober ’22 auch an Liebe erinnern!“, sagt die dänische Regisseurin, die am Staatstheater Augsburg „La Traviata“ inszeniert, womit am 2. Oktober die hiesige Musiktheater-Spielzeit beginnt.

    Zumal Melbye in Verdis 1853 uraufgeführter Oper durchaus Anknüpfungspunkte ins Hier und Heute findet. Allein schon, sagt sie, wenn man den Titel hernehme, der, beim Wort genommen, ja bedeute, dass hier jemand als „vom Weg abgekommen“ angesehen werde. „Unsere heutige Welt ist ebenfalls vom Weg abgekommen“, ist Melbye überzeugt und verweist dabei auf „Strukturen“, die unter anderem Kriege wie den jetzt von Russland angezettelten ermöglichen – zumeist als „männlich“ verstandene Strukturen, die auch in anderen Bereichen zerstörerische Wirkung entfalteten, in Gesellschaften wie auch in Individuen.

    Verdis „Traviata“ hat eine lange Motivtradition

    Verdis „Traviata“ ist für Melbye eine „Ur-Erzählung“, eine weitere, nunmehr im 19. Jahrhundert angekommene Variante einer Geschichte, die eine lange Motivtradition aufweisen könne, nach Ansicht der Regisseurin von Pygmalion bis hin zu „Pretty Woman“. Insofern verzichtet ihre Inszenierung darauf, die Geschichte der sich anbietenden Frau, mit der ein verliebter Mann sich die gemeinsame Existenz erträumt, in einer konkreten Zeit und an einem ebensolchen Ort festzumachen.

    Wichtiger ist Melbye und der Produktionsdramaturgin Vera Gertz das Herausarbeiten der komplexen Wechselwirkung zwischen der Titelfigur und der Gesellschaft. Letztere habe ein ausgesprochen zwiespältiges Verhältnis zur Kurtisane: Einerseits bediene die Aura einer solchen Frau mitsamt ihrem mondänen Lebensstil die unstillbare Sehnsucht nach Ausbruch und Vergnügen der Normalbürger; andererseits hat diese Gesellschaft kein tieferes Interesse an einer Frau wie Violetta und wendet sich, wenn sie ihr – etwa durch Krankheit – nicht mehr attraktiv erscheint, kalt von ihr ab.

    Für Melbye ist Violetta eine intelligente Frau

    Die Regisseurin Eva-Maria Melbye ist weit davon entfernt, diese Violetta – in Augsburg wird sie dargestellt und gesungen von Jihyun Cecilia Lee – in überkommen-patriarchalischer Sichtweise als negative Figur zu zeichnen. Im Gegenteil, Violetta ist für sie eine intelligente Frau, ihr Kurtisanentum selbstgewählt. Und doch kommt auch diese Violetta nicht umhin, sich in Beziehung zu einer konventionell agierenden, männlich dominierten Gesellschaft zu setzen.

    Auf der Bühne im Martinipark sollen dies große Module mit runden Öffnungen visualisieren: Überdimensionalen Spiegeln gleich, durch die man hindurch auf andere sehen, zugleich aber auch aus dem Außen betrachtet werden kann.

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