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Medien: Perspektivenwechsel im Fugger und Welser Erlebnismuseum

Medien

Perspektivenwechsel im Fugger und Welser Erlebnismuseum

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    Auf wessen Kosten entstand der enorme Reichtum der Fugger – zu denen Hans Jakob Fugger (links) gehörte – und Welser?
    Auf wessen Kosten entstand der enorme Reichtum der Fugger – zu denen Hans Jakob Fugger (links) gehörte – und Welser?

    „Jede Geschichte hat zwei Seiten… mindestens!“ Unter diesem Titel hat das Fugger und Welser Erlebnismuseum in Augsburg eine neue sechsteilige Podcast-Reihe gestartet. In kurzen Interviews und Gesprächen setzen sich Expertinnen und Experten kritisch mit den beiden

    Seit etwa einem Jahr erfindet sich das Augsburger Museum neu: Die Dauerausstellung wird ergänzt und Themen werden von mehreren Standpunkten aus beleuchtet. Die Leitung reagiert damit auf Kritik, die Wissenschaftler und der Migrations- und Rassismusforscher Mark Terkessidis in seinem Buch „Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute“ geübt haben: Zu verharmlosend seien beispielsweise der Sklavenhandel, von dem die Welser profitierten, sowie die Eroberung und Plünderung Venezuelas gezeigt gewesen.

    Im gesamten Haus finden sich Tafeln und Texte, die ein neues Bild zeichnen

    Daraufhin setzte sich das Museum mit Partnern aus Wissenschaft und Gesellschaft in Verbindung und arbeitet seitdem daran, die Ausstellungen mit Inhalten zu ergänzen. Im gesamten Haus finden sich nun Tafeln und Texte, die ein ganzheitliches Bild von der Geschichte der Fugger und Welser zeichnen, sagt die stellvertretende Museumsleiterin Katharina Dehner.

    An diesem Punkt setzt auch die Podcast-Serie an: „Wir möchten noch einmal deutlich machen, warum wir diesen Schritt gehen“, sagt Dehner. Die Geschichte der reichen Handelsfamilien wird nicht neu geschrieben, sondern um die Sichtweise der Menschen ergänzt, die unter ihnen litten. Zwar sei diese von Anfang an in den Ausstellungen verankert. „Aber nicht deutlich genug“, sagt Dehner. „Das beginnt schon bei den richtigen Begriffen und Beschreibungen.“ In Büchern werden die Konquistadoren der Patrizierfamilie Welser oft als Abenteurer dargestellt. „Aber sie waren nichts anderes als Plünderer.“ Auch heißt es oft, dass sie die Überseeprovinz Venezuela bekamen. „Dabei war das Land ganz klar eine Kolonie.“

    Im Podcast geht es um die Felsmalereien von La Lindosa, einer wichtigen Quelle

    Von den Eroberungen in Venezuela und deren Folgen handelt die erste Folge mit Welser-Forscher Dr. Jörg Denzer. Besonders im Mittelpunkt stehen in dem Gespräch die Felsmalereien von La Lindosa im heutigen Kolumbien. Sie erzählen die Geschichte der indigenen Gruppe Guayupe und wurden erst im Jahr 2017 entdeckt. Eine Szene der Malereien könnte den gewaltsamen Plünderungen und den brutalen Überfällen von Welser-Konquistadoren zugeordnet werden. „Solche Funde sind sehr selten“, sagt Dehner. Leider würden Zeichnungen und Überlieferungen von indigenen Völkern in der europäischen Kultur nur selten als Beweis ernst genommen. Oft zähle das, was in Chroniken und Büchern steht, mehr. „Und von dieser Überheblichkeit müssen wir wegkommen.“

    Auf wessen Kosten entstand der enorme Reichtum der Fugger und Welser? Um diese Frage geht es in der neuen Podcast-Reihe des Fugger und Welser Museums. Die erste Folge handelt von den Felsmalereien von La Lindosa.
    Auf wessen Kosten entstand der enorme Reichtum der Fugger und Welser? Um diese Frage geht es in der neuen Podcast-Reihe des Fugger und Welser Museums. Die erste Folge handelt von den Felsmalereien von La Lindosa.

    In der zweiten Folge, die in den kommenden Wochen erscheinen soll, geht es um die Auswirkungen des Kolonialismus, warum in Lateinamerika Denkmäler gestürzt werden und warum der Kontinent noch immer mit strukturellem Rassismus zu kämpfen hat. In den folgenden Podcasts geht es zurück nach Deutschland und Augsburg. Hörerinnen und Hörer können sich auf Interviews mit einer Kuratorin des Humboldt Forums, mit Dozenten der Universität Augsburg und Aktivistinnen der Gruppe „Augsburg Postkolonial“ freuen. Thematisiert wird unter anderem, warum die Geschichtsschreibung eurozentristisch geprägt ist und inwiefern struktureller Rassismus auch in

    Das Fugger und Welser Erlebnismuseum will ein Umdenken in der Gesellschaft auslösen

    Das Ziel der gesamten Umgestaltung des Fugger und Welser Museums und des Podcasts ist, dass Menschen auch die andere Seite verstehen, sagt Dehner. „Wir wollen unseren Beitrag leisten, auf Eurozentrismus aufmerksam zu machen.“ Sanfte Denkanstöße ohne Konfrontation, die ein Umdenken in der Gesellschaft auslösen. Gerade in Corona-Zeiten ist der Podcast ein geeignetes Medium, Wissen weiterzugeben. Der Schwerpunkt der Podcasts liegt mehr auf den Auswirkungen in der Gegenwart, während die Ausstellung sich größtenteils auf die Vergangenheit bezieht. Eine gute Ergänzung, so lautet die Rückmeldung an das Museum.

    Eine finanzielle Unterstützung des Neustart-Kultur-Programms, einer Förderung der Bundesregierung für Kultur und Medien, ermöglichte dem Erlebnismuseum, das Podcast-Projekt ins Leben zu rufen. „Es ist tatsächlich ein hoher Produktions- und Planungsaufwand“, sagt Dehner. Aber das hat sich gelohnt. „Wir sind wirklich zufrieden mit dem Ergebnis.“

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