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Musik und Lichtkunst erwecken Augsburger Gaskessel zum Leben

Augsburg

70 Jahre Gaskessel: Das Industriedenkmal wird mit Musik gefüllt

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    Das Gaswerk Augsburg gehört zu den markanten Industriedenkmälern der Stadt. Der große Scheibengasbehälter wurde 1954 in Betrieb genommen. Das Foto zeigt den Behälter in dem Jahr.
    Das Gaswerk Augsburg gehört zu den markanten Industriedenkmälern der Stadt. Der große Scheibengasbehälter wurde 1954 in Betrieb genommen. Das Foto zeigt den Behälter in dem Jahr. Foto: Archiv Augsburger Gaswerksfreunde

    Aus Nordost kommende Zugreisende werden in Augsburg von einem knapp 85 Meter hohen Metallkoloss begrüßt, noch lange bevor sich die bescheidene Skyline Augsburgs zeigt. Ein Gebäude wie gemacht für den Musiker Sascha Stadlmeier, der unter dem Künstlernamen Emerge dem Industriedenkmal mit dem Album „Raumforderung“ (VÖ: 8. September, attenuation circuit) ein klingendes Denkmal schuf. Kalter Hall wird vom Zischen des Gases durchströmt, die flächigen Sounds wabern und türmen sich auf, bis es klingt, als feiere eine weit entfernte, euphorische Menge den Sieg des industriellen Kapitalismus.

    Das spiegelt sich in der Architektur der Gaswerkgebäude, die Fassaden zitieren Kathedralen und Prachtbauten der Renaissance und manifestieren die bis heute anhaltende Faszination von Fortschritt und Wachstum in Stahl und Stein. Von den Bomben der Alliierten verschont erzählt das 1915 in Betrieb genommene Gaswerk noch heute vom „heroischen Zeitalter der Industrialisierung“, das den Poeten und Klangkünstler Gerald Fiebig 2019 zu seinem Album „Gasworks“ inspirierte. Die Heldenerzählungen aus dieser Epoche lassen gerne vergessen, „dass die Arbeit sehr hart, sehr gefährlich und für lange Zeit extrem schlecht bezahlt wurde“. Das erfuhr Fiebig aus erster Hand vom mittlerweile verstorbenen ehemaligen Mitarbeiter Johann Artner, der für oben genanntes Werk seine Erinnerungen mit Fiebig teilte.

    Das jüngste und auffälligste Kind des Industrieensembles, der große Scheibengasbehälter, feiert nun seinen 70. Geburtstag. Bis ins neue Jahrtausend hinein speicherte der 20-eckige Behälter bis zu 100.000 Kubikmeter so genanntes Stadtgas, hergestellt aus klimatechnisch zweifelhafter Kohlevergasung, später ersetzt durch Erdgas. Nun steht der Betrieb seit fast einem Vierteljahrhundert still, die 350 Tonnen schwere Scheibe, die einst für den richtigen Druck sorgte, liegt auf dem Boden. Zeit, anlässlich des Geburtstags zum Tag des offenen Denkmals den Gaskessel noch einmal künstlerisch neu zu entdecken.

    Wie einst das Gas wird sich nun Klang und Licht in dem monumentalen Hohlkörper ausbreiten. Von Schlagzeuger und Beatforscher Tom Simonetti programmierte „Dada-Machines“ bringen das Metall des Kessels an verschiedenen Stellen des Gastanks zum Klingen und untermalen perkussiv die hypnotischen Klangkompositionen Stadlmeiers. Das Ordnungsamt hatte für eine Live-Performance sicherheitstechnische Bedenken, jedoch wird die Klanginstallation, illuminiert durch die Lichtkunst von Robert Hergert, als Führung begehbar sein. Zuvor führt der als Elektrojudas bekannte Produzent Wolfgang Wilholm vom Schalltrichter der Musikbox eine 30-minütige Komposition auf, die Samples von Aufnahmen aus dem Gaskessel und Interview-O-Töne eines ehemaligen Gaswerkmitarbeiters mit Beats vereint.

    Im früher als Lagerraum verwendeten Untergeschoss kuratierte Susanne Thoma von den Gaswerkfreunden eine Fotoinstallation aus historischen Fotos aus dem Archiv des Vereins, die bei der Führung „durch Untertitel und das gesprochene Wort der Gaswerkfreunde erklärt werden“, so Thoma. Und auch Gerald Fiebigs Kunst wird an irgendeiner Stelle auftauchen. In einem Interview mit unserer Zeitung anlässlich der Veröffentlichung von „Gasworks“ sagte Fiebig, dass es keinen Klangraum gebe, der ihn auf ähnliche Weise fasziniere. Als Kunstraum wie als Mahnmal für die fatalen Folgen des weltweiten Energiehungers. Am Tag des offenen Denkmals gibt es die Möglichkeit, diesen Raum nachzuspüren.

    Info: Schalltrichter und Scheibentank. Live-Installation am alten Gaswerk. 8. September, 18 – 20 Uhr.

    Veranstaltungen am Denkmaltag

    • Der Denkmaltag findet in diesem Jahr am Sonntag, 8. September, statt. Deutschlandweit sind dann rund 6000 Denkmale zugänglich. Das Motto in diesem Jahr lautet „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“.
    • Für die Denkmale, die in Augsburg zu sehen sein werden, gibt es ein Programmheft, das in der Bürgerinfo am Rathausplatz 1 kostenlos erhältlich ist. Außerdem sind alle Programmpunkte auch in der offiziellen App kostenfrei verfügbar. In Augsburg sind 53 Orte gelistet, es folgt eine Auswahl.
    • Die Alte Schmiede am Milchberg 16 ist von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
    • Die Pulvermühlschleuse am Damaschkeplatz von 14 bis 16 Uhr.
    • Der Fünfgratturm (Unterer Jakobermauer 50) kann von 11 bis 18 Uhr besichtigt werden.
    • Den Unteren Brunnenturm (Springergäßchen 4) kann man von 11 bis 16.30 Uhr einen Besuch abstatten.
    • Die Straßenbahnwagenhalle in Lechhausen (Blücherstraße 65) ist von 11 bis 16.30 Uhr zu besichtigen.
    • Der Turm des Presse- und Organisationsgebäudes an der Kanustrecke am Eiskanal (Am Eiskanal 49) ist für Interessierte von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
    • Die Synagoge Augsburg (Halderstraße 6-8) ist von 10 bis 18 Uhr zu sehen.
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