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Max Raabe begeistert: Schlechte Laune adé mit Swing

Kongress am Park

„Fenster auf, die Sorgen raus!“ - Max Raabe und Palast Orchester entzücken in Augsburg

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    Im Augsburger Kongress am Park Max Raabe und das Palast-Orchester  Wer hat hier schlechte Laune -
    Im Augsburger Kongress am Park Max Raabe und das Palast-Orchester  Wer hat hier schlechte Laune - Foto: Mercan Fröhlich

    „Es geht in diesem Programm um das Große und Ganze von allem“, kündigte Max Raabe etwas großspurig das aktuelle Tourprogramm im Augsburger Kongress am Park an. Was fast wie eine Drohung klingen könnte, wurde von ihm ganz unangestrengt präzisiert: „Wie lernt man sich kennen … und wie wird man sich wieder los?“. So ironisch charmant attackiert hatte der Trübsinn des Alltags in den nächsten zwei Stunden keine Chance.

    Melancholisch bis amüsant: Max Raabes Konzert in Augsburg

    Denn die Frage des aktuellen Programms „Wer hat hier schlechte Laune?“ blieb ja ganz rhetorisch. Schnell setzte sich bei den Zuschauern das Lächeln durch, mal melancholisch, mal amüsiert, selbst in einer Stadt, in der man gerne pessimistisch grummelt.

    Raabe, gelernter Bariton und seit gut drei Jahrzehnten unterwegs mit seinen nostalgischen Programmen, mit Perlen der reichhaltigen Unterhaltungskultur der Zwanziger und frühen Dreißiger-Jahre, ist ein Solitär in der deutschen Musiklandschaft. Denn seine Entdeckungsfreude der musikalisch vielfältigen, aber vergessenen Schlager mit den oft frivol-lustigen Texten ist ungebrochen. Und sein fabelhaftes „Palast Orchester“ begleitet ihn treu und mit ausgefeilten Arrangements und feinem Big Band Sound. Da finden selbst Bass-Saxophon und Sousaphon eine Nische für ihren eigenwilligen Klang.

    In Max Raabes Liedern reimt sich „Gorilla“ auf „Villa“

    In diesen Klassikern umrunden die Bläser elegant den straffen Beat mit swingenden Pirouetten wie in „Mir ist so nach dir“ des genialen Mischa Spoliansky, den die Nazis wie Friedrich Hollaender und so viele andere Künstler der musikalisch Goldenen Zwanziger Jahre vertrieben oder verfolgt hatten. Und es waren ja nicht gerade heitere Zeiten, in denen diese Revuen und Schlager entstanden.

    Während den Weltwirtschaftskrisen erholten sich die Menschen zwischen Berlin und Wien bei krisenresistenten, gern frivolen Texten mit oft albernem Reimzwang. Da reimt sich Gorilla auf Villa, Wiese auf Paradiese und jemand steht „mit Ruth gut, ich weiß was gut tut“. Wilde Reime auch im Schlager von Leo Leux und Hans Hannes „Unter den Pinien von Argentinien“. Darin heißt es „Unter den Zypressen, hab’ ich mich vergessen … Und bei den Kakteen ist es dann geschehen“. Das passt direkt zum Pinguin, der „schaut, ob sein Gletscher taut“ im Schlaflied.

    Aber Raabe ist ja nicht nur das nostalgische Trüffelschwein, das in den historischen Schätzen schwelgt. Er hat es geschafft, sich in den letzten gut zehn Jahren neu zu erfinden, ohne das Alte ganz zu verdrängen. Zusammen mit der Musikproduzentin und früherem Neue-Deutsche-Welle-Star Annette Humpe sowie Peter Plate (Rosenstolz) schreibt er eigene Lieder. Musikalisch vielleicht nicht immer so komplex wie die alten Nummern, aber sie speisen sich oft aus dem Swing und der Leichtigkeit der hundert Jahre alten Schlager mit ihren flotten Rumba-Rhythmen.

    Das Palast Orchester spielt Raabes Lied für „Babylon Berlin“

    Da findet sich auch ein energiegeladenes Stück mit funkigen Bläsereinlagen wie „Heute geht’s los“, das sich ganz verheißungsvoll, wenn auch nicht sehr glaubwürdig um den Tatendrang dreht. Melancholisch, mit feinen Bläserspitzen, sind Lieder wie das sehnsuchtsvolle „Der Sommer“ oder „Es wird wieder gut“. Eher ironisch-heiter dann die Zugbegegnung mit eigenwilliger Relativitätstheorie „Das mit uns könnte was werden – das ging schief von Anfang an“, eine Hymne an die kleinen Malheurs, die letztlich zum Happy End führen. Natürlich gibt es für die Fans dann auch ältere Hits wie das Multitasking-Wunderlied „Für Frauen ist das kein Problem“, „Guten Tag, liebes Glück“ und seinen Song aus „Babylon Berlin“: „Ein Tag wie Gold“.

    Elegant füllt der Bariton im etwas steifen „Arbeitsanzug“ Frack nicht nur die Mitte der Bühne. Er weiß sich auch zurückzunehmen, wenn seine exzellenten Musiker im Vordergrund stehen, ihre Soli ausgeleuchtet werden und so Höhepunkte setzen, die in Augsburg begeisterten Zwischenapplaus nach sich ziehen. Sie sind es auch, die mit kleinen Choreografien der tänzelnden Trompeten und Saxophone das Gesamtbild des gepflegten Orchesters auflockern. Dazu stiftet Raabe kleine gewitzte Moderationen bei wie zur Geschlechtertrennung im Vergleich zur Mülltrennung („am Ende landet doch alles auf einem Haufen“) oder zur träumenden Elsa, der Lohengrin mit Hinweis auf den Datenschutz die Antworten verweigert. Oder schickt zum Song „Dream a little dream“ einen gut einen Meter langen Zeppelin durch den Saal.

    Kein Platz für schlechte Laune im Parktheater Göggingen

    Für schlechte Laune war also eindeutig kein Platz an diesem Abend, für den galt, „heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“. Als Rezept für die gute Laune zu Hause empfiehlt der Sänger und Texter: „Fenster auf, die Sorgen raus!“. Und stattdessen lieber mal nach Reimen suchen…

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