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Mozartfest 2024: Trompetenglanz mit Lucienne Renaudin Vary

Mozartfest Augsburg

"Dolce Vita" mit Trompete: Lucienne Renaudin Vary spielt beim Mozartfest

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    Lucienne Renaudin Vary (Trompete) und Dirigent Andreas Ottensamer, Dirigent des Kammerochesters Basel beim Augsburger Mozartfest.
    Lucienne Renaudin Vary (Trompete) und Dirigent Andreas Ottensamer, Dirigent des Kammerochesters Basel beim Augsburger Mozartfest. Foto: Fabian Schreyer

    Alles Mozart, könnte man meinen: Das ist doch das prominente Etikett, ja das Versprechen des Augsburger Mozartfests. Aber nach einer satten Woche Festival biegt das Programm jetzt ab und nimmt eine musikalische Kurve: Drei Konzerte an einem Wochenende, dreimal Klassik und Romantik – aber mit Seitensprüngen zum Jazz, zu Rock und Elektronik. Etikettenschwindel? Der Festivalchef erklärt sein Konzept für das Festfinale: „Es geht uns darum, Grenzen aufzuheben. Und es geht uns darum, das Gemeinsame zu finden zwischen den Gegensätzen“, sagt Simon Pickel. Das klingt abstrakt, wird aber im Kleinen Goldenen Saal zum hör- und begreifbaren Erlebnis: Ein italienischer Abend steht an, mit dem Titel: „Dolce Vita“. Aber das süße Leben im Süden? Trifft hier im Konzert auf Schweizer Präzisionsarbeit – und eine Trompeterin, die sich in jazzigen Blue Notes badet. 

    Andreas Ottensamers Weg an die Spitze, bis ans Chef-Pult, begann mitten im Orchester: Bei den Berliner Philharmonikern spielt er, der aus einer Wiener Klarinettisten-Familie stammt, seit dem Jahr 2011 die Soloklarinette. Doch inzwischen tauscht er sein Instrument auch gerne gegen den Taktstock. Mit dem Kammerorchester Basel gastiert Ottensamer beim Mozartfest und dirigiert Jazz-Orchesterwerke – verpackt in ein italienisches Rahmenprogramm. In Gioachino Rossinis Ouvertüre zu „Der Heiratswechsel“ – seine erste Oper, 1810 uraufgeführt – funkeln schon die ersten Melodien und Ideen für seinem „Barbier von Sevilla“ auf. Die Schweizer werfen sich in Tanz- und Sommerlaune in diese Ouvertüre, von Ottensamer mit Lust und Eleganz aus dem Ellenbogen heraus dirigiert. Italienisches Temperament mit Schweizer Akkuratesse.

    Das Kammerorchester Basel verbreitet italienisches Gefühl

    Das italienische Gefühl strahlt auch aus der Sinfonie des Abends: Felix Mendelssohn Bartholdys Nummer 4, genannt „Die Italienische“. Musikalische Erinnerungen an eine Reise in den Süden, 1833 komponiert. Der erste Satz klackert mit Spielwitz in den Bläsern drauflos, die rhythmische Maschine prescht vor und die Streichermelodie folgt mit einer unaufhaltsamer Frische, dass es Mendelssohn ein neues Leben einhaucht. Jeder neue Satz erzeugt neue Atmosphären: Ein Andante, in dem Geigen und Flöte, Oboe und Fagott ihr elegisches Lied vortragen, dann ein Menuettsatz, den die Basler als romantisches Spiel interpretieren. Und das Finale? Verspielt und angriffslustig, obwohl düster getüncht in Moll. Zu Beginn fünf Schläge im Tutti, Härtegrad Hammer auf Ambos, dann geht es ans Limit der Fingerfertigkeit, und schon seht, sehr nah ans Dezibel-Limit des Saals. 

    Die Grenzen in der Musik aufzulösen, das versucht an diesem Abend eine Frau an der Trompete. Lucienne Renaudin Vary weiß genau, mit wem sie gerne einmal über die Musik diskutiert und philosophiert hätte: „Chat Baker, mein Lieblingsjazztrompeter.“ Die Französin serviert mal Jazz, mal Klassik und kombiniert auch gerne beides – und konzertiert bevorzugt barfuß, ohne Schuhe auf der Bühne. Wie wohl sich die 25-Jährige im Sound der Blue Notes fühlt, das demonstriert sie im Song „I Loves You, Porgy“ von George Gershwin. Der Amerikaner hat dem Sinfonieorchester einst den Jazz eingeimpft, auch mit seiner Jazzoper „Porgy and Bess“ von 1935. Vary lässt das Liebesliedgefühl mit herzenswarmen Tönen aus der

    Lucienne Renaudin Vary verzichtet auf große Solisten-Posen

    Sogar stärker noch knistert die Luft im Saal, als Vary zu Joseph Haydns Trompetenkonzert in Es-Dur ansetzt: Die ersten Solonoten der Französin gehen noch fast im Orchester-Tutti unter. Aber dann entfaltet sie ihren eigenen Stil im Klassischen: Da klingt nichts eitel oder heroisch, Vary verzichtet auf jede Platzhirsch-Solisten-Pose, sie gewinnt das Publikum lieber mit klugen, klangfeinen Phrasen für sich, wenn ihr das Orchester Raum gibt. Edel das Andante, mit jedem Soloeinsatz gewinnt das Spiel zwischen Trompete und Orchester an Glanz. Dieses Für- und Miteinander gipfelt im Finale: windschnittig gespielt, hohes Tempo mit technischer Beherrschung. Klingt klassisch? War aber damals, im Jahr 1796, als das Konzert seine Uraufführung erlebte, eine Grenzüberschreitung. An die Naturtrompete baute der Wiener Anton Weidinger einige Klappen. Plötzlich waren neben Naturtönen auch viel mehr Halbtöne locker leicht und sauber zu spielen. Neue Klänge. Neue Räume. Neue Grenzen, die Joseph Haydn austestete. 

    Radikale Grenzüberschreitungen bot dieses Mozartfest-Konzert nicht – dafür aber Vielfalt, Emotion und Perfektion. Italienisch herzlicher, lang anhaltender Applaus. 

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