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Musik: Wenn die Seele sich nach Ruhe sehnt

Musik

Wenn die Seele sich nach Ruhe sehnt

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    Die Sängerin Natalya Boeva hat ein Album mit Liedern aufgenommen.
    Die Sängerin Natalya Boeva hat ein Album mit Liedern aufgenommen. Foto: Thomas Zeising

    Natalya Boeva, die vortreffliche Mezzosopranistin, hat als Ensemblemitglied des Staatstheaters Augsburg sich in dieser Spielzeit eine Pause ausbedungen. Da kommt gelegen, dass jetzt ihr erstes Album unter eigenem Namen erschienen ist, eine Platte mit Liedern zu Klavierbegleitung, betitelt "Meine Seele weinte".

    Es ist ein ausgesprochen anspruchsvolles Programm, das die ARD-Preisträgerin von 2018 sich hier vorgenommen hat. Gewiss, da finden sich auch Lieder von Franz Schubert und Richard Strauss. Aber schon die Gesänge von Karol Szymanowski dürften hierzulande weitgehend unbekannt sein, und erst recht wird das für die Lieder der russischen Komponisten Dmitri Smirnow (*1952) und Alexander Labyrich (*1988) gelten. 

    Die Schattenseiten des seelischen Vermögens

    Noch etwas kommt hinzu, das den hohen Anspruch von Boevas Debütalbum bestimmt. Es ist der thematische Zusammenhang der Lieder und der ihnen zugrunde liegenden Texte, so wie die Interpretin sie versteht: Als Manifestationen, die überwiegend die Schattenseiten des seelischen Vermögens zum Ausdruck bringen, Schmerz, Trauer, Ergriffenheit – ein Gemenge, aus dem heraus jedoch, so schlägt Natalya Boeva selbst den argumentativen Bogen im Booklet der CD, eine Umwandlung erfolgt, eine Katharsis, eine durch die Kunst erfolgende Läuterung. Von hier aus, verstanden als ein Durch-Nacht-zum-Licht, verliert auch der Album-Titel jede Larmoyanz. 

    Schattenzonen, dunkle Gemütslagen, das sind Bereiche, für die Boevas Mezzo wie geschaffen ist. Die Stimme verfügt über runde, kontrollierte Fülle, das Timbre lässt die Skala der Farben stets gesättigt leuchten. Beste naturgegebene Voraussetzungen somit, um den ausgewählten Liedern einen reichen Bedeutungshorizont zu eröffnen, zumal sich ein hohes Textverständnis dazugesellt, das die Sängerin durchwegs gestalterisch umzusetzen versteht. Das teilt sich schon beim ersten Lied mit, Szymanowskis "Ich bin so trübe". Nachdenklich, lastend der Beginn mit der Beschreibung des "trüben" Befindens; dann jedoch auffrischend, lauernd bewegt, wenn das lyrische Ich von der Bangigkeit angesichts imaginärer Gespenster zu erzählen beginnt. Man spürt hier wie auch in vielen anderen Momenten, dass der Sängerin ihr Programm ein Herzensanliegen ist, dass sie ihre Auswahl bis in kleinste Verästelungen hinein durchgearbeitet hat. 

    Natalya Boeva kann auch leichtere Töne anschlagen

    Höhepunkt der CD ist Schuberts balladenhaft-schauriger "Zwerg". Wie Natalya Boeva den Gesang hier dreifach zu unterteilen vermag, wie sie den Stimmen des Erzählers, des Zwergs und der Königin jeweils eigene Kontur verleiht, in den Redepassagen der beiden letzteren zudem noch feinste Seelenregungen hörbar macht, ist glänzend realisiert (und von der wunderbar zurückhaltenden, gerade deshalb so untergründig-bedrohlichen Begleitung der Pianistin Polina Spirina kongenial gestützt). 

    Nun soll nicht der Eindruck entstehen, dass Natalya Boeva ein reines Schwermutsalbum eingesungen hat. Dass sie auch andere Register aufziehen, leichtere Töne anschlagen kann, wird bei den Strauss-Liedern deutlich. Herrlich der Sommerduft, in den sie "Das Rosenband" einbettet, dessen final aufflatterndem Melisma die Sängerin auch schon mal eine Vorahnung aufs "Elysium" mitzugeben vermag. Wobei spätestens hier festzuhalten ist, dass die deutsche Diktion der russischen Sängerin mustergültig ist. 

    Von Strauss stammt auch das letzte Lied der CD, "Ruhe, meine Seele". Das zugrunde liegende Gedicht von Karl Friedrich Henckell enthält Verse, denen heutigentags ein besonderer Echoraum zugewachsen ist: "Diese Zeiten / Sind gewaltig, / Bringen Herz und / Hirn in Not – ", und Henckell fährt fort: "Ruhe, ruhe / Meine Seele, / Und vergiss, ! Was dich bedroht!" Auch wenn die Aufnahme bereits im Herbst 2021 entstanden ist, kommt man nicht umhin, diese Verse vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens wahrzunehmen. Was, so ist zu vermuten, wohl auch Natalya Boeva nicht anders geht, hat sie doch ihrem Booklet-Text ebendiese Verse vorangestellt. 

    Meine Seele weinte. Natalya Boeva (Mezzosopran), Polina Spirina (Klavier). Genuin Classics/Note 1

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